Sollte Kleinkindern Iod verabreicht werden?
Iod ist ein essenzielles Spurenelement, das unser Körper nicht selbst bilden kann und das wichtig für die Bildung von Schilddrüsenhormonen ist. Ein Iodmangel im Säuglings- oder Kleinkindalter kann gravierend sein: Körperliche und neuronale Entwicklungsstörungen, eine verminderte kognitive Leistungsfähigkeit und eine beeinträchtigte Feinmotorik nennt das Robert Koch-Institut (RKI) als mögliche Folgen – und diese wünschen sich sicher keine Eltern für ihr Kind.
Säuglinge – Kinder im ersten Lebensjahr – erhalten in ihren ersten Lebensmonaten, wenn sie voll gestillt werden oder ausschließlich Muttermilchersatznahrung trinken, in der Regel ausreichend Iod. Stillende sollten laut Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) 100–150 µg Iod pro Tag substituieren.
Säuglingsnahrung für nicht gestillte Säuglinge ist hierzulande standardisiert (Zusammensetzung gesetzlich vorgeschrieben), sodass auch diese den Iodbedarf der damit ernährten Säuglinge deckt.
Iodmangel in Deutschland
Ein Iodmangel kann sich hingegen schnell einstellen ab dem Übergang zur Beikost: Das Baby trinkt weniger Muttermilch oder Ersatznahrung und beginnt mit „normaler“ Kost – babykonform zubereitet oder als Brei –, deren Iodgehalt jedoch häufig sehr gering ist.
Dass dies kein rein theoretisches Problem ist, sondern praktische Realität, zeigen Studiendaten der Iodversorgung von Kindern in Deutschland. Laut Daten der KiGGS-Welle 2 (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland) haben 51,8 Prozent der drei- bis sechsjährigen Kinder einen
- leichten, (34,7 Prozent),
- moderaten (13,7 Prozent) oder
- schweren Iodmangel (3,4 Prozent).
Gut zu wissen: Wie viel Iod benötigen Säuglinge und Kleinkinder?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, dass Säuglinge in ihren ersten vier Lebensmonaten etwa 40 µg Iod täglich und ältere Säuglinge bis zum Alter von einem Jahr täglich 80 µg Iod zu sich nehmen sollten.
Bei Kleinkindern – also Kindern zwischen einem Jahr und vier Jahren – rät die DGE zu 100 µg Iod täglich.
Ältere Daten des Forschungsinstituts für Kinderernährung Dortmund stammen von 2003 und wurden an jüngeren Kindern erhoben: Bei Säuglingen im ersten Lebensjahr lag die mediane tägliche Iodzufuhr bei 55,59 µg (Jungen) und 54,19 µg Iod (Mädchen).
Bei einjährigen Kindern hingegen sank die Iodzufuhr rapide um etwa die Hälfte – auf 28,62 µg (Jungen) und 27,13 µg (Mädchen) Iod pro Tag. Das liegt deutlich unter den von der DGE empfohlenen Mengen von 100 µg Iod täglich für ein- bis vierjährige Kinder. Auch im zweiten und dritten Lebensjahr ging die Iodversorgung weiter zurück.
Die Wissenschaftler fassten damals zusammen: „Während die Dichten der meisten Mineralstoffe und Spurenelemente im untersuchten Altersbereich weitgehend stetig um insgesamt circa 10 bis 30 % abfielen, kam es bei Eisen (–25 %) und vor allem Iod (–75 %) im Alter von einem Jahr zu einem starken Abfall der auffallend hohen Dichten der Säuglingsernährung. Die Iod-Dichte der Kost fiel auch im Kleinkindalter weiter stetig ab.“
Woher kriegen Kinder Iod?
Wie gelingt es, die Iodversorgung von Kleinkindern zu verbessern? Welche Lebensmittel sind iodreich und helfen dabei?
Iod steckt vor allem in Algen, Seefisch und Milchprodukten. Allerdings fallen Algen als zuverlässige Iodquelle weg, da ihre Gehalte laut Professor Martin Smollich, Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, „stark schwanken und teilweise viel zu hoch sein können“, erklärte er jüngst im Interview mit der „Deutschen Apotheker Zeitung“.
Unrealistisch ist es seiner Meinung nach für die meisten Kinder auch, ihren Iodbedarf über zwei Portionen Seefisch pro Woche zu decken. Und bei Milchprodukten müssten die Kinder sehr große Mengen zuführen – zum Beispiel 1 Liter Milch täglich –, was nicht empfohlen wird (empfohlene Menge sind maximal 300 ml Milch pro Tag).
