Aktuelles
3 min merken gemerkt Artikel drucken

Mögliche Nebenwirkung: Halluzinationen unter Atorvastatin?

Depressiver, älterer Mann
Albträume als gelegentliche Nebenwirkung von Atorvastatin sind bereits bekannt. Kommen nun Halluzinationen hinzu? | Bild: perfectlab / AdobeStock

„Davonlaufende Spinnen“ und ein „wankendes Parkettmuster“: Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) berichtet über eine 63-jährige Patientin, die nach Einnahme von 20 mg Atorvastatin Halluzinationen und Alpträume erlebt hatte. Nach wenigen Stunden verschwanden die Beschwerden wieder, traten jedoch nach erneuter Einnahme des Statins wieder auf. 

Die Medikation war neu: Aufgrund eines Schlaganfalls hatten die behandelnden Ärzte der Patientin 20 mg Atorvastatin, 10 mg Lercanidipin und 100 mg ASS erstmalig verordnet. War Atorvastatin möglicherweise „schuld“ an den Halluzinationen und Alpträumen?

Atorvastatin: Alpträume bekannt, Halluzinationen nicht

Die Fachinformation des Cholesterinsenkers informiert über „gelegentliche“ Alpträume als Nebenwirkung einer Atorvastatintherapie. Das bedeutet: Einer von 101 bis 1.000 mit Atorvastin Behandelten erfährt diese unerwünschte Wirkung. 

Halluzinationen nennen die Zulassungsinhaber derzeit nicht als offizielle Nebenwirkung der Statintherapie. Doch wirft man einen Blick in die europäische Datenbank zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen EudraVigilance, ist dieser unerwünschte Effekt bereits beschrieben. So liegen der Datenbank 169 Halluzinationsberichte (davon 38 optische Halluzinationen) zu Atorvastatin vor.  

Die AkdÄ betont jedoch, dass diese „[EudraVigilance-]Meldungen keine bestätigten Nebenwirkungen und kein Beweis dafür [sind], dass eine Reaktion tatsächlich aufgrund des Arzneimittels aufgetreten ist“. Es sei unklar, ob in allen Fällen „ein zumindest theoretisch möglicher (zeitlicher) Zusammenhang mit einem Statin bestand und inwiefern andere, gleichzeitig eingenommene Arzneimittel als Ursache infrage kommen könnten“, erklärt die Ärzteschaft.

Zusammenhang von Halluzinationen und Atorvastatineinnahme „wahrscheinlich“

Trotzdem hält die AdkÄ einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Atorvastatineinnahme und den Halluzinationen für „wahrscheinlich“, da die Halluzinationen jeweils nach abendlicher Anwendung auftraten und nach Absetzen des Statins schließlich verschwanden.  

Wichtig ist zudem, dass die Patientin im obigen Fall wenige Tage zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte, weswegen sie auch Atorvastatin vorbeugend gegen weitere Schlaganfälle (Sekundärprophylaxe) verordnet bekam. Eine akute ZNS-Erkrankung sei jedoch ein Risikofaktor für unerwünschte ZNS-Wirkungen von Arzneimitteln, erklärt die Ärzteschaft hierzu. Der Schlaganfall könnte damit die Wahrnehmungsstörung unter Atorvastatin begünstigt haben. 

Statine häufig nach Schlaganfällen verordnet

Den Zusammenhang von Schlaganfall, Atorvastatin und Halluzinationen hält die AkdÄ insofern für berichtenswert und wichtig, da Statine häufig nach Schlaganfällen zur Verhinderung weiterer eingesetzt werden. Die „geschilderte Konstellation“ sei damit „häufig und relevant“.

Somit schlussfolgert die Ärzteschaft: „Halluzinationen kommen unter Atorvastatin als Nebenwirkung vor und sollten daher in die Fachinformation aufgenommen werden.“  Quelle: „Arzneiverordnung in der Praxis Jahrgang 49 – Ausgabe 4. Dezember 2022“