Aktuelles
5 min merken gemerkt Artikel drucken

Hypo- und Hyperthyreose in der Schwangerschaft: Schilddrüsenstörung: Jod auch bei Schwangeren?

Je nachdem, welche Schilddrüsenstörung vorliegt, muss eine Schwangere ihre Jodidzufuhr anpassen. | Bild: Татьяна Немировская / AdobeStock

Die Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) steuern die Stoffwechselaktivität vieler Zellen. Daher haben sie eine regulierende Wirkung auf zahlreiche Körperfunktionen und -prozesse, wie Herzschlag, Blutdruck, Verdauung sowie Energie-, Muskel- und Bindegewebsstoffwechsel. Sie sind zudem wichtig für das Wachstum und die neuronale Entwicklung von Ungeborenen, weshalb die mütterliche Schilddrüsenhormonproduktion schon in den ersten Schwangerschaftswochen um etwa 50 Prozent ansteigt. 

Jodbedarf und Ausscheidung nehmen in der Schwangerschaft zu

Damit steigt auch der Jodbedarf von Schwangeren, denn beide Schilddrüsenhormone (T3 und T4) enthalten Jod. Ohne zureichende Jodidzufuhr während der Schwangerschaft kann die Schilddrüse nicht genügend T3 und T4 produzieren, wodurch Risiken für neuronale Schäden des Kindes entstehen.

Zusätzlich zur vermehrten mütterlichen Schilddrüsenhormonproduktion erhöht sich während der Schwangerschaft auch die Jodausscheidung über den Urin. Der Jodbedarf von Schwangeren steigt dadurch von 200 µg auf 230–260 µg Jod pro Tag an. 

Zur Erinnerung: Jod und Jodid

Jod (im chemischen Kontext auch Iod geschrieben) liegt im elementaren Zustand als I2-Molekül vor. Bei Zimmertemperatur ist Jod ein grau bis blauvioletter Feststoff, der jedoch verdampft (sublimiert). Die Dämpfe sind haut- und schleimhautreizend.

Elementares Jod wird z. B. zur Desinfektion von Wunden eingesetzt, da es sowohl bakterizid als auch fungizid wirkt. Über die Nahrung bzw. entsprechende Präparate wird Jod meist als Jodid-Ionen (I-) in Form von Salzen (z. B. Kaliumjodid) aufgenommen. 

Ergänzung über Supplemente empfohlen

Neben einer jodreichen Ernährung, welche jodiertes Salz, Milchprodukte und Seefisch beinhaltet, wird den angehenden Müttern in Deutschland empfohlen, vor und während der Schwangerschaft sowie in der Stillzeit täglich 100–150 µg Jod zusätzlich über Supplemente einzunehmen. 

Auf Algen- oder Tangpräparate sollte jedoch verzichtet werden, da deren Jodgehalt oft schwankt. Außerdem sollte eine Mehrfachsupplementierung durch Kombinationspräparate vermieden werden. In vielen Schwangerschaftssupplementen ist Jod (meist 150 µg) zum Beispiel in Kombination mit Folsäure enthalten. Eine zusätzliche Jodsupplementierung ist also nicht nötig.  

Jodbedarf bei Schwangeren mit Hypothyreose oder Hyperthyreose

Für Frauen, die an einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) leiden und diese mit einer Hormonsubstitution behandeln, gelten in Schwangerschaft und Stillzeit die gleichen Empfehlungen, nämlich 100–150 µg Jod über Supplemente einzunehmen. Sowohl das Jod aus der Ernährung als auch das Jod aus den synthetischen Schilddrüsenhormonen stehen dem Ungeborenen in ausreichender Menge zur Verfügung. 

Bei einer bestehenden Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) während der Schwangerschaft muss jedoch unbedingt vor einer Jodsupplementierung Rücksprache mit dem behandelnden Arzt gehalten werden.

Zur Erinnerung: Hypothyreose vs. Hyperthyreose?

Eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) führt zu absinkenden T3- und T4-Spiegeln im Blut. Stehen zu wenige Schilddrüsenhormone zur Verfügung, fehlt dem Körper der Antrieb. Viele Betroffene fühlen sich müde, schlapp und teilweise depressiv. Auch Kopfschmerzen, Verstopfung und Gewichtszunahme können auftreten. 

Die Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) ist hingegen durch eine Überproduktion an Schilddrüsenhormonen gekennzeichnet. Sie kann sich z. B. in Nervosität, innerer Unruhe, Durchfall und Herzrhythmusstörungen äußern. 

Die häufigsten Ursachen für eine ausgeprägte Störung an der Schilddrüse sind die beiden Autoimmunkrankheiten Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow, bei denen der Körper Antikörper gegen die eigene Schilddrüse produziert und somit eine chronische Schilddrüsenentzündung auslöst.
Auch ein Jodmangel kann zu einer Störung der Schilddrüsenfunktion führen. 

Schilddrüsenstörung auch im Wochenbett möglich

Störungen an der Schilddrüse können auch völlig gesunde, frisch gewordene Mütter nach der Geburt ereilen. Eine sogenannte Wochenbett-Schilddrüsenentzündung (Postpartum-Thyreoiditis) entsteht in den meisten Fällen aufgrund der hormonellen Umstellung in den ersten Wochen nach Entbindung. Sie verläuft jedoch für gewöhnlich recht mild und unbemerkt und verschwindet in der Regel ohne Langzeitfolgen von selbst. 

Zu den Symptomen gehören unter anderem Erschöpfung und Stimmungsschwankungen, welche bis zu sechs Monate nach der Geburt bestehen können. In seltenen Fällen manifestiert sich daraus eine länger anhaltende Schilddrüsenunterfunktion.

Die Schilddrüse kann Einfluss auf den Kinderwunsch haben

Schilddrüsenhormone wirken sowohl auf die Eizellreifung und den Eisprung als auch auf die Verschmelzung der reifen Eizelle mit dem Spermium bei der Befruchtung. Schon eine leichte Störung der Schilddrüse kann somit die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen. Wenn die Erfüllung des Kinderwunsches ausbleibt, sollte folglich auch immer die Schilddrüse überprüft werden.

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion infolge einer Hashimoto-Thyreoiditis werden medikamentös Schilddrüsenhormone verabreicht. Über eine adäquate Hormonsubstitution können somit auch Frauen mit einer Hypothyreose schwanger werden. Die Hormonsubstitutionstherapie wird im Laufe der Schwangerschaft und nach Geburt je nach Bedarf regelmäßig überwacht und in der Dosis angepasst. 

Eine milde (latente) Hypothyreose wird i. d. R. während der Schwangerschaft nicht behandelt. Bei einigen Schwangeren bessern sich die Symptome im 2. und 3. Trimenon sogar, denn bestimmte Teile des Immunsystems sind bei fortschreitender Schwangerschaft weniger aktiv, was die Autoimmunreaktion an der Schilddrüse abschwächt.

Vorsicht: Schädliche Nebenwirkungen der Thyreostatika

Eine Schilddrüsenüberfunktion wird standardmäßig mit Thyreostatika behandelt, um die Hormonproduktion zu drosseln. Thyreostatika haben allerdings zum Teil sehr schädliche Nebenwirkungen für Mutter und Kind. Andere Behandlungsmethoden, wie die Radioiodtherapie oder eine Operation, sollten bei einer manifesten Hyperthyreose deshalb schon vor der Schwangerschaft mit dem Arzt in Erwägung gezogen werden. Quellen:

Lee, S.Y., Pearce, E.N. Assessment and treatment of thyroid disorders in pregnancy and the postpartum period. Nat Rev Endocrinol 18, 158–171 (2022)

Deutsches Schilddrüsenzentrum: www.deutsches-schilddruesenzentrum.de

Bundesinstitut für Risikobewertung, Ratschläge für die ärztliche Praxis: Jod, Folat/Folsäure und Schwangerschaft