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Studie: Jugendliche rauchen wieder mehr als früher

Jugendlicher hält Zigarette in der Hand
Immer mehr Jugendliche rauchen. Woran liegt das? | Bild: Africa Studio / AdobeStock

In Deutschland ist die Zahl der Rauchenden wieder deutlich gestiegen – auch unter den Jugendlichen. Das geht aus neuen Zahlen der regelmäßig durchgeführten Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (Debra) hervor. 

Demnach sei der Anteil der Rauchenden bei den 14- bis 17-Jährigen im Jahr 2022 auf mehr als 15 Prozent gestiegen. Der Schnitt der sechs Vorjahre hatte gut zehn Prozent betragen. Zuvor hatte „Spiegel Online“ darüber berichtet.  

In dieser Altersgruppe seien statistische Abweichungen möglich, sagte Debra-Leiter Daniel Kotz. Da man aber seit Jahren nach der gleichen Methode befrage, könne man Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr gut abbilden. 

Gut zu wissen: Wie läuft die Debra ab?

Für Debra wird alle zwei Monate eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung ab 14 Jahren zu ihrem Tabakkonsum befragt. 2022 gab es insgesamt 12.484 Befragte, 2021 waren es 12.098. 

In der Gruppe der 14- bis 17-Jährigen wurden im Jahr 2022 434 Personen befragt, 2021 waren es 415 Befragte. In der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen wurden 2022 1.246 Personen befragt, 2021 waren es 1.240. 

Rauchen wird definiert als der tägliche oder nicht tägliche Konsum von Zigaretten oder Tabak in anderer Form.

2022 gaben 15,9 Prozent der befragten 14- bis 17-Jährigen an, täglich oder nicht täglich Zigaretten oder Tabak in anderer Form zu konsumieren. 2021 waren es noch 8,7 Prozent gewesen. Bei den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren stieg der Anteil von 36,1 auf 40,8 Prozent an.

Stress begünstigt Tabakkonsum

Dass wieder mehr junge Leute Tabak rauchen, ist laut der Interpretation von Debra-Leiter Kotz möglicherweise auch dem Zeitgeist während der Corona- und Energie-Krise sowie dem Krieg in der Ukraine geschuldet. 

Stress angesichts finanzieller Sorgen oder der Erfahrungen der Corona-Zeit könnte demnach begünstigen, dass mit dem Rauchen angefangen werde. Zudem stieg der Anteil der Rauchenden laut der Befragung in allen Altersgruppen an. Wenn Erwachsene verstärkt rauchten, zeige sich das zeitverzögert bei Jugendlichen, sagte Kotz. 

E-Zigaretten auf dem Vormarsch

Auch der Konsum von E-Zigaretten und ähnlichen Produkten stieg der Studie zufolge bei jungen Leuten deutlich an. Der Anteil stieg bei den 14- bis 17-Jährigen von 0,5 Prozent (2021) auf 2,5 Prozent (2022), bei den 18- bis 24-Jährigen von 2,4 auf 4,0 Prozent. Besonders deutlich war der Anstieg bei Einweg-E-Zigaretten. 

Kotz sagte, die Tabakindustrie habe mit diesen Produkten eindeutig junge Leute im Fokus. Sie machten angesichts des hohen Nikotingehalts sehr schnell abhängig. Der Weg zu einem Tabakprodukt sei dann kurz.

Experten bemängeln unzureichende Prävention

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte „Spiegel Online“, die Studienergebnisse seien ein sehr großer Grund zur Sorge. Die Daten müssten jetzt genau analysiert werden. Dann müsse man sich Maßnahmen für einen besseren Jugendschutz überlegen.

Kotz, der an der Uni-Klinik Düsseldorf am Centre for Health and Society den Sucht-Forschungsschwerpunkt leitet, kritisierte, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Tabakkontrollmaßnahmen würden von der Politik bislang nur unzureichend umgesetzt. 

Tabaksteuer in Deutschland vergleichsweise niedrig

Besonders wichtig seien Tabaksteuererhöhungen, um Rauchen so teuer zu machen, dass Jugendliche gar nicht mehr auf die Idee kämen. Auch andere Experten halten die Tabaksteuer in Deutschland für zu gering. 

Die WHO nannte Deutschland gar eines der „Sorgenkinder“ weltweit. Erst 2022 war – erstmals seit sieben Jahren – wieder eine stufenweise Tabaksteuererhöhung in Kraft getreten. Im selben Jahr sank die Menge der versteuerten Zigaretten laut Statistischem Bundesamt um 8,3 Prozent auf 65,8 Milliarden Stück. 

