Hormonelle Kontrazeptiva: Rückenschmerzen durch die Pille?
Im Jahr 2020 feierte die „Antibabypille“ ihren 60. Geburtstag, sie zählt weltweit noch immer zu den am meisten verwendeten Verhütungsmitteln. In Deutschland nehmen rund ein Drittel der jungen Frauen und Mädchen zur Verhütung orale Kontrazeptiva ein. Wegen ihrer hohen Zuverlässigkeit zählt diese Methode nach wie vor zur wichtigsten Möglichkeit der Geburtenkontrolle.
Wie wirken die Antibabypillen?
Alle hormonellen Kontrazeptiva enthalten als Wirkstoff ein Gestagen, bei den Minipillen ist dies sogar der einzige Wirkstoff. Die anderen Präparate enthalten zusätzlich noch ein Estrogen, in der Regel das oral bioverfügbare Ethinylestradiol. Die Wirkung zur Empfängnisverhütung beruht dabei im Wesentlichen auf drei Wirkmechanismen:
- Hemmung der Ovulation durch Unterdrückung der Bildung von luteinisierendem Hormon (LH) und follikelstimulierendem Hormon (FSH) aus der Hypophyse,
- Verhinderung der Einnistung des Eis,
- Viskositätserhöhung des Zervixschleims und dadurch Hemmung des Spermientransports.
Bei den kombinierten oralen Kontrazeptiva aus Estrogenen und Gestagenen wirken alle drei Mechanismen und sorgen für eine hohe kontrazeptive Sicherheit. Bei den Gestagen-Monopräparaten wird dagegen die Ovulation nicht gehemmt und ihre kontrazeptive Wirkung beruht vorwiegend auf der Viskositätserhöhung des Zervixschleims. Die Minipillen gelten daher als weniger zuverlässig.
Welche Nebenwirkungen hat die Pille?
Bekanntermaßen können durch orale Kontrazeptiva zahlreiche unerwünschte Wirkungen ausgelöst werden, die auch bei bestimmungsgemäßer Anwendung auftreten können. Zu den häufigsten Beschwerden gehören Übelkeit und Erbrechen, Gewichtszunahme, Kopfschmerzen und Müdigkeit.
Aber auch Schmerzen im unteren Rücken können durchaus auf die Einnahme der Pille zurückzuführen sein, denn unter hormonellem Einfluss kann es unter anderem zu einer Auflockerung des Iliosakralgelenks und der Bandscheiben kommen.
Das Iliosakralgelenk verbindet das Kreuzbein der Wirbelsäule mit dem Becken, lockern sich die Bänder dieses Gelenks auf, nimmt die Stabilität ab und es kommt leichter zu einer Verschiebung und Blockade des Gelenks mit nachfolgenden Muskelverspannungen.
Rückenschmerzen unter hormonellem Einfluss treten meist im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins auf, sie unterscheiden sich von orthopädisch ausgelösten Beschwerden in einigen Merkmalen.
Sie treten meist zusammen mit anderen Symptomen wie Schmerzen im Unterleib auf, sind häufig von Muskelverspannungen begleitet und zeigen keine Veränderung bei körperlicher Belastung oder Bewegung.
Was hilft bei Rückenschmerzen durch die Pille?
Bei Rückenschmerzen ausgelöst durch Muskelverspannungen ist in vielen Fällen Wärme hilfreich, diese kann durch Auflegen einer Wärmeflasche oder ein Wärmepflaster zugeführt werden. Durch die Wärmebehandlung kommt es zu einer langanhaltenden Muskelentspannung und dadurch meist zu einer spürbaren Linderung der Schmerzen.
Auch die Anwendung von Entspannungstechniken wie Yoga oder autogenes Training können helfen, die verkrampfte Muskulatur wieder aufzulockern. Weiterhin ist körperliche Aktivität wichtig, von Bettruhe soll den Patientinnen abgeraten werden.
Jede Art von Bewegung ist bei Rückenschmerzen hilfreich, denn körperliche Schonung führt relativ schnell zum Abbau von Muskulatur, was wiederum die Rückenschmerzen verstärken kann.
