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Pilzinfektion: Candida auris breitet sich zunehmend aus

Petrischale mit Sporen einer Pilzkultur
Der Hefepilz Candida auris breitet sich immer weiter aus. Insbesondere in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen kann der Pilz problematisch werden. | Bild: TopMicrobialStock / AdobeStock

Candida auris (Candida lateinisch „weiß glänzend“ und auris lateinisch für das Ohr) gehört erst seit kurzer Zeit zu den Organismen, die beim Menschen Krankheiten hervorrufen können. Erst im Jahr 2009 wurde der Pilz, der zur Familie der zur Ordnung der Echten Hefen (Saccharomycetales) gehört, überhaupt entdeckt – als Erreger einer Pilzinfektion des Ohres bei einer Frau in Japan.

Retrospektiv ließ sich der Pilz lediglich bis ins Jahr 1996 zurückverfolgen – und das ist nach dem Stand der Wissenschaft auch das Jahr, in dem aus einem bis dahin wahrscheinlich harmlosen Opportunisten (wie der Großteil der rund 150 bekannten Candida-Arten) ein potenziell tödliches Pathogen wurde – zumindest für Menschen, die an bestimmten Vorerkrankungen leiden oder deren Immunsystem geschwächt ist. Die Entwicklung zum (im übrigen multiresistenten, s.u.) Pathogen hat dabei wohl gleichzeitig auf verschiedenen Kontinenten stattgefunden.

„Candida auris kann bei den Infizierten in den Blutstrom gelangen und dort eine Sepsis, eine sogenannte Blutvergiftung, verursachen“, erklärt Professor Oliver Kurzai, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) in Jena und Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Mykologie an der Universität Würzburg, bereits 2017 in einer Mitteilung des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena, wo das NRZMyk angesiedelt ist. „Für einen gesunden Menschen stellt Candida auris keine Bedrohung dar.“

Candida auris: 2023 doppelt so viele Fälle in Deutschland wie insgesamt von 2015 bis 2022 

Vor Kurzem hat Kurzai gemeinsam mit Wissenschaftlern des NRZMyk, der Uni Würzburg und des Robert Koch-Instituts (RKI) eine Arbeit veröffentlicht, in der die Forschenden die jüngsten Ausbrüche des pathogenen Pilzes in Deutschland untersucht haben. Auf 77 gemeldete Fälle im Jahr 2023 kamen die Forschenden dabei – sechsmal mehr als noch im Jahr 2022 und auch im Jahr 2021 (mit jeweils nur zwölf Fällen).  

Die Mediziner differenzierten dabei zwischen einer Kolonisation, also einer reinen nicht-pathogenen und symptomlosen Besiedelung von Patienten, was in 58 Fällen vorlag, und einer deutlich schwerwiegenderen Infektion, was bei 13 Menschen der Fall war. 

Das Problem bei Candida auris allerdings ist, dass sich aus einer initialen Kolonisation eine endogene invasive Infektion (invasive Candidiasis) entwickeln kann, wenn beim Betroffenen die entsprechenden Bedingungen vorliegen. Bei fünf Betroffenen sei das der Fall gewesen, beschreiben die Forschenden. In vier Fällen sei es dabei zu einer potenziell lebensbedrohlichen Blutstrominfektion gekommen.

Candida auris ist aber auch von Mensch zu Mensch übertragbar sowie über kontaminierte Oberflächen und Gegenstände. Insofern kann Candida auris auch unmittelbar ohne vorherige Kolonisation exogene Infektionen verursachen. Das war in den acht übrigen Fällen so.  

Die Orte der Pilzinfektion sind mittlerweile nicht mehr auf das dem Pilz seinen Namen gegeben habende Ohr beschränkt. „Die häufigsten Infektionen waren Wund- und Gewebsinfektionen (sechs), Blutstrom- und katheterassoziierte Infektionen (fünf) und Protheseninfekte (zwei)“, listen die Forschenden auf.