Ein Grund dürfte den Statistikern zufolge die Tabaksteuererhöhung sein, doch viele Gesundheitsexperten halten das nicht für ausreichend und verweisen auf Australien: Dort kostete 2022 eine Packung Zigaretten im Schnitt mehr als 27 Euro, in Deutschland waren es rund sieben. „Wir wissen, dass hohe Preise weniger Raucher bedeuten“, so Rüdiger Krech, WHO-Direktor für Gesundheitsförderung.

Tabak weiterhin problemlos erhältlich

Außerdem können Tabakprodukte hierzulande noch immer problemlos gekauft werden, in Supermärkten, aber auch an Kiosken oder in Tankstellen. Viele andere Länder sind da schon weiter oder haben zumindest konkrete Pläne, wann ein Verbot umgesetzt werden soll. 

So dürfen etwa ab kommenden Jahr niederländische Supermärkte generell keine Zigaretten und anderen Tabak mehr verkaufen. Anlässlich des Weltnichtrauchertags am 31. Mai nimmt die Diskussion Fahrt auf.

Auch in Deutschland müssten die Produkte aus dem Sichtfeld verschwinden und nur mehr auf explizite Nachfrage zu bekommen sein, sagte Kotz. Außerdem sollten „tabakfreie Lebenswelten“ geschaffen werden. Bei Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen oder Sportstätten müsste das ganze Gelände rauchfrei sein.

Viele Ausnahmeregelungen beim Rauchverbot

Tatsächlich wird sogar das Rauchverbot in Kneipen und Gaststätten unterschiedlich ausgelegt. Nur in Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Saarland gilt ein absolutes Rauchverbot. 

In anderen Bundesländern gibt es Ausnahmeregelungen: Hier darf in abgetrennten Räumen gequalmt werden, dort ist in kleinen Kneipen, die kein Essen servieren, das Rauchen erlaubt. Wer steigt da noch durch? Die Nichtraucher-Initiative Deutschland beklagt einen „Flickenteppich an Regelungen“. Ein bundesweites striktes Rauchverbot wäre ihr zufolge nötig. 

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) warnt zudem davor, dass der Rauch bei halbherzigen Lösungen auch in angrenzende Räume ziehen könnte – und so auch Nichtraucher gefährdet seien.

Keine Werbung mehr für Tabakprodukte?

Lauterbach räumte gegenüber „Spiegel Online“ ein, dass Deutschland bei der Tabakprävention deutlich hinter den skandinavischen Ländern, Großbritannien oder den Niederlanden zurückliege. „Wir haben keine Einheitsverpackungen, an Verkaufsorten sind Zigarettenschachteln und Werbung noch überall zu sehen und im Kino ist Tabakwerbung noch immer erlaubt. Umso mehr müssen wir auf den Jugendschutz achten“, sagte er.

Auch der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, spricht sich für weitere Werbeeinschränkungen aus. „Die kostenlose Abgabe von Erhitzern, E-Zigaretten und Vapes sollte ebenso der Vergangenheit angehören wie Werbung auf Plakaten und Sponsoring durch die Nikotinwirtschaft.“

Kampf gegen das Rauchen begann in den 1970er-Jahren

Der lange Kampf gegen das Rauchen reicht in Deutschland bis in die 70er und 80er Jahre zurück, als die Zigarette allmählich nicht mehr so sehr als Genussmittel, sondern zunehmend als Gesundheitsgefahr gesehen wurde. Folge war unter anderem, dass gefährliche Inhaltsstoffe – vor allem Teer, aber auch Nikotin und Kondensat – schrittweise verringert wurden.

Damals begannen Werbeverbote beziehungsweise Werbeeinschränkungen – zunächst freiwillige – für das Fernsehen, den Hörfunk und schließlich auch für das Kino und in den Zeitungen und Zeitschriften. Es gab eine Kinder- und Jugendschutzklausel, die auch dafür sorgte, dass Zigarettenautomaten an der Straßenecke mehr und mehr verschwanden. Tabakwaren waren schließlich noch in Einkaufsläden und Supermärkten an den überwachten Kassen zugänglich oder in Kiosken und Tankstellen.

Rauchverbote in Flugzeugen gibt es seit Ende der 90er Jahre. Einen tiefen Einschnitt für die Tabakbranche brachte das Nichtraucherschutzgesetz von 2007, das Basis für das Rauchverbot am Arbeitsplatz, in öffentlichen Einrichtungen, Zügen der Deutschen Bahn und in Restaurants war.

Seit 2016 nehmen Warnhinweise plus Schockfotos zwei Drittel der Zigarettenverpackungen ein. Es folgten Werbeverbote für Tabak und nikotinhaltige elektronische Zigaretten in Printmedien. Ebenfalls verboten ist Werbung etwa im Internet, Hörfunk und Fernsehen. Quelle: dpa / mia