Tigermücke, Hyalomma-Zecke und Co.: Klimawandel trägt zur Verbreitung von Krankheiten bei
Die zunehmende Erderwärmung führt dazu, dass sich immer mehr Mückenarten, die eigentlich in südlicheren Gegenden beheimatet sind, auch in Deutschland ausbreiten. In Südeuropa ist zum Beispiel die Asiatische Tigermücke schon länger heimisch, seit einiger Zeit breitet sie sich auch in Deutschland aus. In Mittelitalien lege die Aedes albopictus gelegentlich sogar noch im Winter Eier ab, berichtet nun ein Forscherteam im Fachmagazin „Royal Society Open Science“.
Im Zuge des Klimawandels drohen die Tiere demnach in mehreren Regionen Südeuropas ganzjährig zu brüten – was das Potenzial der Ausbreitung von Krankheiten immens vergrößern würde. Auch in einigen Gegenden Süddeutschlands seien die Bedingungen für eine gelegentliche Eiablage im Winter in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich zunehmend häufig gegeben, so das Forscherteam.
Die Fähigkeit, sich das ganze Jahr über fortpflanzen zu können, sei eine Grundvoraussetzung dafür, dass eine von der Mücke übertragene Krankheit in gemäßigten Gebieten endemisch – also dauerhaft auftretend – werden kann.
Ausbreitung von tropischen und subtropischen Mücken
In Deutschland fühlen sich Mückenarten aus tropischen und subtropischen Gebieten immer wohler. Experten des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) und des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) erfassen das Auftreten solcher Neuankömmlinge. „Wir haben seit 2007 fünf neue Stechmücken-Arten nachgewiesen, die sich in Deutschland angesiedelt haben“, sagt Helge Kampen vom Institut für Infektionsmedizin des FLI.
Neben zwei Arten, die nicht als Überträger von Erregern gelten, seien das die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) sowie die Japanische und die Koreanische Buschmücke (Aedes japonicus und Aedes koreicus). „Die Japanische Buschmücke hat sich seit 2008 ganz massiv ausgebreitet. Sie kommt mittlerweile in fast ganz Süddeutschland weit verbreitet vor und dringt weiter nach Norden.“
Buschmücken können Krankheitserreger übertragen, wie Laboruntersuchungen zeigen. Die Asiatische Tigermücke hingegen sei ein effizienter Überträger vieler Viren – in Deutschland gebe es aber bisher noch keinen bekannten Fall.
Übertragung von Zika-, Dengue- und Chikungunya-Virus
Die Asiatische Tigermücke wurde in den 1970er-Jahren nach Europa eingeschleppt und ist inzwischen in mehr als 20 Ländern des Kontinents vertreten, wie es in der Studie heißt. Sie kann Dutzende Viren übertragen, darunter potenziell tödliche Erreger wie Dengue-, Chikungunya- und Zika-Virus. „Das sind drei Viren, die bereits zu humanen Infektionen in Europa, auch in unseren Nachbarländern, geführt haben“, sagt Schmidt-Chanasit. Aus Südfrankreich zum Beispiel wurden bereits mehrfach Zika-Infektionen durch dort heimische Tigermücken gemeldet. Nachgewiesene Dengue-Infektionen gab es etwa auf Madeira sowie in Kroatien und Frankreich. Auch Chikungunya-Ausbrüche gab es im Mittelmeerraum bereits.
Anders als heimische Mücken nutzen die Tiere häufig kleine Wasserreservoirs etwa in Untersetzern von Blumentöpfen und sind vor allem im urbanen Umfeld wie großen Städten verbreitet. Hierzulande existieren vor allem im süddeutschen Raum bereits mehrere Populationen. Zudem wurden auch in diesem Jahr wieder in einer Berliner Kleingartenanlage Asiatische Tigermücken nachgewiesen. Eine dauerhafte Ansiedlung sei zu befürchten, hieß es von der Senatsverwaltung für Gesundheit.
Asiatische Tigermücke brütet auch im Winter
In Italien wurde die Asiatische Tigermücke bereits in allen Regionen nachgewiesen. Um die künftige Verbreitung abzuschätzen, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Irene Del Lesto vom Istituto Zooprofilattico Sperimentale del Lazio e Toscana (IZSLT) in Grosseto die Fähigkeit der Mücken, auch im Winter zu brüten. Zudem führten sie Computersimulationen bis zum Jahr 2080 durch, um auf die Entwicklung abhängig von den prognostizierten Witterungsbedingungen zu schließen.