Vier Ausbrüche von Candida auris in Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen

Interessant ist, dass es zwar 28 Fälle gab, die singulär erschienen und bei denen keine Transmission von Mensch zu Mensch erkennbar war – 49 Fälle aber konnten vier einzelnen regelrechten Ausbrüchen des Pathogens zugeordnet werden.

So ereigneten sich in einer „neurochirurgischen Versorgungseinheit“, die insbesondere Eingriffe „bei im Ausland ansässigen Patientinnen und Patienten“ durchführt, so die Forschenden, ein erster Ausbruch. Der Indexpatient stammte dabei von der arabischen Halbinsel und erlitt eine invasive Candidiasis – später ließen sich zwei weitere mit Candida auris kolonisierte Betroffene in der Einrichtung finden, deren Haut beziehungsweise die Atemwege kolonisiert waren.

Ein zweiter Ausbruch mit 42 Fällen ereignete sich in einem Krankenhaus. Indexfall war ein Patient mit einer Candida-auris-Ohrinfektion. „Im Abstand von einigen Monaten wurden weitere Fälle auf anderen Stationen des betroffenen Krankenhauses identifiziert. Neben Kolonisationen kam es auch zu drei Candida-auris-Infektionen (zwei Protheseninfektionen, eine Blutstrominfektion)“, schreiben die Autoren.

In der gleichen Einrichtung kam es zu einer dritten Übertragung mit einem genetisch unterschiedlichen Candida-auris-Stamm (es gibt fünf genetische Kladen) bei zwei weiteren Betroffenen.  

„Bei einem vierten Ausbruch wurde nach dem Nachweis von Candida auris aus intraabdominalem Material im Rahmen eines Kontaktscreenings bei einem weiteren Patienten eine Besiedlung im Nasenrachenbereich detektiert, die im Verlauf mit einer katheterassoziierten Candida-auris-Fungämie einherging“, schreiben die Forschenden.

Candida auris: Forschende dringen auf generelle Meldepflicht

Die Forschenden ziehen daraus mehrere Schlüsse:

  • Zum einen zeige der Umstand, dass es allein 2023 doppelt so viele Fälle gab wie im gesamten Zeitraum 2015 bis 2022 zusammen, dass sich der Erreger weltweit zunehmend ausbreitet. Das stehe im Einklang mit internationalen Beobachtungen.
  • Die Ausbrüche hätten bis auf einen schnell mit geeigneten Maßnahmen eingedämmt werden können, schreiben die Forschenden. „Der erste und dritte Ausbruch mit insgesamt fünf Betroffenen wurden frühzeitig erkannt und konnten durch strikte Hygienemaßnahmen (u. a. Aufnahmestopp, Isolation, wöchentliche Screenings der Versorgungseinheit) eingedämmt werden.
  • Ferner meinen die Forschenden, dass es eine generelle Meldepflicht brauche für jeden Nachweis von Candida auris. Bislang sind reine Kolonisationen etwa nur bei nosokomialen Ausbrüchen gemäß § 6.3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig. Die Mehrzahl der Fälle sei aber durch die Meldepflicht nicht abgedeckt – das erschwere die frühzeitige Bekämpfung.
  • Für die Zukunft rechnen die Wissenschaftler mit deutlich mehr Fällen. „Ein weiterer Anstieg der Fallzahlen in Deutschland muss als wahrscheinlich angenommen werden, da aus anderen Regionen der Welt bekannt ist, dass Candida auris sukzessive andere Candida spp. als Erreger nosokomialer Infektionen verdrängen kann“, schreiben sie.

Pathogener Pilz auf der Dringlichkeitsliste ganz oben

Der pathogene Pilz steht bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie etwa den US-amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) als „kritisch“ beziehungsweise „dringliche Bedrohung“ auf der Prioritätenliste. Auch das ECDC hat nach Ausbrüchen in Krankenhäusern in Großbritannien und Spanien im April 2018 ein „rapid risk assessment“ (RRA) veröffentlicht.

