Regionalanästhesie: Welche Vorteile bietet die Narkose?
Langsam führt der Narkosearzt mit der rechten Hand eine Nadel durch die Bauchdecke und mit der linken knapp daneben einen Schallkopf. Auf dem Bildschirm neben dem Patienten sieht er im Ultraschall, in welcher Schicht der Bauchdecke sich die Nadel befindet. In der dritten Lage, kurz vor der Darmwand, verläuft das Nervengeflecht, auf das Thorsten Steinfeldt abzielt. Der Chefarzt der Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) Frankfurt ist einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Regionalanästhesie.
Bei einer Regionalanästhesie wird ein Betäubungsmittel in die Nähe von Nerven injiziert, die in einer bestimmten Region des Körpers den Schmerz weiterleiten. Bei dem Patienten auf dem OP-Tisch soll ein Teil der Bauchwand „geblockt“ werden, wie Steinfeld erklärt. Die Chirurgen werden später in dieser Region ein Stück des Beckenkamms entnehmen und es dem Mann in den Unterschenkel wieder einsetzen.
Mithilfe des körpereigenen Transplantats soll der zu dünne Knochen über der Fessel wieder nachwachsen. Andere Teile seines Körpers wurden schon betäubt, bevor der Patient in Narkose versetzt wurde, etwa der Unterschenkel durch eine Punktion im Knie.
Gut zu wissen: Die drei Grundformen der Anästhesie
Klassisch gibt es drei Grundformen der Anästhesie:
- die Vollnarkose (Fachleute sprechen von Allgemeinanästhesie),
- die lokale Betäubung und
- die Regionalanästhesie.
Bei der Vollnarkose bekommt der Patient unter anderem eine Kombination aus Schlaf- und Schmerzmittel. Bei der Lokalanästhesie wird nur eine kleine Stelle betäubt, etwa ein Finger, ohne dass dabei das Bewusstsein beeinträchtigt wird.
Die Regionalanästhesie funktioniert sowohl im Wachzustand als auch unter Vollnarkose. Sie ist auch unter dem Begriff Teilnarkose bekannt und kommt vor allem in der Geburtshilfe zum Einsatz. Dabei wird ein Lokalanästhetikum in die Nähe des Rückenmarks gespritzt, um den Wehenschmerz zu lindern oder einen Kaiserschnitt zu ermöglichen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag die Zahl der Operationen in Deutschland im Jahr 2021 bei rund 16 Millionen. Zahlen, welche Art von Narkose dabei eingesetzt wurde, gibt es laut der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) nicht. Sicher ist jedoch, dass bei einer Vielzahl der Vollnarkosen auch parallel eine Art Regionalanästhesie angewendet wird – einerseits zur Reduzierung von Schmerzen bzw. des Schmerzmittelbedarfs während der Operation und andererseits zur Schmerzvermeidung nach dem Eingriff.
Regionalanästhesie wird beständig weiterentwickelt
Regionalanästhesie ist nicht neu, „aber sie hat sich weiterentwickelt“, wie Steinfeldt sagt, vor allem in den vergangenen etwa 15 Jahren. Voraussetzung war die Verbesserung der Ultraschalltechnik. Der Anästhesist muss sehen, wo die Nadel genau ist, damit er gezielt die Nerven ausschaltet und nebenan keine Verletzung verursacht.
„Das ist ein relativ filigranes Verfahren“, sagt Franz Wappler, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI): „Sie müssen sich mit der Anatomie auskennen, sie müssen gut mit dem Ultraschall-Gerät umgehen können und müssen die Techniken regelmäßig einsetzen. Man braucht Zeit, Geduld und Fingerspitzengefühl.“
Vorteile einer Regionalanästhesie
Die Vorteile einer Regionalanästhesie zeigen sich laut DGAI vor allem nach der Operation: „Der Patient wacht entspannter auf, klagt seltener über Übelkeit, hat weniger Schmerzen und ist schneller wieder fit“, sagt Wappler. Eine Regionalanästhesie sei bei vielen Eingriffen sinnvoll. „Wir wünschen uns, dass diese Verfahren noch größere Verbreitung finden.“
Wird eine Regionalanästhesie parallel zur Vollnarkose gesetzt, ist es möglich, die Narkose flacher zu halten, erklärt Steinfeldt. Der Patient brauche während und nach der Operation auch weniger Schmerzmittel. Die Folge: Er wacht schneller auf, ihm ist seltener übel und er ist weniger lang desorientiert.
Das sogenannte „Delir“ (akuter Verwirrtheitszustand, der Stunden bis Wochen andauern kann) ist vor allem bei älteren, vorerkrankten Patienten ein nicht unerhebliches Narkoserisiko, wie eine 2020 im „British Journal of Anaesthesia“ veröffentlichte Übersichtsstudie belegte. Der Studie zufolge ist das postoperative Delirium „eine relativ verbreitete und ernsthafte Komplikation“. Es erhöhe die Zahl der Krankenhaustage statistisch um zwei bis drei Tage und die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten 30 Tagen zu versterben, um sieben bis zehn Prozent. Quelle: dpa