Das Team hängte in der mittelitalienischen Region Latium, in der auch die Hauptstadt Rom liegt, Eierfallen aus. Im Winter – jeweils Anfang Dezember bis Ende Februar – wurden von 2018 bis 2022 die insgesamt 469 Fallen alle 14 Tage auf Eier untersucht. An 38 Stellen wurden insgesamt 87 Eiablagen mit 1113 Eiern gefunden.
Die Wissenschaftler glichen die Zeiten der Eiablage mit den durchschnittlichen Minimaltemperaturen in den Wochen zuvor ab. Die Schwelle für eine sporadische Eiablage liegt demnach bei etwa vier Grad. Ganzjähriges Brüten erlaubt früheren Studien zufolge eine Minimaltemperatur von etwa zehn Grad im Januar.
Die weitere Temperaturentwicklung im Mittelmeerraum wurde mit Klimamodellen simuliert. Für den Zeitraum bis 2080 sind demnach schon bei geringer Erderwärmung Minimaltemperaturen von acht bis zehn Grad im Januar an zahlreichen Küstenabschnitten in Südeuropa – vor allem in Portugal, Spanien, Italien und Griechenland – zu erwarten.
In einigen Regionen seien auch mehr als zehn Grad möglich und die Tigermücke könne ganzjährig brüten. Bei einer stärkeren Erwärmung wäre die Minimaltemperatur von zehn Grad an den Küsten Südeuropas sogar weit verbreitet, so die Forscher.
Zecken-Fleckfieber durch Hyalomma-Zecke
Auch bei den Zecken wandern im Zuge der Erderwärmung Arten ein, die gefährliche Krankheiten übertragen können. Zecken übertragen weltweit am zweithäufigsten krankmachende Mikroben auf den Menschen – in Europa übertrumpfen sie die Mücken sogar. Zum Beispiel die ursprünglich hauptsächlich in den Trocken- und Halbtrockengebieten Afrikas, Asiens und Süd-Europas beheimatete Hyalomma-Zecke (Hyalomma rufipes).
Die bis zu zwei Zentimeter große Riesenzecke profitiert von den milderen Wintern und kann Infektionen wie Krim-Kongo-Fieber und Zecken-Fleckfieber übertragen. Analysen der Universität Hohenheim zufolge trägt fast jede zweite in Deutschland gefundene Hyalomma-Zecke den Zecken-Fleckfieber-Erreger. Bisher erfasst ist ein Verdachtsfall aus dem Jahr 2019, bei dem ein Mann aus Nordrhein-Westfalen nach dem Stich einer Hyalomma-Zecke vermutlich an Zecken-Fleckfieber erkrankte. Eine Zecke mit dem Erreger des Krim-Kongo-Fiebers, das mit potenziell tödlichen Blutungen einhergehen kann, wurde hierzulande bisher nicht gefunden.
Mehr Infektionen mit dem West-Nil-Virus erwartet
Klar ist mittlerweile: Exotische Mücken sind in Deutschland seit einigen Jahren nicht die einzigen potenziellen Überträger gefährlicher Krankheiten. Vor drei Jahren erfasste das Robert Koch-Institut (RKI) erstmals Infektionen mit dem ursprünglich aus Afrika stammenden West-Nil-Virus bei erkrankten Menschen in Deutschland, die auf eine Übertragung durch heimische Mücken zurückgingen. Im Jahr 2020 wurde erstmals ein Todesfall registriert.
Das West-Nil-Virus kann inzwischen in Stechmücken in Deutschland überwintern. Infizieren können sich Menschen zudem über Bluttransfusionen. Deshalb rechnen Experten mit zunehmenden Fallzahlen bis hin zu größeren saisonalen Erkrankungswellen. In süd- und südosteuropäischen Ländern gibt es schon seit Jahren solche Ausbrüche.
Da nur etwa ein Prozent der Infektionen zu schweren neuroinvasiven Erkrankungen führen, ist schon für die vergangenen Jahre von Hunderten wegen ihres leichten Verlaufs nicht erkannten und damit auch nicht erfassten Infektionen in Deutschland auszugehen.
Betroffen ist bisher vor allem das zentrale östliche Deutschland samt Berlin, zu Infektionen kommt es vor allem zwischen Mitte Juli und Mitte September. Eine Ausweitung des betroffenen Gebietes von Jahr zu Jahr sei insbesondere in wärmeren Sommern möglich, hieß es kürzlich im „Epidemiologischen Bulletin“ des RKI. Quelle: dpa / mia