Neben seiner Eigenschaft, sich recht schnell direkt und indirekt von Mensch zu Mensch ausbreiten zu können (im Gegensatz etwa zu C. albicans und anderen pathogenen Candida-Arten), macht auch sein hohes Resistenz-Potenzial gegenüber einer Vielzahl gängiger Antimykotika den Fachleuten Sorgen. Es gibt „panresistente“ Isolate, die gegen die drei maßgeblichen Klassen von Antimykotika resistent sind, also gegen Fluconazol, gegen die noch recht neuen Echinocandin-Antimykotika und gegen Polyene wie Amphotericin B.

Ferner ist Candida auris auch widerstandsfähig gegen gängige Desinfektionsmittel vom Typ der quaternären Ammoniumverbindungen.

Außerdem ist die Candida-Art schwer bestimmbar – erst Massenspektrometrie macht eine eindeutige Identifizierung des Erregers möglich.

Endemisch ist der Pilz besonders in Indien und Südafrika, zum Teil auch in Spanien, Italien und den USA. Überwiegend werde der Erreger durch kolonisierte Betroffene eingeschleppt, die zuvor in Regionen mit erhöhter Candida-auris-Inzidenz hospitalisiert waren, heißt es in mehreren Arbeiten. Quellen:
- Satoh K, Makimura K, Hasumi Y, Nishiyama Y, Uchida K, Yamaguchi H: Candida auris sp. nov., a novel ascomycetous yeast isolated from the external ear canal of an inpatient in a Japanese hospital. Microbiol Immunol 2009; 53: 41–4. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19161556/
- Lee WG, Shin JH, Uh Y, et al.: First three reported cases of nosocomial fungemia caused by Candida auris. J Clin Microbiol 2011; 49 (9): 3139–42. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21715586/
- Ramm, M.; Candida auris: Ein Pilz verlangt Aufmerksamkeit; Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut; 6.9.2017; Pressemitteilung; https://www.leibniz-hki.de/de/press-details/candida-auris-ein-pilz-verlangt-aufmerksamkeit.html
- Aldejohann AM, Hecht J, Martin R, Walther G, Kurzai O: Zunahme von Candida auris in Deutschland im Jahr 2023; Epid Bull 2024;18:3-7 | DOI 10.25646/12004; https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2024/Ausgaben/18_24.pdf?__blob=publicationFile
- Chowdhary A, Prakash A, Sharma C, et al.: A multicentre study of antifungal susceptibility patterns among 350 Candida auris isolates (2009–17) in India: role of the ERG11 and FKS1 genes in azole and echinocandin resistance. J Antimicrob Chemother 2018; 73: 891–9. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29325167/
- Rutala WA, Kanamori H, Gergen MF, Sickbert-Bennett EE, Weber DJ: Susceptibility of Candida auris and Candida albicans to 21 germicides used in healthcare facilities. Infect Control Hosp Epidemiol 2019; 40: 380–2. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30767810/
- Hamprecht A, Barber AE, Mellinghoff SC, Thelen P, Walther G, Yu Y, Neurgaonkar P, Dandekar T, Cornely OA, Martin R, Kurzai O; German Candida auris Study Group: Candida auris in Germany and Previous Exposure to Foreign Healthcare. Emerg Infect Dis 2019; 25 (9). doi: 10.3201/eid2509.190262. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31223105/
- European Centre for Disease Prevention and Control: Rapid risk assessment: Candida auris in healthcare settings – Europe. https://ecdc.europa.eu/en/publications-data/rapid-risk-assessment-candida-auris-healthcare-settings-europe (last accessed on 27 June 2019).
- Lockhart SR, Etienne KA, Vallabhaneni S, et al.: Simultaneous Emergence of Multidrug-Resistant Candida auris on 3 Continents Confirmed by Whole-Genome Sequencing and Epidemiological Analyses. Clin Infect Dis 2017; 64: 134–40. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27988485/