Vegan aufwachsende Kinder sind bei Fisch und Milchprodukten ohnehin außen vor.
Wie viel Salz ist für Kleinkinder gut?
Wie sieht es mit iodiertem Speisesalz aus – können wir dadurch den Iodmangel bei Kleinkindern beheben?
Iodiertes Speisesalz enthält hierzulande durchschnittlich 20 µg Iod pro Gramm Kochsalz. Um auf die von der DGE empfohlenen 100 µg Iod täglich zu kommen, müssten Kleinkinder 5 g Salz essen. Vor allem müssten all ihre Salzquellen (z. B. in Brot, Käse oder Salz an sich) auch iodiert sein – das ist meist nicht der Fall.
Gut zu wissen: Fertigprodukte oft salzreich und iodarm
Das Max Rubner Institut fand heraus, dass bei Fertigprodukten die Hersteller zwar beim Salz kaum sparen, jedoch bei iodiertem: Bei Brot und Kleingebäck enthalten lediglich 12,6 Prozent iodiertes Salz, bei Wurstwaren und Fleischerzeugnissen sind es 48,1 Prozent beziehungsweise 19 Prozent und bei Fleisch- und Wurstersatzprodukten 6,6 Prozent.
Vor allem Brot- und Wurstwaren seien eine „wichtige Salzquelle in der Ernährung“, insgesamt bewerten die Studienautoren den iodierten Salzgehalt in den untersuchten Lebensmitteln mit „auf einem niedrigen Niveau“.
Ohnehin sind 5 g Salz für ein Kleinkind täglich zu viel, die DGE empfiehlt 6 g für Erwachsene als Referenzbedarf. Das US-amerikanische Food and Nutrition Board (FNB) nennt seit 2004 für Kinder im Alter von ein bis drei Jahren 3,8 g Kochsalz pro Tag als Referenzmenge.
Die Kinderärzte Dr. med. Nibras Naami, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde und Oberarzt Kinderhämatologie und -Onkologie, und Privatdozent Dr. Florian Babor – bekannt vom Podcast „Hand, Fuß, Mund“ – raten zu sparsameren Salzmengen bei Kindern, auch wenn es ihnen zufolge „keine guten Empfehlungen für den Salzbedarf von Kindern“ gibt. Sie empfehlen, dass
- Kinder unter einem Jahr maximal 1 g Kochsalz pro Tag erhalten,
- Ein- bis Fünfjährige maximal 2 g pro Tag,
- Kinder im Alter zwischen fünf und neun Jahren 4 g und
- ab zehn Jahren maximal 6 g täglich zu sich nehmen.
Damit ist klar, dass iodiertes Speisesalz alleine für Kleinkinder nicht genügt, um den täglichen Iodbedarf zu decken. Eine Kombination aus iodreichem Seefisch, Milchprodukten in den empfohlenen Verzehrmengen und Iodsalz ist sicher eine gute Lösung – wenn das Kind Fisch und Milchprodukte isst.
Besser Iodtabletten für Kleinkinder?
Ist eine Substitution der sicherere Weg – und wenn ja: Wie viel Iod können Eltern ihren Kindern bedenkenlos verabreichen?
Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA nennt als sichere Zufuhrobergrenze für Iod bei Kindern zwischen einem Jahr und drei Jahren 200 µg pro Tag. Ältere Kinder können der EFSA zufolge 450 µg pro Tag einnehmen.
Laut Professor Smollich ist eine „zur Prophylaxe des Iodmangels bei Kindern zugelassene Einnahme von Kaliumiodid in Dosierungen von 50 bis 100 µg pro Tag auch ohne spezifische Diagnostik möglich“, erklärte er im „DAZ“-Interview. Möglich sei auch, dass der Kinderarzt zuvor den Iodstatus des Kindes im Urin bestimme.
Tabellarische Übersicht bestimmter Lebensmittel mit zugehörigem Iodgehalt:
Lebensmittel | Iodgehalt pro 100 g |
---|---|
Kabeljau, gegart | 275 µg |
Fischstäbchen, gebacken | 175 µg |
Thunfisch, gegart | 58 µg |
Rotbarsch, gegart | 41 µg |
Hering, Konserve, abgetropft | 40 µg |
Lachs, pazifisch, geräuchert | 36 µg |
Forelle (Süßwasser), gebraten | 6 µg |
Kuhmilch | 12 µg |
Hühnerei | 9 µg |
Spinat | 14 µg |
Trinkwasser | 0,3 µg |
Brot mit Iodsalz | 24 µg |
Quelle: Wenn Salz, dann Iod-Salz. Pressemitteilung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 8. September 2023, Nr. 109/2023