Welche Insulin-Alternativen sind noch verfügbar?
Für Insulin-pflichtige Menschen mit Diabetes gab es zuletzt eher beunruhigende Nachrichten: So berichtete etwa das „Handelsblatt“, dass als letzter großer Anbieter von Humaninsulinen in Deutschland nur noch das Unternehmen Eli Lilly übrigbleibe – nachdem Sanofi bereits 2023 und vor Kurzem auch Novo Nordisk die Marktrücknahme zahlreicher Insuline angekündigt hatten. Diabetologen in Deutschland erwarten laut dem „Handelsblatt“-Bericht nun, dass Eli Lilly die wegfallenden Insulin-Mengen von Novo Nordisk künftig nicht auffangen kann.
Im Juni 2023 hatten die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) in einer Stellungnahme die „Einstellung von Produktion und Vertrieb sämtlicher Humaninsuline durch Sanofi“ bereits deutlich kritisiert: Der Anteil von Humaninsulinen an allen Insulinverordnungen betrage zwar „nur noch gut 20 %“, hieß es. Doch dieser Rückgang in der Verordnung von Humaninsulinen sei „Ausdruck eines geschickten Marketings“.
Die Tatsache, dass aus der Produktion von Sanofi nur noch Insulinanaloga verfügbar bleiben, sahen AkdÄ und DEGAM kritisch: Diese hätten gegenüber Humaninsulinen keinen „Vorteil hinsichtlich patientenrelevanter Endpunkte“ – was sich auch in der Erstattungsfähigkeit von Insulinanaloga widerspiegele.
Einstellung von Humaninsulinen als „unnötige Beunruhigung der Patienten“
Angesichts dieser Stellungnahme verwundert es nicht allzu sehr, dass anlässlich der angekündigten Marktrücknahme von Novo Nordisk Andreas Klinge, Diabetologe und Vorstandsmitglied der AkdÄ, dem „Handelsblatt“ nun sagte: „Dass Novo Nordisk als zweiter der drei großen Hersteller Humaninsuline vom Markt nimmt, läutet das Ende der Humaninsuline in Deutschland ein.“ Das sei problematisch, da einige Diabetologen in Deutschland Humaninsuline für die Standardtherapie halten und nur aus medizinischen Gründen davon abweichen.
„Ich bedauere es sehr, dass Novo Nordisk überhaupt keine Humaninsuline mehr herstellt. Das ist ein Vertrauensverlust und eine unnötige Beunruhigung der Patienten, die auf dieses Insulin eingestellt sind“, sagte auch Andreas Fritsche, Professor für Diabetologie an der Universität Tübingen und Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), dem „Handelsblatt“.
Humaninsulin: Statt Pens wird auf Fläschchen umgestellt
Sowohl Novo Nordisk als auch Sanofi stellen den Rückzug aus dem Humaninsulin-Geschäft positiver dar: Therapieumstellungen seien zwar gerade bei Insulinen immer eine Herausforderung – es sei aber auch eine Möglichkeit zur Verbesserung der Therapie.
Zudem wolle man mit der Marktrücknahme die Lieferketten stärken. Das geschieht offenbar auch in Abstimmung mit nationalen und europäischen Behörden.
Zudem wolle Novo Nordisk in vielen Ländern der Welt weiterhin Humaninsulin anbieten. Doch die Darreichungsform soll verändert werden: Von Pens wird auf Fläschchen umgestellt. „Das bedeutet wahrscheinlich, dass sie vorrangig ihre Blockbuster-GLP-1-Medikamente in die Pens füllen wollen, im Gegensatz zu den weniger lukrativen Humaninsulinen“, kommentierten die „Ärzte ohne Grenzen“ dieses Vorhaben gegenüber dem „Handelsblatt“.
Da Pens bei Patienten deutlich beliebter sind als Spritzen, dürfte der Gebrauch von Humaninsulin auch in solchen Ländern künftig weiter zurückgehen.
Sind Humaninsuline wirklich besser als Insulinanaloga?
In der aktuellen S3-Leitlinie zur Therapie des Typ-1-Diabetes werden die verschiedenen Insulinarten in Humaninsuline und Insulinanaloga unterteilt. Dabei zählen zur
- Gruppe der Humaninsuline
- Normalinsuline und
- Humaninsuline mit Verzögerungsprinzip (Insulin-Isophan, „Neutral-Protamin-Hagedorn“ = NPH) – sie sind mit dem menschlichen Insulin chemisch identisch.
- Zur Gruppe der Insulinanaloga zählen sowohl
- kurzwirksame Insulinanaloga (Lispro/Ultra rapid Lispro, Aspart/Faster-Aspart, Glulisin) als auch
- langwirksame Insulinanaloga (Glargin, Detemir, Degludec). Diese sind dem menschlichen Insulin ähnlich, enthalten aber gezielt veränderte Aminosäuresequenzen.
Insulinanaloga werden in der Leitlinie den Humaninsulinen gegenüber nicht als unterlegen dargestellt – vielmehr werden auch Vorteile benannt: So sollen Insulinanaloga der physiologischen Insulinfreisetzung näherkommen als Humaninsuline. Insgesamt spricht die Leitlinie aber eine gleichwertige Empfehlung für beide Insulinarten aus:
„Zur Therapie von Menschen mit Typ-1-Diabetes sollen Humaninsuline (Normalinsulin oder Humaninsuline mit Verzögerungsprinzip) oder Insulinanaloga (kurzwirksame oder langwirksame) eingesetzt werden.“
In der aktuellen Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) zum Typ-2-Diabetes wird zudem nicht explizit zwischen Humaninsulinen und Insulinanaloga unterschieden – sondern nur in kurzwirksame und langwirksame Insulinarten.
