Im Zweifel ein Antiseptikum?: Selbstmedikation bei Vaginalinfektionen
Es klingt verlockend, was die Firma Schülke & Mayr GmbH im September in einer Pressemitteilung verkündete: Ihr Octenisept® Vaginaltherapeutikum sei ab Oktober 2021 bei Symptomen von Vaginalinfektionen immer die richtige Empfehlung. Dafür sorgten eine Wirkstoffkombination aus Octenidin und Phenoxyethanol und vor allem eine Indikationserweiterung des bisherigen Anwendungsgebietes. Ein Blick in die Lauer-Taxe (Stand 01.10.2021) verrät folgendes Anwendungsgebiet: „Linderung der Symptomatik bei bakteriell oder durch Pilzinfektionen (Candidosen) bedingtem Juckreiz, Brennen und Ausfluss im Vaginalbereich.“ Tatsächlich steht diese Indikation bereits in der Lauer-Taxe mit Stand vom 1. April 2021 sowie im „Fachinfo-Service®“ mit Stand 01/2021. Am 15.03.2021 hieß es jedoch in der Lauer-Taxe® noch: „Linderung der Symptomatik bei bakteriell bedingtem Juckreiz, Brennen und Ausfluss im Vaginalbereich.“ Die Pilzinfektion war damals also noch nicht dabei.
Ob nun völlig neue Indikation oder nicht, viele Apothekenmitarbeiter haben Octenisept® bei Symptomen einer Vaginalinfektion in der Selbstmedikation wahrscheinlich nicht sofort als erste Wahl im Kopf – wird die Marke doch vor allem mit der Wund-Desinfektion verknüpft.
Bakterielle Vaginosen in der Selbstmedikation
Tatsächlich führt die Suche nach vergleichbaren Präparaten über die Lauer-Taxe® zu keinem Ergebnis. Zur Behandlung einer bakteriellen Vaginose in der Selbstmedikation dürften vielen PTA aber die „Fluomizin 10 mg Vaginaltabletten“ geläufig sein. Deren Wirkstoff Dequaliniumchlorid ist ebenfalls ein Antiseptikum und gehört zur Klasse der quaternären Ammoniumverbindungen. Ein weiterer apothekenpflichtiger Wirkstoff zur lokalen Behandlung bakterieller Vaginosen ist Policresulen. Es verbirgt sich hinter dem Markennamen Albothyl® als Zäpfchen oder als Konzentrat. Es soll nicht nur antibakteriell, sondern auch denaturierend auf nekrotisches Gewebe wirken.
Etwas weiter gefasst ist die Indikation bei „Vagi-Hex® Vaginaltabletten“: Mit dem Antiseptikum Hexetidin werden sie angewendet „zur Verminderung pathologischer Keime im Vaginalbereich, z. B.
- bei pathologischer Besiedlung der Scheide mit grampositiven und gramnegativen Bakterien wie Gardnerella vaginalis,
- im Rahmen einer präoperativen Prophylaxe vor vaginalen operativen Eingriffen,
- bei vorzeitigem Blasensprung.“
Aktuelle Leitlinie
Im April dieses Jahres wurde ein Leitlinienvorhaben zur bakteriellen Vaginose (BV) angemeldet, die Fertigstellung wird für Ende 2022 erwartet. Im Internet stößt man ansonsten bislang nur auf eine Leitlinie von 2001, die zuletzt 2013 überarbeitet wurde: „Bakterielle Vaginose (BV) in Gynäkologie und Geburtshilfe“. Dieser alten Leitlinie zufolge berichten nur etwa 50 Prozent der betroffenen Frauen über charakteristische Symptome, „wie u. a. einen vermehrten homogenen Fluor, der insbesondere nach Alkalisierung einen fischigen Geruch erkennen lässt. Dagegen fühlen sich viele Frauen mit einer BV in ihrem Wohlbefinden nicht beeinträchtigt.“ Von dieser Aussage könnte man ableiten, dass die BV in der öffentlichen Apotheke ohne ärztliche Verordnung kaum vorkommt.
Dequaliniumchlorid in der Selbstmedikation?
Für die Therapie der bakteriellen Vaginose (BV) werden die beiden rezeptpflichtigen Antibiotika Metronidazol und Clindamycin empfohlen – als Vaginalcreme, oral oder als Vaginaltabletten. Außerdem heißt es in der Leitlinie: „Aufgrund vereinzelter Studien scheinen die Rezidivquoten nach Dequaliniumchlorid 10 mg Vaginaltabletten für 6 Tage oder mit Nifuratel 1 x 250 mg Vaginaltabletten für 10 Tage denen nach leitliniengerechter Therapie ähnlich zu sein.“ Damit findet also nur das vorher genannte Fluomizin® Erwähnung in der Leitlinie und könnte für die Selbstmedikation bei BV in Betracht gezogen werden.
