TikTok-Trends – gefährlich für die Gesundheit?
Zwei Drittel der Deutschen konsultieren bei gesundheitlichen Problemen zunächst eine Apotheke oder einen Arzt. Etwa jeder Fünfte hingegen sucht zuerst Informationen und Hilfe im Internet. Dies ergab die erste Untersuchung von HINTS Germany, der bislang größten nationalen Datenerhebung zum Gesundheitsinformationsverhalten der Deutschen.
Auch die sozialen Netzwerke spielen dabei eine große Rolle. Allein im vergangenen Jahr erzielten Videos mit dem Hashtag #health auf der Plattform TikTok über 85 Millionen Aufrufe. Je viraler solche Videos gehen, desto schwieriger wird es für Laien, einzuschätzen, ob diese Gesundheitstrends oder -informationen auf Fakten beruhen.
#BudgetOzempic – Die Abnehmspritze und günstige Alternativen?
2023 war das Jahr der Medikamente zur Gewichtsabnahme. Mit dem Aufkommen von Ozempic® und Wegovy® und anderen „Diabesity“-GLP-1-Präparaten erlebten die USA einen echten Paradigmenwechsel in der Auseinandersetzung mit Fettleibigkeit. Behandlungen mit Semaglutid wurden von Promis wie Kim Kardashian und Oprah Winfrey angepriesen. Der Hype fand auch seinen Weg zu TikTok.
Auf TikTok wurde #ozempic bereits mehr als 667 Millionen Mal aufgerufen. Unter den Videos zum Hashtag gibt es auch zahlreiche, die über den Trend und die Gefahren, die damit einhergehen, aufklären sollen. Aber auch Videos junger Frauen, die Tagebucheinträge ihres Gebrauchs, der teilweise ohne ärztliche Aufsicht stattfindet, veröffentlichen und so die Zuschauer bei ihrer „Turbo-Diät“ mitnehmen.
Zur Erinnerung: Wie wirken GLP-1-Rezeptoragonisten?
Als Analogon zum humanen Glucagon-like-Peptide (GLP-1) übernehmen Semaglutid und Co. die Funktionen von GLP-1 – unter anderem die Regulierung des Appetits und der Nahrungsaufnahme. Semaglutid senkt glucoseabhängig den Blutzuckerspiegel und verlangsamt die Magenentleerung. Durch eine Verringerung des Appetits wird die Energieaufnahme und damit letztlich das Körpergewicht reduziert. Zusätzlich verringert Semaglutid die Vorliebe für fettige Speisen.
Eine anschauliche Erklärung zur Wirkung von Antidiabetika erhalten Sie in unserem Erklärvideo zu Diabetes mellitus Typ 2.
In Deutschland ist Semaglutid für Personen mit Diabetes unter dem Handelsnamen Ozempic® in der Dosis 1,0 mg seit dem Jahr 2018 zugelassen und laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) bei Tausenden in der Anwendung. Wegovy® ist in Dosierungen von 0,25 mg, 0,5 mg, 1 mg, 1,7 mg und 2,4 mg zugelassen. Zum Vergleich: Das Antidiabetikum Ozempic® enthält Semaglutid in Dosierungen von 0,25 mg, 0,5 mg, 1 mg und 2 mg. Ozempic® ist zwar nicht als Abnehmpräparat zugelassen, es kann im Off-Label-Use aber auch zu dem Zweck abgegeben werden. Auch vor dem Hintergrund traten Lieferengpässe auf.
Eine Verordnung von Semaglutid in Wegovy – wenn es denn erhältlich ist – bei Adipositas ist nicht prinzipiell falsch, sofern dies innerhalb der Zulassung und unter ärztlicher Aufsicht geschieht.
Menschen, die unbedingt GLP-1-Präparate zur Gewichtsabnahme verwenden wollten, es sich aber nicht leisten konnten, begannen schon bald, nach günstigeren Alternativen zu suchen. Dies war die Geburtsstunde des Hashtags #BudgetOzempic. Auf TikTok sammelten sich Videos, die für die Verwendung von Microlax® und anderen Laxanzien werben. In den USA trug laut Wall Street Journal die Popularität von Laxanzien wie MiraLAX® zu leeren Apothekenregalen und Lieferengpässen bei.
Die Gewichtsabnahme mithilfe der Abführmittel funktioniert, aber es ist kein gesundes Abnehmen: Es werden nicht nur weniger Nährstoffe, sondern auch weniger Vitamine und Elektrolyte resorbiert. Unter den Elektrolyten ist vor allem Kalium ein kritischer Faktor. Ein Kaliummangel kann Herzrhythmusstörungen und Muskelschwäche verursachen. Außerdem führt ein Mangel an Kalium zur Darmträgheit – somit entsteht ein Teufelskreis, die Dosis des Abführmittels muss immer weiter gesteigert werden, um eine zufriedenstellende Wirkung zu erzielen.
„Oatzempic“ mit Hafer und Limette statt Abnehmspritze?
