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Wittener Harntrakt-Nebenwirkungs-Score: Liste zu Harntrakt-UAWs jetzt als App verfügbar

Treten Störungen des Harntraktes auf, können auch Arzneimittel (mit-)verantwortlich sein. Ein neues Tool kann künftig bei der Einschätzung unterstützen. | Bild: Nattawit / AdobeStock

Viele Arzneimittel werden über den Harntrakt ausgeschieden und so ist es auch kein Wunder, dass in den Packungsbeilagen zahlreicher Medikamente auf Nebenwirkungen in diesem Bereich hingewiesen wird. Um bei Patienten mit Harntraktfunktionsstörungen die Situation nicht zu verschlimmern bzw. potenziell verantwortliche Medikamente ausfindig zu machen, fehlte bislang jedoch eine Übersicht über die entsprechenden Wirkstoffe.

Wittener Harntrakt-Nebenwirkungs-Score

Eine Arbeitsgruppe der Universität Witten/Herdecke hat diese Lücke erkannt und daraufhin Datenbanken nach Substanzen durchsucht, die potenziell Nebenwirkungen auf den Harntrakt auslösen. Anschließend haben die Wissenschaftler diese anhand von wissenschaftlichen Daten kategorisiert und nach Häufigkeit sowie klinischer Relevanz bewertet. Heraus kam eine Arzneimittel-Liste, die laut der Arbeitsgruppe als wichtige Ergänzung zu anderen Listen wie beispielsweise PRISCUS- und Beers-Liste gesehen werden kann. Sie kann bei Neuverordnungen eingesetzt werden, um das Risiko für mögliche Nebenwirkungen auf den Harntrakt besser einschätzen zu können. Aber auch beim Medikationsmanagement kann geklärt werden, ob eine Harntraktfunktionsstörung möglicherweise medikamentös (mit-)verursacht wurde.

Zur Erinnerung: Beispiele für Harnwegsnebenwirkungen

  • Dysurie: Schmerzhaftes bzw. erschwertes Wasserlassen
  • Harninkontinenz: Unwillkürlicher Harnabgang
  • Harnverhalt: Unfähigkeit, Harnblase spontan zu entleeren
  • Harnwegsinfektion
  • Hämaturie: Ausscheidung von roten Blutkörperchen via Urin
  • Nykturie: Nächtliches Wasserlassen
  • Oligurie: Verminderte tägliche Harnausscheidung
  • Pollakisurie: Häufige Ausscheidung kleiner Harnmengen
  • Polyurie: Krankhafte Vermehrung der Harnmenge
  • Proteinurie: Ausscheidung von Eiweiß via Urin Quelle: Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch, Walter de Gruyter;
    Mutschler Arzneimittelwirkungen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
     

Jetzt auch als Web-App

Damit die Liste auch im Alltag von „urologisch tätigen Ärzten“ einfach angewendet werden kann, steht seit Kurzem unter www.harntrakt.de die Liste als Web-App zur Verfügung. Suchen kann man dort entweder nach Arzneimitteln – via Wirkstoff, chemischem Namen, dem Handelsnamen sowie der PZN – oder nach Nebenwirkungen, die in einer Liste aufgeführt werden. Unter jedem Wirkstoff findet man außerdem drei Zahlenwerte, die für Literaturwerte (1-4), eine Expertenbewertung (0-3) und eine Bewertung in der Summe (1-7), das „Gesamtrisiko“, stehen.

Die Top Ten 

Unter den Top-10-Wirkstoffen, die am häufigsten klinisch relevante Nebenwirkungen auf den Harntrakt auslösen, finden sich 

  • (trizyklische) Antidepressiva (z. B. Duloxetin, Amitriptylin, Trimipramin),
  • Opiate (Morphin) und
  • Neuroleptika (Haloperidol).

So steht beispielsweise der Gesamtscore von 6,42 bei Amitriptylin, während 6,1 Morphin zuzuordnen ist – sie können beide zu einer Hemmung der Blasenfunktion führen. Quellen: Wiedemann A et al. Adverse drug reaction affecting the urinary tract – the Witten urinary tract adverse reaction score. Aktuelle Urol 2021; 52(05):481-489.doi:10.1055/a-1352-9370 / mb/ sn