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Was ist eigentlich das Syndrom des zyklischen Erbrechens?

Frau fasst sich an den Bauch und hält die andere Hand vor den Mund
Etwa 2 % der Bevölkerung leiden an dem Syndrom des zyklischen Erbrechens, Frauen sind dabei häufiger als Männer betroffen. | Bild: Goffkein / AdobeStock

Ob verdorbener Magen, Autofahrt, Schwangerschaft oder viraler Infekt – Übelkeit und Erbrechen können viele Ursachen haben und betreffen früher oder später jeden. 

Häufig keinen konkreten Auslöser benennen können Menschen, die vom Syndrom des zyklischen Erbrechens betroffen sind. Sie leiden regelmäßig – laut Rom-IV-Diagnosekriterien mindestens dreimal im Jahr – an akuten Episoden von Übelkeit und Erbrechen. 

In schweren Fällen können diese mehrere Tage andauern und enden regelmäßig in der Notaufnahme. Zwischen diesen Episoden liegen Wochen oder sogar Monate, in denen die Betroffenen beschwerdefrei sind.

Gut zu wissen: Was sind die Rom-IV-Diagnosekriterien?

Als Rom-Kriterien bezeichnet man die von der Rome Foundation erarbeiteten Diagnosekriterien für verschiedene funktionelle gastrointestinale Störungen. Erstmalig erstellte die Stiftung 1992 solche Kriterien (Rom-I), seitdem wurden diese immer wieder überarbeitet und ergänzt. Die 2016 veröffentlichten Rom-IV-Kriterien sind die derzeit aktuellsten.

Für die Diagnose des Syndroms des zyklischen Erbrechens heißt es dort:

Ein Syndrom des zyklischen Erbrechens liegt vor, wenn die folgenden drei Kriterien erfüllt sind:

  1. Stereotype Episoden von Erbrechen hinsichtlich Beginn (akut) und Dauer (weniger als 1 Woche).
  2. Mindestens drei getrennte Episoden im vergangenen Jahr und zwei Episoden in den letzten 6 Monaten, die mit mindestens einer Woche Abstand voneinander auftraten.
  3. Abwesenheit von Erbrechen zwischen den Episoden, aber andere mildere Symptome können zwischen den Zyklen vorhanden sein

Unterstützendes Kriterium: Migräne in der Anamnese oder in der Familiengeschichte

Syndrom des zyklischen Erbrechens: Krankheitsverlauf in vier Phasen unterteilt

Charakteristisch für das Syndrom des zyklischen Erbrechens ist sein stereotyper – also bei jeder Episode gleicher – Ablauf in vier Phasen. 

Aus einer Phase des Wohlbefindens heraus kündigt sich eine neue Krankheitsepisode mit einer Prodromalphase an, typischerweise in den frühen Morgenstunden. Die hierbei auftretenden Symptome variieren individuell – sind jedoch für den einzelnen in Art und Reihenfolge spezifisch. Auftreten können beispielsweise gastrointestinale Symptome (z. B. Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen), Hitze- oder Kältegefühl, Benommenheit und Kopfschmerzen. 

Es folgt die emetische Phase mit häufigem Würgereiz, Erbrechen und Bauchschmerzen. Nach einer Erholungsphase stellt sich dann wieder der Zustand des Wohlbefindens ein.

Ursache des Syndroms des zyklischen Erbrechens noch unbekannt

Vom Syndrom des zyklischen Erbrechens sind schätzungsweise 2 % der Bevölkerung betroffen, wobei Männer seltener als Frauen erkranken. Häufig tritt die Erkrankung bereits im Kindesalter auf, aber auch bei Erwachsenen um das 35. Lebensjahr häufen sich die Neuerkrankungen. 

Der Pathomechanismus ist bislang ungeklärt. Angenommen wird eine chronische Störung der Hirn-Darm-Interaktion. Auffällig ist eine hohe Rate von Migräne als Komorbidität (20 bis 30 % der Patienten leiden auch unter Migräne) sowie in der Familienanamnese. Das Vorliegen einer Migräneerkrankung bei einer betroffenen Person oder innerhalb der Familie gilt daher gemäß Rom-IV als unterstützendes Diagnosekriterium. Ebenfalls erinnert der Verlauf der Erkrankung an die Kopfschmerzerkrankung. 