Massage und Akupunktur sollten nur in Verbindung mit Bewegung eingesetzt werden, denn diese Verfahren fördern eher passives Verhalten. Auch kann ein spezielles Training zur Kräftigung der Rückenmuskulatur sinnvoll sein.
Stärkere oder länger andauernde Rückenschmerzen müssen aber in jedem Fall von einem Arzt abgeklärt werden, denn bei der Einnahme hormoneller Kontrazeptiva können Rückenschmerzen auch auf eine äußerst gefährliche Erkrankung hinweisen.
Rückenschmerzen können auch auf Lungenembolie hindeuten
Bei der Anwendung von hormonalen Verhütungsmitteln kann es in seltenen Fällen auch zu venösen Thromboembolien kommen. Dabei bildet sich in einer tiefen Vene, überwiegend in den Beinvenen, ein Blutgerinnsel.
Löst sich dieses Gerinnsel und wandert zur Lunge, kann es zu einer potenziell lebensbedrohlichen Lungenembolie kommen. Bei einer Lungenembolie treten typischerweise Schmerzen an der Brust auf, diese können aber auch in andere Körperregionen wie den Rücken ausstrahlen.
Starke Rückenschmerzen in Verbindung mit Atemnot und Schmerzen beim Einatmen können daher auf eine Lungenembolie hinweisen, die Symptome sind häufig vielfältig und manchmal nicht unbedingt eindeutig.
Erhöhtes Risiko bei Desogestrel und Drospirenon
Das Risiko, eine venöse Thromboembolie zu entwickeln, ist nicht bei allen hormonellen Kontrazeptiva gleich. Gestagen-Monopräparate erhöhen das Risiko nicht signifikant, bei den kombinierten oralen Kontrazeptiva mit niedrigem Estrogengehalt wird das Risiko wesentlich durch das eingesetzte Gestagen bestimmt.
Das niedrigste Risiko geht dabei von Kombinationspräparaten mit Levonorgestrel oder Norethisteron aus, 5 bis 7 von 10.000 Frauen erleiden innerhalb eines Jahres eine venöse Thromboembolie.
Bei der Verwendung des Gestagens Etonogestrel steigt das Risiko auf 6 bis 12 Fälle, ein noch höheres Risiko besteht beispielsweise für Drospirenon und Desogestrel (9 bis 12 Fälle). Für orale Kontrazeptiva mit Chlormadinon können die Daten momentan noch nicht abschließend bewertet werden.
Zum Vergleich: Bei Frauen im gebärfähigen Alter, die kein hormonelles Kontrazeptivum einnehmen, treten etwa zwei Fälle innerhalb eines Jahres bei 10.000 Frauen auf.
Allerdings sind gerade die Gestagene mit hohem Risiko für eine venöse Thromboembolie bei jungen Frauen beliebt. Denn die Wirkstoffe haben neben den gestagenen auch noch antiandrogene oder antimineralocorticoide Eigenschaften, dadurch soll es zu einem verbesserten Hautbild kommen und eine unerwünschte Gewichtszunahme und Ödembildung verhindert werden.
Vor Pillen-Verordnung Risikoanamnese wichtig
Erfreulicherweise ist der Trend zur Verordnung der Gestagene mit höherem Risiko in Deutschland leicht rückläufig. Laut Leitlinie sollte der Arzt vor der Verordnung eines hormonellen Kontrazeptivums eine ausführliche Bewertung durchführen, dabei geht es zunächst um allgemeine Risikofaktoren wie das Alter der Frau (über 35 Jahre), den Body-Mass-Index (über 35 kg/m2) und den Raucherstatus.
Auch spezielle Risikofaktoren wie eine momentane oder abzusehende Immobilität, beispielsweise eine Operation, sowie das Auftreten von venösen Thromboembolien bei Verwandten ersten Grades vor dem 45. Lebensjahr fließen in die Bewertung ein.
Wenn junge Frauen das erste Mal ein orales Kontrazeptivum einnehmen möchten, sollten Ärzte über die Risiken aufklären und möglichst ein Kombinationspräparat mit niedrigem Risiko verordnen. Quellen:
https://www.frauenaerzte-im-netz.de/erkrankungen/rueckenschmerzen/
https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Themendossiers/Kombinierte-hormonale-Kontrazeptiva/KOK.html
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/die-pille-wird-60-115929/seite/9/