Es wird dazu geraten, die Insulinart individuell der Lebenssituation anzupassen. Allerdings wird auch darauf verwiesen, dass die verschiedenen langwirksamen Insuline von den Mitgliedern der Leitliniengruppe unterschiedlich bewertet werden.
Humaninsulin versus Analoginsulin
„DEGAM und AkdÄ sehen keinen Vorteil langwirksamer Analoginsuline gegenüber NPH-Insulin“, heißt es. NPH-Insulin zur Nacht entspreche am ehesten der physiologischen Insulinwirkung. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft e. V. (DDG) und die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) bevorzugen dagegen langwirksame Analoginsuline gegenüber NPH.
Die Begründungen der verschiedenen Positionen werden im Anhang zur Leitlinie folgendermaßen gegenübergestellt:
Vorteile von Analoginsulinen | Vorteile von NPH-Insulin zur Nacht |
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Dass die Frage „Humaninsulin oder Insulinanaloga?“ keine neu aufgetretene ist, zeigt ein Artikel des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) von 2006. Verschärft wird sie nun aber durch die neue Marktsituation.
Überblick an noch verfügbaren Insulin-Alternativen
Folgender tabellarischer Überblick (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) an noch verfügbaren Alternativen kann deshalb im Beratungsalltag für ein wenig Erleichterung sorgen. Dabei fällt auf, dass nicht nur Humaninsuline vom Markt verschwinden – beispielsweise auch für das Insulinanalogon Insulin detemir gibt es künftig kein direktes Alternativpräparat.
Letztlich muss sich die gewählte Insulinart und das Insulinschema bzw. die individuelle Dosierung immer an der Lebenssituation der Patienten orientieren. Sie bedarf also einer engen Überwachung durch die betreuenden Ärzte, vor allem bei einem Präparate-Wechsel (an Dosisanpassung denken!).
Wirkstoff | Direkte Alternativen (gleicher Wirkstoff) | Ähnliche Alternativen | |
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Kurzwirksame Insulinanaloga von Novo Nordisk, die außer Handel gehen | |||
Levemir® keine weitere Verfügbarkeit aller verfügbaren Darreichungsformen (FlexPen®, Penfill®) ab 2026 | Insulin detemir | keine |
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Kurzwirksame Insulinanaloga von Novo Nordisk, die außer Handel gehen | |||
Fiasp® PumpCart® für Insulinpumpen keine weitere Verfügbarkeit ab 2027 | Insulin aspart | Fiasp® Durchstechflasche bleibt verfügbar (Angaben der Pumpenhersteller beachten!) |
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Wirkstoff | Direkte Alternativen (gleicher Wirkstoff) | Ähnliche Alternativen | ||
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Langwirksame Humaninsuline von Novo Nordisk, die außer Handel gehen | Langwirksame Humaninsuline von Sanofi, die bereits außer Handel sind | |||
Protaphane® keine weitere Verfügbarkeit aller verfügbaren Darreichungsformen (FlexPen®, Penfill®) ab 2026 | Insuman® Basal | Basalinsulin NPH = „Neutral-Protamin-Hagedorn“, Insulin-Isophan |
| langwirksame Insulinanaloga wie
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Kurzwirksame Humaninsuline von Novo Nordisk, die außer Handel gehen | Kurzwirksame Humaninsuline von Sanofi, die bereits außer Handel sind | |||
Actrapid® keine weitere Verfügbarkeit aller Darreichungsformen (FlexPen®, Penfill®) ab 2027 | Insuman® Rapid | Normalinsulin |
| Kurzwirksame Insulinanaloga wie glulisin, aspart oder lispro Für Insuman® Infusat Durchstechflaschen von Sanofi für Insulinpumpen (Normalinsulin) war 2023 bis Juni 2025 ein Engpass verkündet worden. |
Mischinsuline von Novo Nordisk, die außer Handel gehen | Mischinsuline von Sanofi, die bereits außer Handel sind | Wirkstoff | Direkte Alternativen (gleicher Wirkstoff laut Lauer-Taxe® Stand 15.10.2024) | Ähnliche Alternativen |
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Actraphane® 30 keine weitere Verfügbarkeit aller verfügbaren Darreichungsformen (FlexPen®, Penfill®) ab 2027 | – | 30 % Normalinsulin, 70 % NPH |
| Aspart und Aspart-Isophan: NovoMix® 30 von NovoNordisk |
Actraphane® 50 keine weitere Verfügbarkeit aller verfügbaren Darreichungsformen (Penfill®) ab 2027 | Insuman® Comb 50 | 50 % Normalinsulin, 50 % NPH |
| 50 % Lispro und 50 % NPH: Humalog® Mix50™ und Liprolog® Mix50™ von Lilly |
– | Insuman® Comb 25 | 25 % Normalinsulin, 75 % NPH |
| 25 % Lispro und 75 % NPH: Humalog® Mix25™ und Liprolog® Mix25™ von Lilly |