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Probiotika beein­flussen Darmflora unter Antibiotika

Mutter steckt Sohn Tablette in den Mund
Eine Therapie mit Antibiotika kann das Gleichgewicht der Darmbakterien durcheinanderbringen. Daher werden häufig zusätzlich Probiotika empfohlen. | Bild: New Africa / AdobeStock

Der Einsatz von Probiotika im Apothekenalltag ist allgegenwärtig. Vor allem im Zusammenhang mit einer Antibiotika-Therapie werden geeignete Multispezies-Präparate, die mehrere Bakterienstämme und -gattungen enthalten, gern empfohlen. 

Zur Vorbeugung der Entstehung einer Antibiotika-assoziierten Diarrhoe – also Durchfall in Folge der Antibiotika-Therapie – gibt es mittlerweile viele positive Studienergebnisse. Anders sieht es im Bereich der Bakterienvielfalt aus.

Studie untersucht Bakterienvielfalt nach Antibiotika-Therapie

Eine aktuelle holländische StudieJAMA Network: "Probiotics and Antibiotic-Induced Microbial Aberrations in Children
A Secondary Analysis of a Randomized Clinical Trial", Stand Juli 2024
 
 hat nun bewertet, wie sich die Gabe eines Multispezies-Probiotikums auf die Bakterienvielfalt bei Kindern auswirkt, die sich einer Antibiotika-Therapie unterziehen müssen. 

Die Forschergruppe aus Maastricht unter Dr. Thomas Dierikx bewertete im Rahmen einer Sekundäranalyse eine randomisierte, placebokontrollierte Studie an 88 Kindern im Alter von drei Monaten bis 18 Jahren. 

Die Probanden erhielten aufgrund einer Infektion stationär oder ambulant ein Breitbandantibiotikum. Dieses richtet sich gegen eine Vielzahl von möglichen Erregern, um die Infektion möglichst vollumfassend zu behandeln.

Zur Erinnerung: Auswirkung einer Antibiotika-Therapie auf die Darmbakterien

  • Antibiotika sind wichtige Medikamente zur Bekämpfung von Infektionen.
  • Antibiotika töten häufig auch nützliche Bakterien des Darm-Mikrobioms ab.
  • Folglich kann eine Dysbiose entstehen, also ein Ungleichgewicht zwischen den nützlichen und ungünstigen Bakterien.
  • Zu wenige „gute“ Bakterien können die Darmschleimhaut schwächen und zahlreiche Erkrankungen, auch außerhalb des Darms, begünstigen. Dazu zählen u. a. ein schwaches Immunsystem, Allergien, Morbus Crohn und Neurodermitis.
  • Durch die Einnahme eines Antibiotikums mit breiter Wirkung und über einen langen Zeitraum kann eine ausgeprägte Dysbiose entstehen.
  • Das Risiko für die Entstehung einer Dysbiose steigt, wenn Antibiotika häufig eingenommen werden (ab zweimal pro Jahr).

Studie: Untersuchung Probiotikum gegen Placebo

Die Kinder erhielten während der Antibiotika-Einnahme bis sieben Tage danach ein bestimmtes Multispezies-Probiotikum. Diese Mischung umfasste acht Bakterienstämme und fünf verschiedene -gattungen. Enthalten waren beispielsweise 

  • Bifidobacterium bifidum W23 und
  • Bifidobacterium lactis W51 sowie
  • Lactobacillus acidophilus W37 und
  • Lactobacillus acidophilus W55.

Während des Studienzeitraumes wurden vier Stuhlproben untersucht – zu Studienbeginn, am letzten Tag der Antibiotika-Einnahme, am letzten Tag der Probiotika-Einnahme sowie einen Monat nach der Therapie. Augenmerk legten die Forschenden auf die Veränderung der Diversität anhand verschiedener Charakteristika:

  • Alpha-Diversität: Beschreibt die verschiedenen Bakterienarten innerhalb eines Individuums bzw. in der jeweiligen Untersuchungsregion – hier im Bereich des Darms. Die Alpha-Diversität kann als Maß für die Artenvielfalt angesehen werden.
  • Beta-Diversität: Dient als Maß für die Unterschiede in der Vielfalt und Zusammensetzung zwischen verschiedenen Individuen. Verglichen wird immer derselbe Lebensraum, hier wieder der Darm. Die Beta-Diversität wurde im zeitlichen Verlauf der Studie erhoben und beobachtet.
  • Shannon-Index: Berücksichtigt neben der Anzahl der verschiedenen Bakterienarten auch die relative Häufigkeit jeder einzelnen Art.
  • Simpson-Index: Bildet wie der Shannon-Index die Verteilung der Bakterien ab, legt aber ein größeres Augenmerk auf bestimmte einzelne Arten, um deren Dominanz besser hervorzuheben.

Probiotikum beeinflusst Bakterienvielfalt nur gering und vorübergehend

Im Ergebnis konnten im Bereich der Alpha- und Beta-Diversität keine nennenswerten Unterschiede innerhalb der Proben festgestellt werden. In den Stuhlproben zwei und drei waren drei Bakteriengattungen vermehrt vorhanden, wobei dieser Effekt in der vierten Probe bereits verflogen war. 

Bei der Erhebung der Shannon- und Simpson-Diversität zeigte die Placebo-Gruppe einen Monat nach Therapieende eine höhere Bakterienvielfalt als die Probiotika-Gruppe. 

Zusammenfassend berichten die Forschenden, dass es ausschließlich geringe und vorübergehende Effekte auf die Vielfalt der Darmbakterien bei den untersuchten Kindern während der Antibiotika-Therapie zu verzeichnen gab.

Weitere Forschungen mit breiterem Ansatz nötig

Auch wenn die Forschenden in ihrer Studie keinen Vorteil der Probiotika-Mischung aufzeigen konnten, sind zukünftig weitere Untersuchungen nötig, um die Komplexität im Bereich der Bakterienvielfalt aufzudecken. Vor allem bei Kindern gibt es derzeit wenige Daten. 

Schwerpunkte, wie die Häufigkeit einer Antibiotika-Therapie sowie die Einnahmedauer und Bakterienzusammensetzung des Probiotikums, müssen enger mit einbezogen werden. Auch Störfaktoren und die jeweilige Ausgangssituation der Probanden sind entscheidend. 

So könnte es langfristig möglich sein, spezielle Multispezies-Probiotika für individuelle Erkrankungen und Patientengruppen zu empfehlen. Quellen:
- https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Probiotika-beeinflussen-Antibiotika-induzierte-Mikrobiomveraenderungen-kaum-451074.html
- https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2820843?guestAccessKey=97e9b655-20fd-4d9d-b9ef-635a1b5c0e27&utm_source=for_the_media&utm_medium=referral&utm_campaign=ftm_links&utm_content=tfl&utm_term=070524
- Kühnast C, Verkaufsschulung Mikrobiom, Deutscher Apotheker Verlag, 1. Auflage, 2022, Seiten 8, 9, 20