Auch können Betroffene persönliche Triggerfaktoren identifizieren, beispielsweise Stress (inklusive „positivem“ Stress vor Geburtstagen oder Urlauben), Schlafmangel oder Hormonschwankungen. Im Anamnesegespräch wird auch der Cannabiskonsum abgefragt, um das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom abzugrenzen.

Gut zu wissen: Was ist das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom

Das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom (CHS) ist ein durch regelmäßigen Cannabiskonsum verursachtes Krankheitsbild. Typisch dafür sind zyklische Episoden von starkem Erbrechen. Alle paar Wochen oder Monate kommt es zu häufigerem, insbesondere morgendlichem, starkem Erbrechen, das wenige Tage anhält. 

Begleitend können Bauchschmerzen, Schwitzen, Änderungen der Körpertemperatur und Gewichtsverlust auftreten. /vs

Wie wird das Syndrom des zyklischen Erbrechens therapiert?

Für die Arzneimitteltherapie kommen verschiedene Wirkstoffklassen infrage: 

  • Triptane (z. B. Sumatriptan),
  • Antiemetika (z. B. Ondansetron, Promethazin, Prochlorperazin) und
  • Sedativa (z. B. Alprazolam, Lorazepam, Diphenhydramin)

können helfen, eine heraufziehende oder bereits eingetretene Akutphase zu vermeiden oder abzumildern. Die Medikamente sollten so früh wie möglich eingenommen werden. Empfehlenswert sind nasale, rektale oder auch sublinguale Darreichungsformen. Viele Patienten benötigen eine Kombinationstherapie.

Leiden Betroffene an schweren Formen des Syndroms, kann auch eine prophylaktische Therapie begonnen werden. Hierfür kommen trizyklische Antidepressiva, Antiepileptika und Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten infrage. Mangels placebokontrollierter, randomisierter Studien beruhen diese Therapieempfehlungen für die prophylaktische Therapie auf Fallberichten und Expertenmeinungen.

Unbehandelt kann sich die Erkrankung in schweren Fällen verschlechtern, sodass die Phasen des Wohlbefindens kürzer werden oder sogar ganz verschwinden.

Was können PTA in der Beratung empfehlen?

Aber auch nichtmedikamentöse Maßnahmen können Betroffenen helfen. Hierzu zählen Lebensstilmodifikationen, die auf 

  • eine Reduktion von Stress,
  • einen regelmäßigen Schlafrhythmus,
  • einen Essrhythmus ohne lange Fastenperioden sowie
  • das Vermeiden der individuellen Triggerfaktoren

abzielen. Nahrungsergänzungsmittel mit Coenzym Q10 und Riboflavin finden ebenfalls Erwähnung in der Fachliteratur. 

Zieht eine Krankheitsepisode auf, werden warme Bäder oder Duschen von vielen Betroffenen als lindernd beschrieben. Patienten sollten jedoch unbedingt darauf achten, sich durch zu heißes oder zu langes Baden/Duschen nicht zu verbrennen. 

Zu guter Letzt kann den Betroffenen geraten werden, Pulver zur Herstellung von Elektrolytlösungen oder Sportgetränke vorrätig zu halten, damit diese in der Erholungsphase zur Verfügung stehen. Quellen:
- Karsch-Völk. Zyklisches Erbrechen (CVS). Beitrag auf Deximed. Stand 2019. https://deximed.de/home/klinische-themen/paediatrie/krankheiten/magen-darm/zyklisches-erbrechen
- Keller K, Beule J, Scholz M et al. Zyklisches Erbrechens-Syndrom beim Erwachsenen: Kasuistik über 5 Patienten. Journal für Gastroenterologische und Hepatologische Erkrankungen 2013;11(2),16-21
- Levinthal DJ, Staller K und Venkatesan T. AGA Clinical Practice Update on Diagnosis and Management of Cyclic Vomiting Syndrome: Commentary. Gastroenterology 2024;167:804–811
- Rome Foundation. Rome IV Diagnostic Criteria for Disorders of Gut-Brain-Interaktion. 2016 https://theromefoundation.org/rome-iv/rome-iv-criteria/