Wie viel körperliche Aktivität hält gesund?: Nach Krebs: Bewegen für ein längeres Leben?
Jeder Schritt hält fit – und nach einer überstandenen Krebserkrankung offenbar auch länger am Leben. Das zeigt eine in der Fachzeitschrift „JAMA Oncology“ veröffentlichte Studie(„Association of Daily Sitting Time and Leisure-Time Physical Activity With Survival Among US Cancer Survivors“) , in der Forschende Daten von 1.535 Krebsüberlebenden analysierten.
Die Patienten hatten ursprünglich von 2007 bis 2014 an den „US National Health and Nutrition Examination Surveys“ teilgenommen und dort angegeben, an Krebs erkrankt gewesen zu sein. Zusätzlich hatten die Befragten selbstständig Angaben zu ihrer körperlichen Aktivität und ihrer täglichen Sitzdauer mittels des von der Weltgesundheitsorganisation WHO entwickelten „Global Physical Activity Questionnaire“ (GPAQ) gemacht (16 Fragen).
Beispielfragen des GPAQ
- An wie vielen Tagen in einer gewöhnlichen Woche betätigen Sie sich bei der Arbeit körperlich intensiv?
- Gehen Sie zu Fuß oder fahren Sie mit dem Fahrrad, um von einem Ort zum anderen zu kommen, mit einer Dauer von mindestens zehn Minuten?
- Betreiben Sie in der Freizeit intensive körperliche Aktivität oder Sport, bei dem Atmung und Puls stark zunehmen, [wie Laufen oder Fußball] mit einer Dauer von mindestens zehn Minuten?
Erhöhtes Sterberisiko durch Sitzen und körperliche Inaktivität
Die Wissenschaftler werteten die Daten vor dem folgenden Hintergrund aus: Gibt es einen Zusammenhang zwischen täglichem Sitzen, körperlicher Aktivität und der Sterblichkeit der früheren Krebspatienten (aufgrund von Krebs oder auch anderen Ursachen)?
Das scheint in der Tat der Fall zu sein. Den Ergebnissen der Studie zufolge haben vor allem Menschen mit einer längeren Sitzdauer ein erhöhtes Risiko zu sterben, und zwar sowohl an Krebs wie auch aufgrund anderer Erkrankungen. Das Sterblichkeitsrisiko war dann am höchsten, wenn zu mehr als acht Stunden Sitzen pro Tag noch körperliche Inaktivität hinzukam.
Großteil der Teilnehmer saß viel und bewegte sich wenig
56,8 Prozent der Studienteilnehmer (mittleres Alter 65,1 Jahre, meist Frauen [60,1 Prozent] und nicht-hispanische Weiße [83,1 Prozent]) hatten angegeben, sich in der Woche zuvor nicht bewegt zu haben (inaktiv = 0 Minuten pro Woche). 15,6 Prozent waren weniger als 150 Minuten pro Woche in ihrer Freizeit körperlich aktiv (unzureichend aktiv) und 27,6 Prozent galten als aktiv, da sie sich mindestens 150 Minuten pro Woche auch in ihrer Freizeit körperlich bewegt hatten.
Beim Sitzen war der Großteil der Befragten (60,4 Prozent) eher in den oberen Zeitbereichen: Gut jeder Dritte saß eigenen Angaben zufolge für sechs bis acht Stunden täglich, etwa jeder Vierte sogar mehr als acht Stunden pro Tag. Bemerkenswert ist, dass 35,8 Prozent der überlebenden Krebspatienten erklärten, dass sie körperlich nicht aktiv waren und gleichzeitig mehr als sechs Stunden pro Tag saßen.