In einem Beitrag der Zeitschrift „Frauenarzt“ von 2018 hat Prof. Dr. med. Werner Mendling (Deutsches Zentrum für Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe an der Landesfrauenklinik, Helios Universitätsklinikum Wuppertal) eine Übersicht über die Charakteristika wichtiger gynäkologischer Infektionen und deren Therapie zusammengestellt. Auch dort wird als Therapie bei BV Dequaliniumchlorid erwähnt. Doch was, wenn das Beschwerdebild doch eher zu einer Vulvovaginalcandidose passt? Wäre dann Dequaliniumchlorid in der Selbstmedikation nicht geeignet?
Was tun bei Vulvovaginalcandidose?
Was die Vulvovaginalcandidose (VVC) angeht, ist erst im September 2020 eine neue Leitlinie erschienen, die bis 2025 gültig bleiben soll. Dort gibt es extra einen kurzen Abschnitt zum Thema Selbstmedikation. Darin heißt es, dass die Selbsttherapie mit Clotrimazol (in einigen Ländern auch mit Fluconazol) in mehr als 80 Prozent der Fälle betrieben werde. Diese Entwicklung basiere auf Erwartungen der 1990er-Jahre, dass Patientinnen eine Vulvovaginalcandidose fast immer selbst korrekt diagnostizieren könnten. Doch diese Erwartung hat sich nicht bestätigt, heißt es: Laut einer Studie sollen nur ein Drittel der Frauen, die vaginale Antimykotika zur Selbsttherapie gekauft haben, mit ihrer Selbstdiagnose richtig gelegen haben. Und so empfiehlt die aktuelle Leitlinie bei Verdacht eine ärztlich gesicherte Diagnose, um Resistenzbildungen und ungerechtfertigte Nebenwirkungen zu vermeiden. Ist die Diagnose gesichert, ist die Behandlung mit einer lokalen Therapie mit
- Imidazolen (Clotrimazol, zahlreiche bekannte rezeptfreie Präparate),
- Polyenen (Nystatin, z. B. rezeptfrei in Biofanal) oder
- Ciclopiroxolamin (z. B. in Batrafen Vaginalcreme)
als Vaginaltabletten, Ovula oder Cremes möglich. Oral können Triazole (Fluconazol) verschrieben werden – in Kombination mit antimykotischen Cremes. Alle Antimykotika seien ähnlich gut verträglich und führten zu ähnlich guten Therapieergebnissen.
Bei den Antiseptika sieht das etwas anders aus: Diese sind zwar laut Leitlinie potenziell wirksam, wirkten aber auch gegen die physiologische Vaginalflora. Dennoch heißt es, dass Antiseptika wie Dequaliniumchlorid als alternative Therapieoptionen eingesetzt werden können. Auch Octenidin diene zur Desinfektion und sei als Alternative bei akuter VVC erprobt.
Laut Lauer-Taxe® enthält jedoch nur Fluomizin® Dequaliniumchlorid und ist nur bei der bakteriellen Vaginose indiziert. Damit hat das Octenisept® Vaginaltherapeutikum mit Octenidin aktuell tatsächlich ein gewisses Alleinstellungsmerkmal in der Selbstmedikation.
„Alleskönner“ Povidon-Iod?
Ebenfalls (wie Octenisept®) als „Alleskönner“ gegen Bakterien, Pilze und Hefen sowie einige Viren und Protozoen verkaufen sich gerne „Vagisan sept Vaginalzäpfchen mit Povidon-Iod“. Sie sind indiziert bei „bei spezifischen und unspezifischen Infektionen der Scheide und bei Scheideninfektionen durch Trichomonas vaginalis und Candida albicans“. In der Lauer-Taxe® werden sie erst seit Mai 2021 gelistet. Das liegt aber daran, dass sie die nicht mehr im Handel verfügbaren „Traumasept Ovula“ ablösen.
In der Leitlinie zur VVC wird Povidon-Iod im Kapitel „alternative und komplementäre Medizin“ aufgeführt. Seine Verwendung soll eine rasche Linderung der Symptome bewirken. Der Wirkmechanismus beruhe auf der Oxidation von Aminosäuren.
Zwei Präparate bei unspezifischen Infektionen?
Somit stehen tatsächlich zwei Präparate auf dem Markt zur Verfügung, die bei unspezifischen vaginalen Infektionen zugelassen und auch in entsprechenden Leitlinien zumindest erwähnt werden. Ein gewisses Alleinstellungsmerkmal hat das Octenisept® Vaginaltherapeutikum dann noch zusätzlich: die Applikationsform. Es handelt sich nämlich nicht um eine Creme oder ein „Zäpfchen“, sondern um einen Sprühapplikator. Unangenehme Wäscheflecken sollen laut Hersteller damit der Vergangenheit angehören.
Auch für Schwangere soll es geeignet sein. Bei Embryotox findet es aber weder bei der bakteriellen Vaginose (Metronidazol oder Clindamycin) noch bei der vaginalen Pilzinfektion (Clotrimazol und Miconazol) Erwähnung.
Letztlich kann man sich – wenn man lieber gezielt behandeln möchte – zur Abgrenzung in der Apotheke zumindest als groben Merksatz aus der VVC-Leitlinie behalten: „Im Gegensatz zur bakteriellen Vaginose riecht Fluor bei VVC nicht unangenehm und ist meist von weißlich klumpiger Konsistenz.“