Während Ozempic als Injektion verabreicht wird, handelt es sich bei „Oatzempic“, einem weiteren Trend, um einen vermeintlichen Wunderdrink. 40 Gramm Haferflocken, 250 Milliliter Wasser und der Saft einer halben Limette, im Mixer püriert und als „Ersatz“ für eine Mahlzeit getrunken – das ist Oatzempic, mit dem sich angeblich binnen kürzester Zeit viel Gewicht verlieren lässt.
„Oat“ steht dabei für das englische Wort für Hafer, Oatzempic soll dementsprechend an das Arzneimittel Ozempic® erinnern. Doch wie wirksam kann ein Hafer-Limetten-Smoothie tatsächlich sein, um abzunehmen? Experten sehen den Social-Media-Trend zwiespältig: „Oatzempic“ – Hafer und Limette statt Spritze?
Kartoffelsaft gegen Streptokokken-Angina?
Streptococcus pyogenes kann viele verschiedene Krankheitsbilder verursachen. Eines der besonders häufigen ist die eitrige Hals- und Mandelentzündung („Angina“, Tonsillopharyngitis). Diese Rachenentzündung kann unterschiedlich schwer ausgeprägt sein – von leichten Halsschmerzen bis zu starken Halsschmerzen und Schluckbeschwerden mit hohem Fieber, ausgeprägter Schleimhautschwellung im Rachenbereich und eitrigen Absonderungen. Eine Streptokokken-Angina entwickelt sich häufig im Rahmen einer Erkältung, wenn dadurch die Schleimhäute vorgeschädigt sind.
Eine Halsentzündung kann äußerst schmerzhaft und unangenehm sein. In den sozialen Medien kursiert die Behauptung, dass Kartoffelsaft ein Wundermittel gegen Halsschmerzen sei. Doch diese Annahme ist wissenschaftlich nicht belegt. Antibiotika sind nach wie vor die effektivste Methode zur Bekämpfung von bakteriellen Infektionen.
Antibiotisch behandelt wird in der Regel mit Penicillin, Amoxicillin oder Ampicillin bzw. mit Cephalosporinen. Dann besteht bereits nach 24 Stunden keine Ansteckungsgefahr mehr. Andernfalls kann der Erkrankte bis zu drei Wochen lang ansteckend sein. Bei einer konsequenten Antibiotikatherapie ist auch die Gefahr möglicher Streptokokken-Komplikationen wie Mittelohrentzündung, Nebenhöhlenentzündung, Lungenentzündung oder Hirnhautentzündung geringer.
Kartoffelsaft kann keinesfalls eine antibiotische Therapie ersetzen. Er kann jedoch als ergänzende Maßnahme zur Linderung von Halsschmerzen verwendet werden (z. B. Schoenenberger Kartoffel Naturreiner Pflanzensaft). Der Kartoffelwickel (auch Kartoffelauflage genannt) gehört ebenfalls zu den traditionellen Hausmitteln. Die warme Auflage aus gekochten und zerstampften Kartoffeln soll Schmerzen lindern und Verspannungen lösen. Daher wird der Kartoffelwickel bei Halsschmerzen, Husten und Muskelverspannungen eingesetzt. Bei akuten oder wiederkehrenden Beschwerden ist der Gang zum Arzt unerlässlich.
#mushroomcoffee – Kaffee mit Pilzen zur Leistungssteigerung?
Mushroom Coffee ist der neueste Gesundheitstrend. Diese Mischung aus normalem Kaffee und medizinischen Pilzen soll Vorteile für die Gesundheit bringen, wie etwa gesteigerte Energie und verbesserte Konzentration.
Doch was steckt eigentlich dahinter? Mushroom-Coffee ist nichts anderes als Instant-Kaffee, dem sogenannte „Vitalpilze” oder „Heilpilze” zugesetzt werden. Diese Pilze sind seit Jahrtausenden Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und von Ayurveda.
Die Liste, was Vitalpilze alles können (sollen), ist lang: Sie gelten als immunstärkend, entzündungshemmend, vitalisierend oder verjüngend. Sie sollen gegen praktisch alle Krankheiten vorbeugend wirken oder sie lindern, unter anderem Asthma, Allergien, Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ 2, Gicht, Magengeschwüre, Herzerkrankungen, HIV, Rheuma bis hin zu Krebserkrankungen. Das alles sei „wissenschaftlich belegt“, geben diejenigen an, die der Kraft der Vitalpilze vertrauen. Wissenschaftliche Studien zu Heilpilzen sind jedoch begrenzt. Die meisten dieser Studien werden mit hochdosierten Pilzextrakten an Tieren oder in vitro, also im Labor, durchgeführt. Ob sie als Pulver beim Menschen die gleichen Auswirkungen haben, ist fraglich.
Marketing-Strategen nutzen diese gesundheitlichen Claims, obwohl der Begriff „Vitalpilz” in Deutschland nicht geschützt ist und die Pilze nicht als Arzneimittel zugelassen sind. Aussagekräftige Studien fehlen, daher sollte man bei solchen Versprechen skeptisch sein.