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Was verursacht Hörstörungen bei Kindern?

Kleiner Junge hält die Hand an sein rechtes Ohr
Hörprobleme im frühen Kindesalter sind häufig genetisch bedingt. | Bild: AlcelVision / AdobeStock

Etwa zwei von 1.000 Neugeborenen sind von Hörstörungen betroffen. 50 bis 70 Prozent der Fälle sind genetisch verursacht – Tendenz steigend. Unbehandelt können diese Erkrankungen zu Störungen der Hör-, Sprach- und Kommunikationsentwicklung und nach folgend der sozialen, emotionalen, bildungs- und berufsbezogenen und geistigen Entwicklung führen.

Meist ist das Innenohr betroffen, in dem sich Haarzellen nicht richtig entwickelten. Diese bewegen sich eigentlich bei Schall und geben den Reiz an den Hörnerv weiter. Funktioniert das nicht richtig, beeinträchtigt dies das Hörvermögen.

Neugeborenen-Hörscreening stellt Auffälligkeiten fest

Feststellen kann man das zum Beispiel mithilfe des Neugeborenen-Hörscreenings, bei dem u. a. otoakustischen Emissionen gemessen werden.

Bei der Messung der otoakustischen Emissionen (OAE) wird eine kleine Sonde in den äußeren Gehörgang eingeführt. Diese gibt leise „Klick“-Geräusche ab, die bis ins Innenohr weitergeleitet werden. Ähnlich einem Echo „antworten“ diese Zellen mit Schwingungen, die wiederum als Schallwellen vom Innenohr zurück ins äußere Ohr übertragen werden. 

Dort nimmt ein an der Sonde befestigtes winziges Mikrofon die Schallwellen auf und misst, wie stark sie sind. Bleibt das Signal aus oder ist es sehr schwach, kann dies auf eine gestörte Schallaufnahme im Innenohr hinweisen. Die Ursache ist häufig eine Störung der Sinneszellen. 

Das Hörscreening wird meist durchgeführt, wenn das Neugeborene schläft. Denn Hintergrundgeräusche oder Bewegungen des Kindes können die Ergebnisse verzerren.

Gut zu wissen: Wer hat Anspruch auf ein Hörscreening?

Das Neugeborenenen-Hörscreening wird seit etwa 2009 angeboten. Die Teilnahme ist freiwillig und für das Kind vollständig schmerzfrei. Die Kosten werden von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. 

Cochlea-Implantat bei angeborener Hörstörung

Eine Hörstörung bei Neugeborenen lässt sich meist nicht heilen. Um eine weitestgehend normale Entwicklung des Kindes zu gewährleisten, können aber diverse Behandlungsoptionen sinnvoll sein. Diese sind wirkungsvoller, je früher sie erfolgen.

Dazu zählen das Erlernen der Gebärdensprache und eine Frühförderung des Hörens, das Tragen von Hörgeräten, eine Operation des Mittelohrs oder eine Versorgung mit einem Cochlea-Implantat.

Bei dieser Technik werden die Nervenzellen des Hörnervs elektrisch stimuliert. Dafür wird ein Elektrodenträger in die Hörschnecke eingeführt, die nach der Geburt kaum noch wächst. Der äußere Teil der Hörprothese besteht aus einem Mikrofon und einem Prozessor, der die Schallinformationen in elektrische Impulse umwandelt.

Für Entfernungen und in lauterer Umgebung wie im Kindergarten oder in der Schule gibt es Mikrofone, die mit dem Implantat vernetzt sind, damit die Stimme der Eltern oder Lehrer auch durchdringt, wenn ein Bus vorbeifährt oder andere Kinder lärmen. 

Aber wo gesunde Menschen Hintergrundgeräusche ausblenden können, kommt ein Soundprozessor an Grenzen. Zudem ist die Technik nicht ganz wasserdicht. Und das Gehirn muss sich erst an die neue Art zu hören gewöhnen. 

Bei Hörstörungen: Hilfestellungen im Alltag

Neben den Behandlungsoptionen ist es auch wichtig, dass sich das Umfeld der Betroffenen auf die geminderte Hörleistung einstellt. So kann es sinnvoll sein, beim Sprechen Blickkontakt zum Kind zu haben. Denn auch Mimik hilft beim Verstehen des gesprochenen Wortes. Viele Menschen mit Hörbeeinträchtigungen können Lippenlesen.

Zudem heißt es: viel reden. Gesunde Kinder müssen ein Wort 100-mal hören, bis sie es sprechen können, mit Hörschädigung braucht es um die 200 Wiederholungen. 

Hörstörungen bei Neugeborenen häufig genetisch bedingt

Hörminderungen auf beiden Ohren und ein frühes Auftreten sind laut Hanno Bolz vom Bioscientia-Verbund medizinischer Labore Indizien für genetisch bedingte Hörstörungen. Wenn zusätzlich eine familiäre Häufung hinzukomme, sei praktisch sicher von einer erblichen Ursache auszugehen. 

„Mehr als die Hälfte der Erkrankungen ist erblich bedingt“, sagt Bolz. Das gelte auch bei Hörstörungen, die nicht schon bei der Geburt vorliegen, sondern sich erst in der Kindheit, Jugend- oder dem frühen Erwachsenenalter entwickeln.

Das Problem: Bei etwa 30 Prozent der Betroffenen sei die Hörstörung nur eines von mehreren Symptomen, die mit der Zeit zu erwarten sind. Bei den sogenannten syndromalen Erkrankungen können zum Beispiel auch Augen, Herz oder andere Organe betroffen sein, wie Bolz erklärt. Bislang seien mehr als 100 Gene bekannt, die Hörstörungen verursachen können.

Ist eine genetische Ursache identifiziert, wisse man, ob weitere Symptome zu erwarten sind, welche Fachärzte gegebenenfalls hinzugezogen werden müssen und welche regelmäßigen Kontrolluntersuchungen nötig sind. Das mache die weitere Behandlung effizienter, ist Bolz überzeugt. Quelle: dpa, https://www.g-ba.de/downloads/17-98-2672/2009-06-18_G-BA_Neugeborenen-Hoerscreening_bf.pdf