Leseprobe PTAheute 10/2022: Wärmeprodukte: Wohlig warm
Schon im antiken Griechenland und in Rom nutzten die Menschen die heilende Wirkung von Wärme. Kuren in heißen Quellen und Thermalbädern erfreuen sich seit Jahrhunderten großer Beliebtheit. Inzwischen wird Wärmetherapie in Leitlinien zu verschiedenen Erkrankungen wie Nacken-, Rücken- oder Gelenkschmerzen als ergänzende Option genannt, auch wenn die Studienlage nicht immer eindeutig ist.
Entspannend und durchblutungsfördernd
,Wärme sorgt dafür, dass sich die Blutgefäße erweitern. Dadurch wird die Durchblutung gesteigert, die Zellen können besser mit Nährstoffen versorgt werden, was auch heilende Prozesse unterstützt. Außerdem trägt Wärme dazu bei, dass sich Muskeln entspannen. Wärmebehandlung ist daher vor allem dann angesagt, wenn Muskeln schmerzen oder verspannt sind. Gerade Rückenschmerzen haben ihre Ursache häufig in den Muskeln. Aber auch bei Bauch- oder Regelschmerzen kann Wärme zur Linderung beitragen.
Bei wärmenden Produkten können generell zwei Produkttypen unterschieden werden: solche, die „echte“ Wärme von außen liefern und Wirkstoffe, die ein Wärmegefühl durch die Steigerung der Durchblutung erzeugen.
Wärme von außen für zu Hause ...
Zur ersten Gruppe gehören all die klassischen Verfahren wie Fango- und Moorpackungen, Bäder, Wärmflaschen und Kalt-/Warm-Kompressen. Ebenfalls eine lange Tradition haben mit Kirschkernen gefüllte Kissen, die im Backofen oder in der Mikrowelle aufgewärmt werden können. Mittlerweile sind Varianten in verschiedensten Formen und Größen im Handel, z. B. als Nackenhörnchen oder besonders breit für den Rücken.
Als wärmespeicherndes Füllmaterial kommen neben Kirschkernen zum Beispiel auch Hirse, Rapssamen oder Traubenkerne zum Einsatz. Bei Kindern besonders beliebt sind wärmende Kuscheltiere (z. B. Warmies oder Welliebellies). Eine weitere Alternative sind Wärmepackungen, z. B. mit Enelbin Paste. Diese enthält neben ätherischen Ölen Aluminiumsilikate, die als Wärmespeicher fungieren und kalt (bei Entzündungen) oder warm verwendet werden können. Solche Hilfsmittel eignen sich vor allem für zu Hause, wenn man es sich auf der Couch oder im Sessel gemütlich macht.
... und für unterwegs
Wer in Bewegung bleiben will oder muss, kann auf Pflaster oder Umschläge mit Eisenpulver zurückgreifen (z. B. Thermacare, doc Therma Wärme-Umschlag oder Auflage, Voltaren Wärmepflaster), die entweder direkt auf der Haut oder innen auf der Kleidung fixiert werden. Nach Entfernung der Schutzfolie vom umgebenden Vlies beginnt durch den Kontakt mit Sauerstoff aus der Luft eine chemische Reaktion, in der das Eisen oxidiert wird und dabei Wärme freisetzt.
Allerdings sind die Produkte so verarbeitet, dass nur eine gewisse Menge Luftsauerstoff an das Eisenpulver gelangt. Dadurch verläuft die Wärmefreisetzung nicht zu stark (circa 40 °C), dafür aber lang andauernd über acht bis zwölf Stunden. Danach sollte die Auflage entfernt und nicht direkt durch die nächste ersetzt werden. Üblicherweise lautet die Empfehlung, eine Auflage innerhalb von 24 Stunden zu verwenden.
Die richtige Anwendung
Für die Beratung ist wichtig, dass einige Produkte (z. B. Voltaren Wärmepflaster) nicht während des Schlafens angewendet werden dürfen, um Verbrennungen zu vermeiden. Bei anderen Produkten (z. B. Thermacare) gilt diese Empfehlung für Menschen ab 55 Jahren, da das Verbrennungsrisiko im Alter ansteigt. Sicherheitshalber sollte gerade beim ersten Kauf darauf hingewiesen werden, dass es sich um Einmalprodukte handelt, die keinesfalls nochmals erwärmt werden dürfen. Ebenfalls tabu ist das Zerschneiden der Auflagen; stattdessen sollte von vornherein eine passende Auflage gewählt werden. Im Handel sind verschiedene Produktvarianten als Gürtel oder Pflaster in unterschiedlichen Formen für den oberen und unteren Rücken sowie Produkte zur Behandlung von Menstruationsbeschwerden zum Aufkleben auf die Innenseite des Slips.
Des Weiteren sollte darauf hingewiesen werden, dass die Auflagen nicht mit Cremes und auf gar keinen Fall mit zusätzlich wärmenden Präparaten kombiniert werden dürfen. Feuchtigkeit, zum Beispiel durch erhöhte Schweißproduktion beim Sport, kann dazu führen, dass sich der Klebstoff löst und das Pflaster nicht mehr hält. Es wird auch davon abgeraten, zu enge Kleidung oder Gürtel über den Auflagen zu tragen.
Gesteigerte Durchblutung
Ebenfalls als Pflaster, aber auch in Form von Salben sind Hyperämika im Handel, die die Blutgefäße erweitern und dadurch ein Wärmegefühl hervorrufen. Sie enthalten beispielsweise Cayennepfeffer (Capsicum) mit dem Hauptwirkstoff Capsaicin (z. B. in hot Thermo dura C Creme, Finalgon CPD Wärmecreme).