Ausprägung | Anteil der Befragten | |
---|---|---|
Körperliche Aktivität | inaktiv (0 Minuten körperliche Freizeitaktivitäten pro Woche) | 56,8 Prozent |
unzureichend aktiv (< 150 Minuten körperliche Freizeitaktivitäten pro Woche) | 15,6 Prozent | |
aktiv (mindestens 150 Minuten körperliche Freizeitaktivitäten pro Woche) | 27,6 Prozent | |
Sitzen | zwischen sechs und acht Stunden pro Tag | 35,5 Prozent |
für mehr als acht Stunden pro Tag | 24,9 Prozent | |
Körperliche Aktivität und Sitzen | inaktiv und Sitzen für mehr als sechs Stunden täglich | 35,8 Prozent |
Generelles und krebsbedingtes Sterberisiko erhöht
In der Nachbeobachtungszeit – im Median 4,5 Jahre nach der ursprünglichen Befragung – starben 293 Menschen: 114 an Krebs, 41 aufgrund von Herzerkrankungen und 138 aus anderen Gründen. Dabei verringerte körperliche Aktivität das generelle Sterberisiko (Gesamtmortalität) um 66 Prozent (Hazard Ratio [HR]: 0,34) und die krebsbedingte Sterblichkeit sogar um 68 Prozent (HR: 0,32).
Hingegen erhöhte ein mehr als achtstündiges tägliches Sitzen die Gesamtmortalität um knapp das Doppelte beziehungsweise 81 Prozent (HR: 1,81), die krebsspezifische Sterblichkeit war 2,27-mal höher beziehungsweise 127 Prozent (HR: 2,27) – jeweils verglichen mit Personen, die weniger als vier Stunden täglich sitzend verbrachten.
Gut zu wissen: Was ist die Hazard Ratio (HR)?
Die Hazard Ratio (HR) beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Ereignis in einem bestimmten Zeitraum eintritt – zum Beispiel, dass ein Patient innerhalb von 4,5 Jahren stirbt.
Sie ist der Quotient (Teiler) von zwei Risiken (engl. hazard) zweier Gruppen, die unterschiedliche Interventionen erfahren; z. B. ist die eine Gruppe im Zeitraum körperlich aktiv, die andere nicht.
Setzt man diese Risiken zueinander ins Verhältnis, lässt sich ableiten, ob das Risiko, innerhalb von 4,5 Jahren zu sterben, in beiden Gruppen gleich groß ist (und es egal ist, ob man sich körperlich bewegt oder nicht), oder eine Gruppe ein höheres beziehungsweise kleineres Risiko hat zu sterben.
- HR = 1: Es gibt keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen.
- HR < 1: Das Risiko ist für die beobachtete Gruppe kleiner.
- HR > 1: Das Risiko ist für die beobachtete Gruppe größer.
Eine HR von 2,3 bedeutet, dass das Risiko zu sterben 2,3-mal so hoch ist. Eine HR von 0,34 bedeutet, dass das Risiko zu sterben kleiner ist.
Viel Sitzen plus körperliche Inaktivität: 5-mal höheres Sterberisiko
Besonders deutlich zeigte sich eine erhöhte Sterblichkeit, wenn die früheren Krebspatienten inaktiv oder nur unzureichend körperlich aktiv waren und zusätzlich mehr als acht Stunden täglich saßen: Sie hatten ein über 5-mal höheres Risiko zu sterben (HR: 5,38). Die krebsbedingte Sterblichkeit war mit 4,71-mal (HR: 4,71) ebenfalls deutlich erhöht.
„In dieser Kohortenstudie an einer landesweit repräsentativen Stichprobe von Krebsüberlebenden in den USA war die Kombination aus langem Sitzen und mangelnder körperlicher Aktivität weit verbreitet und mit dem höchsten Risiko für Tod (alle Ursachen und Krebs) verbunden“, erklären die Wissenschaftler ihre Ergebnisse. Dennoch ist wichtig zu betonen: Es konnte lediglich eine Assoziation gezeigt werden, ein ursächlicher Zusammenhang ist damit nicht bewiesen. Eine solche Assoziationsstudie liefert aber zumindest Hinweise, dass sich Bewegung positiv auf das Überleben auswirken könnte.