Leitlinie zu Komplementärmedizin für Krebspatienten: Tut Yoga Frauen mit Brustkrebs gut?
Welche Tumorbehandlungen Krebspatienten erhalten sollen, welche Behandlungsmethoden die beste Heilungschance oder die größte Verzögerung des Tumorwachstums bringen, klären die jeweiligen Leitlinien. Doch wie sieht es eigentlich mit alternativmedizinischen Behandlungen aus – Akupunktur oder Bioresonanz, Yoga oder Meditation? Das Angebot der Komplementärmedizin ist zwar riesig, jedoch ist nicht alles aus wissenschaftlicher Sicht empfehlenswert.
Welche Methoden und Substanzen können onkologischen Patienten von Ärzten oder in der Apotheke empfohlen werden, von welchen sollte eher abgeraten werden? Tut beispielsweise Yoga Frauen mit Brustkrebs und Schlafstörungen wirklich gut oder hilft Tai Chi bei Fatigue?
Neue Leitlinie zur Komplementärmedizin für onkologische Patienten
Um auch hier evidenzbasiert – also auf Basis des aktuellen Standes der Wissenschaft – arbeiten und seriöse Empfehlungen aussprechen zu können, hat eine Vielzahl von Berufsverbänden, Fachgesellschaften und Patientenorganisationen die derzeit verfügbaren Daten dazu evaluiert. Herausgekommen ist die S3-Leitlinie „Komplementärmedizin für onkologische Patientinnen und Patienten“, die sowohl Fachpersonal (das in der Versorgung von Tumorpatienten tätig ist) als auch Patienten eine solide und wissenschaftlich fundierte Basis für eine Entscheidung geben soll. Die Leitlinie soll in erster Linie die Versorgung von onkologischen Patienten verbessern und als „präzises Nachschlagwerk“ dienen. Nicht zuletzt soll sie auch Aus-, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten in diesem Gebiet fördern.
Empfehlungen ausschließlich für onkologische Patienten
Für die Leitlinie haben Autoren ausschließlich Studien mit onkologischen Patienten berücksichtigt, sodass alle Empfehlungen auch ausschließlich diese Patientengruppe adressieren. Die Leitlinie ist dabei nach krebsbezogenen Symptomen (z. B. Appetitmangel, Fatigue, Schlafstörungen, Dermatitis, Übelkeit/Erbrechen, Schmerzen) und nach einzelnen Verfahren oder Substanzen (z. B. Akupunktur, Bioresonanz, Ginseng, Ingwer, Homöopathie und Meditation) unterteilt.
Gut zu wissen: Sollte, soll, kann – was bedeutet die Empfehlungsstärke?
In Leitlinien finden sich häufig Ausdrucksweisen wie Empfehlungsgrad „A“, „B“ oder „0“ sowie „starker Konsens“ beziehungsweise „Konsens“ – doch was bedeutet das eigentlich?
Empfehlen die Studienautoren ein Verfahren oder eine Substanz mit dem Empfehlungsgrad A, empfehlen sie dieses Verfahren oder diese Substanz „stark“ – das bedeutet: Der Patient „sollte“ es anwenden. Empfehlungsgrad B ist etwas schwächer, die Leitlinienautoren empfehlen das Verfahren aber durchaus und der Patient „soll“ es anwenden. Steht beim Empfehlungsgrad hingegen eine „0“, „kann“ der Patient das Verfahren anwenden, aber die Leitlinienautoren lassen den Grad ihrer Empfehlung offen.
Und was steckt hinter der Konsensstärke? Liegt ein „starker Konsens“ vor, waren mehr als 95 Prozent der Stimmberechtigten bei Erstellung dieser Leitlinie dieser Meinung. Bei einem „Konsens“ waren sich 75 bis 95 Prozent der Leitlinienautoren einig. Für eine „mehrheitliche Zustimmung“ müssen mehr als die Hälfte (50 Prozent) bis maximal drei Viertel (75 Prozent) aller Stimmberechtigten die gleiche Auffassung in diesem Punkt vertreten, und ein Dissens liegt vor, wenn weniger als die Hälfte (50 Prozent) der Leitlinienautoren der gleichen Meinung waren.
Yoga bei Krebs?
Wie sieht es nun mit Yoga aus? Bei welchen krebsbedingten Symptomen können die aus Indien stammenden geistigen und körperlichen Übungen helfen? Die Leitlinie nennt einige Symptome, bei denen Studien zufolge Yoga positive Effekte gezeigt hat, zum Beispiel Fatigue. So „sollten“ Krebspatienten – und zwar unabhängig vom Tumor – mit Fatigue während und nach Chemo- beziehungsweise Strahlentherapie Yoga praktizieren. Bei Fatigue erhält Yoga damit die stärkste Empfehlung. Bei anderen krebsbedingten Beschwerden (wie Schlafstörungen, kognitiven Beeinträchtigungen, menopausalen Symptomen oder der krebsspezifischen Lebensqualität) nach Beendigung einer Chemo- oder Strahlentherapie bei Brustkrebspatienten lassen die Studienautoren den Empfehlungsgrad offen. Das heißt, die Patientin „kann“ Yoga praktizieren – sie raten weder zu noch ab. Ähnlich sieht die Datenlage wohl für Patienten mit Darmkrebs (Kolorektalkarzinom) aus, wenn sie nach Abschluss ihrer Chemo- oder Strahlentherapie an Angststörungen leiden oder depressiv sind – die Leitlinienautoren sprechen eine „Kann“-Empfehlung aus.
Tai Chi und Qigong bei Ein- und Durchschlafstörungen
Tai Chi – oft auch als Schattenboxen bezeichnet – ist eine meditative Bewegungsübung mit langsamen und fließenden Bewegungen, die Kraft, Beweglichkeit, Atemtechniken und Koordination vereinen. Qigong ist meist durch vereinfachte Bewegungsabläufe und Wiederholungen der Bewegungsroutinen charakterisiert. Können Krebspatienten von diesen aus der traditionellen chinesischen Medizin stammenden Übungen profitieren? Wie auch Yoga haben Tai Chi und Qigong den Recherchen der Studienautoren zufolge einen positiven Effekt bei onkologischen Patienten mit Fatigue – sie sprechen eine „Sollte“-Empfehlung aus. Genauso bei Ein- und Durchschlafstörungen, auch hier „sollten“ Patienten mit Tumorerkrankungen Tai Chi oder Qigong praktizieren. Weniger gut scheint die Datenlage bei Depressivität und eingeschränkter Lebensqualität aufgrund einer Krebserkrankung: So „können“ betroffene Patienten Tai Chi oder Qigong üben, die Leitlinienautoren raten weder explizit zu noch ab.