Früher war Cayennepfeffer in Kombination mit Arnika und Belladonna im Einsatz – von den Anfangsbuchstaben der drei Pflanzen stammen die Bezeichnungen ABC-Wärmepflaster und -creme. Inzwischen enthalten diese Produkte jedoch nur noch Capsaicin beziehungsweise Nonivamid. Nonivamid (z. B. in Capsi-med Wärmepflaster) ist ein synthetisches Derivat von Capsaicin, das ebenfalls Schmerzen lindert und die Durchblutung fördert.
Nicotinsäure und Wärme
Methylnicotinat, Benzylnicotinat und Nicoboxil sind Derivate des B-Vitamins Nicotinsäure. Sie wirken über Prostaglandine gefäßerweiternd. Nicoboxil wirkt schnell und stark; eine Kombination mit Nonivamid (z. B. in Finalgon Wärmesalbe und -creme Duo) hat sich als effektiv erwiesen.
Methylnicotinat ist zum Beispiel zusammen mit ätherischen Ölen und Beinwell in dem Kosmetikum Kytta Wärmebalsam enthalten. Lösungen mit Benzylnicotinat (z. B. Pernionin Thermo-Teilbad) können je nach Lokalisation der Schmerzen zum Beispiel als Hand-, Arm- oder Fußbad beziehungsweise in Form von Kompressen angewendet werden. Wichtig ist, dass das Konzentrat zuvor mit Wasser verdünnt wird.
Vorsicht, Brennen!
Auch für diese Produkte gilt, dass Pflaster nicht zerschnitten werden dürfen. Besondere Vorsicht ist bei der Handhabung der Cremes und Salben geboten, denn diese dürfen keinesfalls auf Schleimhäute oder in die Augen gelangen – das würde stark brennen. Deshalb ist es wichtig, die Hände nach Berührung der Produkte (auch Pflaster) sehr gut mit Seife zu waschen. Einigen Cremes sind Applikatoren beigefügt, alternativ können Einmalhandschuhe zum Auftragen verwendet werden. Gerät doch etwas in die Augen, sollte ein Augenarzt kontaktiert werden.
Im Gesicht sowie an anderen empfindlichen Stellen wie Hals oder Genitalbereich dürfen die Produkte nicht angewendet werden. Aber auch an anderen Körperstellen kann die Haut übermäßig gereizt werden. Jucken, Brennen oder auch Taubheitsempfinden können die Folge sein. In diesen Fällen oder wenn die Wärme als zu stark empfunden wird, sollte die Behandlung abgebrochen werden, das heißt, das Pflaster wird entfernt beziehungsweise Cremereste abgewischt. Pflasterrückstände lassen sich mit Pflanzenöl, kaltem Wasser oder Feuchtigkeitscreme entfernen. Menschen mit generell empfindlicher Haut kommen häufig mit den Eisenpulver-Präparaten besser zurecht.
Damit die Wärmewirkung nicht zu stark wird, sind zusätzliche Wärmequellen wie Sonne, Heizkissen oder Wärmelampen zu vermeiden, auch von heißem Baden oder Duschen direkt vor oder nach der Anwendung wird in Packungsbeilagen abgeraten.
Ätherische Öle
Einige ätherische Öle enthalten ebenfalls durchblutungsfördernde Substanzen wie Campher oder Menthol. Sie sind Bestandteil von Cremes (z. B. Tiger Balm, Rheuma- & Muskelschmerzcreme Winthrop, Kneipp Intensiv Wärme Balsam mit Arnika, Gehwol Wärme Balsam) oder flüssigen Einreibungen (z. B. Allgäuer Latschenkiefer Mobil Schmerzfluid Franzbranntwein, Tiger Balm Muskel- und Gelenkfluid). Ein Bestandteil einiger ätherischer Öle ist Methylsalicylat, ein Ester der Salicylsäure, der die Durchblutung steigert und gleichzeitig – nach Abbau zu Salicylsäure – schmerz- und entzündungshemmend wirkt. Es ist zum Beispiel zusammen mit anderen ätherischen Ölen in Rheubalmin Bad enthalten.
Nicht alle ätherischen Öle sind für Kleinkinder geeignet, auch bei Patienten mit Erkrankungen der Atemwege wie Asthma ist Vorsicht geboten.
Nicht immer geeignet
Auch wenn Wärmeprodukte in der Regel als angenehm empfunden und gut vertragen werden, gilt es vorher ein paar Dinge abzuklären:
Nicht geeignet ist Wärme bei entzündlichen Schmerzen, beispielsweise akuten Phasen von rheumatoider Arthritis. Auch erkrankte, verletzte, entzündete oder besonders empfindliche Hautstellen dürfen nicht mit Wärme behandelt werden. Diabetiker müssen vorsichtig mit Wärmeprodukten sein, da die Gefahr besteht, dass aufgrund des Diabetes kleine Blutgefäße oder Nerven geschädigt sind und Wärmereize daher nicht ausreichend wahrgenommen werden und Verbrennungen auftreten. Bei Durchblutungsstörungen sollte ebenso wie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen zumindest Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden. Auch für Schwangere und Stillende sind nicht alle Präparate in der Selbstmedikation geeignet.
Die meisten Produkte sind ab zwölf Jahren zugelassen. Bei den Auflagen gilt zumeist als Bedingung, dass die Anwender in der Lage sein müssen, sie eigenständig zu entfernen – das betrifft natürlich auch ältere oder in der Beweglichkeit eingeschränkte Personen.
Die Grenzen der Selbstmedikation sind erreicht, wenn Patienten Taubheitsgefühle oder Kribbeln verspüren: Das deutet auf Schäden oder Reizungen der Nerven hin, zum Beispiel den klassischen „Ischias“, bei dem die Schmerzen häufig in die Beine ausstrahlen. Spätestens dann sollte der Patient an den Arzt verwiesen werden.