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Nebenwirkungen von Metami­zol: Neue Sicherheitshinweise

Packung Novaminsulfon Tabletten, davor liegt ein Blister
Metamizol weist einige bedenkliche Nebenwirkungen auf. | Bild: Birgit Reitz-Hofmann / AdobeStock

Bereits im Jahr 2009 hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei steigenden Verordnungszahlen auf die Risiken von Metamizol (Novaminsulfon) hingewiesen. Seit 2019 sei zudem bekannt, dass Metamizol selten zu einem lebensbedrohlichen arzneimittelbedingten Leberschaden führen kann, heißt es im Bulletin. 

Doch das hat den Verordnungszahlen in den letzten Jahren offenbar keinen Einhalt geboten. Tatsächlich soll sich „die Zahl der im ambulanten Bereich zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen verordneten Tagesdosen in zehn Jahren von circa 123 Millionen im Jahr 2010 auf 259 Millionen im Jahr 2020 mehr als verdoppelt“ haben. Für den stationären Bereich soll es keine konkreten Zahlen geben, doch auch dort werde Metamizol häufig verordnet. 

Risiko einer Agranulozytose unter Metamizol-Einnahme

Problematisch sind die steigenden Verordnungszahlen vor allem, weil mit der Zahl der Verordnungen auch die Zahl der Meldungen von Agranulozytosefällen gestiegen sein soll. 

Der Sicherheitsausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat in seiner Sitzung im September neue Maßnahmen empfohlen, um die schwerwiegenden Folgen einer Agranulozytose unter Metamizol zu minimieren.

Zur Erinnerung: Was versteht man unter Agranulozytose?

Bei der Agranulozytose handelt es sich um ein Krankheitsbild, bei dem die Zahl der Granulozyten (spezielle Immunzellen, zählen zur Gruppe der Leukozyten) stark verringert ist. Typische Symptome sind 

  • Fieber, 
  • Schüttelfrost, 
  • Halsschmerzen, 
  • Schluckbeschwerden sowie 
  • Entzündung im Mund-, Nasen-, Rachen- und Genital- oder Analbereich. 

Bei Hinweisen auf eine Agranulozytose muss die Anwendung von Metamizol sofort abgebrochen und das Blutbild kontrolliert werden. Zudem sollte Metamizol nur in den zugelassenen Indikationen eingesetzt werden.

Metamizol-induzierte Agranulozytose ist nicht dosisabhängig und kann während oder kurz nach der Behandlung auftreten, auch bei Patienten, die den Wirkstoff zuvor ohne Komplikationen angewendet haben. 

Besonders sollte man im Blick behalten, dass bei Metamizol-Einnahme gegen Fieber einige frühe Symptome einer Agranulozytose unbemerkt bleiben können. Eine gleichzeitige Einnahme von Antibiotika kann die Symptome überdecken.

Wenn Patienten Symptome entwickeln, muss sofort ein Test zur Messung der Blutzellkonzentration, einschließlich der Konzentration der verschiedenen Arten von Leukozyten, durchgeführt werden. Bis die Ergebnisse vorliegen, muss die Behandlung mit Metamizol unterbrochen werden.

Kein Metamizol bei Erkrankungen des blutbildenden Systems

Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für eine Agranulozytose soll Metamizol nicht angewendet werden. Dazu gehören Personen, bei denen zuvor eine Agranulozytose durch Metamizol oder ähnliche Arzneimittel (u. a. Pyrazolone oder Pyrazolidine) bereits aufgetreten ist. 

Ebenso sollten Patienten mit einer gestörten Knochenmarkfunktion oder Erkrankungen des blutbildenden Systems kein Metamizol einnehmen.

Metamizol nicht bei Kopf- oder Rückenschmerzen indiziert

Metamizol werde weiterhin auch bei Indikationen eingesetzt, für die der Wirkstoff nicht zugelassen ist. „Bei Kopf-, Zahn- oder Rückenschmerzen ist Metamizol nicht indiziert!“, hieß es bereits in der DAZ 2/2018. Die Anwendungsgebiete von Novalgin® lauten nach Fachinformation für Kinder und Erwachsene:

  • Akute starke Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen,
  • Koliken,
  • Tumorschmerzen,
  • sonstige akute oder chronische starke Schmerzen, soweit andere therapeutische Maßnahmen nicht indiziert sind,
  • hohes Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht.

Risiko für Leberschäden unter Metamizol höher als unter Paracetamol

Was die 2020 bekannt gewordenen Leberschäden unter Metamizol angeht, heißt es im Bulletin zur Einordnung, dass eine veröffentlichte Kohortenstudie das Risiko für einen Leberschaden bei Anwendung von Metamizol mit dem von Paracetamol verglichen hat. Grundlage war eine Datenbank mit deutschen Patientendaten. Dabei soll sich unter Metamizol ein höheres Risiko als unter Paracetamol gezeigt haben. Wird Paracetamol wie empfohlen angewendet, ist das Risiko für einen Leberschaden gering.

Wie die Agranulozytose soll auch ein Leberschaden durch Metamizol eher selten auftreten. Doch auch hier gilt, dass dieser frühzeitig erkannt und Metamizol sofort abgesetzt werden muss. Es wird ein immun-allergischer Mechanismus vermutet.

Metamizol als Ersatz für Kinder-Fiebersaft nur bedingt geeignet

Angesichts der Lieferengpässe bei Fiebersäften für Kinder ist es also keine gute Idee, auf Metamizol auszuweichen. „Zur Fiebersenkung darf es nur dann in Betracht gezogen werden, wenn andere Antipyretika keine ausreichende Wirksamkeit gezeigt haben“, heißt es im Bulletin.  

Eine parenterale Anwendung von Metamizol sollte langsam und nur bei kreislaufstabilen Patienten zum Einsatz kommen. Eine weitere bekannte, schwerwiegende Nebenwirkung von Metamizol ist nämlich eine hypotensive Reaktion – insbesondere bei parenteraler Gabe. Diese soll laut Bulletin somit nur erfolgen, wenn eine orale oder rektale Applikation nicht möglich ist. 

Produktinformationen von Metamizol werden aktualisiert

Die Überprüfung von Metamizol wurde auf Anfrage der finnischen Arzneimittelbehörde eingeleitet, da vermehrt Fälle gemeldet wurden, obwohl die Sicherheitsmaßnahmen verschärft wurden. 

Im Juni hatte sich der einzige Zulassungsinhaber in Finnland dazu entschieden, Metamizol aus Sicherheitsgründen aus dem Verkehr zu ziehen. In Österreich, Belgien, Bulgarien, Kroatien, der Tschechischen Republik, Deutschland, Ungarn, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Spanien ist Metamizol zugelassen.

Insgesamt kommt der PRAC zu dem Ergebnis, dass der Nutzen von Metamizol-Arzneimitteln weiterhin die Risiken überwiegt. Die Produktinformationen für alle Metamizol-haltigen Arzneimittel sollen mit den Empfehlungen aktualisiert werden, welche von der Koordinierungsgruppe für gegenseitige Anerkennung und dezentralisierte Verfahren – Humanmedizin bei ihrer nächsten Sitzung im September geprüft werden.