Fruchtbarkeitstracker erkennt Corona vor Symptombeginn
Je früher eine Corona-Infektion erkannt wird, desto besser – können sich die Infizierten doch sodann absondern, stecken weniger Menschen an und helfen damit, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Krux ist nur: Als Goldstandard für den Corona-Nachweis nutzt man Antigen-Schnelltests und PCR-Tests – die funktionieren zwar in der Regel zuverlässig, das jedoch vor allem bei symptomatischen Patienten.
Doch auch schon vor Beginn der Corona-typischen Symptome, wie Husten, Atembeschwerden, Fieber, Müdigkeit, Kopf- und Muskelschmerzen sowie Magen-Darm-Beschwerden, können Infizierte SARS-CoV-2 weitergeben – völlig unwissend und unbemerkt. Praktisch wäre also ein „kontinuierlicher“ Coronatest, der bei Auffälligkeiten Alarm schlägt – und das eben auch vor Symptombeginn.
Ava misst fortlaufend Temperatur, Atem- und Herzfrequenz
Ein solches „Tool“ könnte nun gefunden sein – es geht um ein Fruchtbarkeitsarmband: Das Ava-Armband ist ein von der FDA zugelassenes und CE-zertifiziertes Fertilitätsarmband, das Frauen bei Kinderwunsch nutzen. Es misst fortlaufend die Atem- und Herzfrequenz, die Hauttemperatur am Handgelenk und die Hautdurchblutung und stellt dadurch Veränderungen in diesen Parametern fest. Zusätzlich kann das Armband auch Schlafdauer und Schlafqualität ermitteln und auswerten, was durch Armbewegungen der Tragenden geschieht.
Fruchtbarkeitstracker soll Corona noch vor Symptombeginn erkennen
Die Frage, die sich Wissenschaftler nun stellten: Verändert nicht nur der Zyklus einer Frau, sondern auch eine Corona-Infektion Herzfrequenz, Atemfrequenz, Hauttemperatur und -durchblutung, und lassen diese Veränderungen Rückschlüsse auf eine Infektion zu? Dafür untersuchten die Forscher zwischen März 2020 und April 2021 insgesamt 1.163 Studienteilnehmer (Durchschnittsalter 44,1 Jahre, 57 Prozent Frauen), die das Ava-Armband über Nacht trugen. Dabei interessierten sich die Wissenschaftler für die körperlichen Veränderungen in vier Zeiträumen: Inkubation (drei bis zehn Tage vor Symptombeginn), präsymptomatisch (zwei und weniger Tage vor Symptombeginn), symptomatisch und Erholung.
In dieser COVI-GAPP-Studie steckte sich in dieser Zeit etwa jeder Zehnte (127 Probanden) mit SARS-CoV-2 an. Von diesen infizierten Studienteilnehmern hatten 66 ihr Armband ausreichend regelmäßig getragen (mindestens 29 Tage). Ihre Infektion wurde mittels PCR-Test, einem PCR-plus-Antikörpertest (48 Teilnehmer) oder nur durch einen Antikörpertest (18 Teilnehmer) nachgewiesen. Zehn Patienten kamen aufgrund von Atembeschwerden und Fieber ins Krankenhaus.
Ihre Arbeit veröffentlichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „BMJ“ („Investigation of the use of a sensor bracelet for the presymptomatic detection of changes in physiological parameters related to COVID-19: an interim analysis of a prospective cohort study (COVI-GAPP“) .
Was verändert sich im Körper bei COVID-19-Infizierten?
Das Fruchtbarkeitsarmband trackte Veränderungen bei Atemfrequenz, Herzfrequenz, Variabilität der Herzfrequenz, Temperatur und Durchblutung in allen Phasen der Infektion – Inkubation, präsymptomatisch, symptomatisch, Erholung:
In der symptomatischen Phase erhöhte sich die Atemfrequenz um einen Atemzug pro Minute. Knapp einen Schlag mehr pro Minute (0,87) tat auch das Herz, und das bereits in der Inkubationszeit. Präsymptomatisch erhöhte sich die Herzfrequenz nochmals und lag sodann bei einem Schlag mehr pro Minute. Mit Einsetzen der Symptome schlug das Herz sogar 2,2-mal mehr pro Minute (jeweils verglichen mit dem Ausgangswert).
Mit Corona infiziert: Temperatur steigt
Die Wissenschaftler stellten auch fest, dass sich die Temperatur am Handgelenk der Infizierten änderte: Während der Phase der Inkubation stieg die Temperatur um 0,13 °C, um 0,18 °C in der präsymptomatischen Phase, und schließlich erhöhte sich die Temperatur um 0,3 °C mit Einsetzen der Corona-Symptome. Beim Abklingen der Infektion, in der Erholungsphase, maß das Fruchtbarkeitsarmband noch immer höhere Werte (0,2 °C). Was sich während der Phasen einer Corona-Infektion nicht änderte, war die Hautdurchblutung der Infizierten.
Algorithmus erkennt Corona zwei Tage vor Symptombeginn
Was fängt man nun mit diesen Informationen an? Die Wissenschaftler erstellten mit den gesammelten Daten einen Algorithmus, der anhand der gemessenen Parameter des Fruchtbarkeitsarmbands 68 Prozent – also zwei von drei – SARS-CoV-2-Infektionen bereits zwei Tage vor Beginn der Symptome erkannte: „Wir haben also gezeigt, dass ein tragbares Sensorarmband in Verbindung mit einem maschinellen Lernmodell das Potenzial hat, COVID-19-Infektionen vor Symptombeginn zu erkennen.“ Nun läuft bereits eine größere Studie – mit 20.000 Teilnehmern –, mit der die Forscher ihren entwickelten Algorithmus auf Genauigkeit überprüfen wollen. Bis Ende 2022 sollen die Daten vorliegen.
Bestätigt sich, dass sich mithilfe von Fitnesstrackern oder Smartwatches Corona-Infektionen frühzeitig und noch vor Symptombeginn erkennen lassen, könnte dies viele Ansteckungen verhindern und das Eindämmen der Pandemie unterstützen. Denn: Ergebnissen der Human-Challenge-Studie zufolge, bei der gesunde Menschen freiwillig und absichtlich mit SARS-CoV-2-angesteckt wurden, ist eine Infektion bereits nach zwei Tagen ansteckend. Diese Infizierten zu diesem Zeitpunkt „abzufangen“ wäre somit äußerst hilfreich.