Leseprobe PTAheute 17/2021: Rundum versorgt: Hautpflege bei Diabetes
Jeder zweite Diabetiker zeigt Symptome dermatologischer Erkrankungen. Der Grund dafür ist entweder direkt der erhöhte Blutzuckerspiegel oder dessen Auswirkungen zum Beispiel auf Gefäße und Nerven. Der genaue Pathomechanismus ist allerdings komplex und noch nicht vollständig geklärt. Viele dermatologische Probleme lassen sich aber durch eine gute Einstellung des Stoffwechsels wieder beheben.
Die Haut als Indikator
Häufig sind Hautveränderungen die ersten Hinweise auf einen unerkannten Diabetes mellitus. Viele Patienten entwickeln beispielsweise Pigment- und Verhornungsstörungen. Diesen ist durch Pflege nicht wirklich beizukommen, sie verschwinden aber meist nach dem Einstellen des Blutzuckerspiegels wieder. Oft sieht man eine diabetische Dermopathie an den Schienbeinen, die durch bräunliche atrophische Flecken in Erscheinung tritt. Auch dunkle samtartige Hyperkeratosen vor allem am Nacken oder in Hautfalten sind ein Hinweis.
Lästiger Juckreiz
Rund 40% der Diabetiker klagen über Juckreiz. Dieser kann lästig sein, je nach Ausmaß aber auch schnell zur Qual werden und Stoffwechselentgleisungen anzeigen. Grundsätzlich führt ein hoher Blutzuckerspiegel immer zu einer gesteigerten Ausscheidung von Wasser über den Urin, die Haut verliert an Feuchtigkeit. Sind bereits Nerven geschädigt, lässt auch die Talg- und Schweißproduktion nach und es fehlen zusätzlich Lipide in der Haut. Trockene Haut ist der Hauptgrund für diffusen Juckreiz. Besonders häufig sind wie bei der diabetischen Neuropathie Arme und Beine betroffen, aber auch ein Juckreiz im Intimbereich ist gerade bei Frauen verbreitet.
Außer der trockenen Haut können Infektionen oder systemische Ursachen für den Juckreiz verantwortlich sein. Auch bei fortgeschrittenem Diabetes mellitus mit eingeschränkter Nierenfunktion kann es zu Juckreiz kommen. Außerdem wird der Einfluss von hohen Parathormon-, Aluminium- und Magnesiumspiegeln im Blut diskutiert und auch eine renale Anämie kann den Juckreiz verstärken. Abhilfe können hier eine Erhöhung der Dialysefrequenz und die parenterale Gabe von Erythropoetin schaffen. Im Extremfall kann die Entfernung der Nebenschilddrüsenkörperchen notwendig werden, um den Parathormonspiegel zu senken. Als Basistherapie ist aber vor allem die tägliche Pflege ein Muss.
Geschwächte Hautbarriere – freie Bahn für Erreger
Eine trockene Haut ist häufig zusätzlich in ihrer Barrierefunktion beeinträchtigt – Krankheitserreger können eindringen und sich vermehren. Da das Immunsystem durch die gestörte Stoffwechsellage ebenfalls eingeschränkt ist, können sich Hautinfektionen schnell ausbreiten und sind deutlich hartnäckiger als bei Gesunden. Insbesondere häufige Pilzinfektionen oder bakterielle Entzündungen der Haut sind typisch. Besonders rezidivierende Hefepilzinfektionen im Intimbereich oder in Hautfalten (Candidosis intertriginosa) können auf einen unentdeckten Diabetes mellitus hinweisen. Aber auch durch Dermatophyten verursachte Pilzinfektionen wie Fuß- oder Nagelpilz sind bei einer diabetischen Stoffwechsellage häufiger. Durch beginnende Nervenschäden werden ihre Symptome häufig verspätet wahrgenommen – eine tägliche Inspektion der Füße gehört deshalb zur Pflegeroutine von Diabetikern.
Während Hefepilze sich gut mit Nystatin behandeln lassen (z. B. in Multilind Heilsalbe, Biofanal Kombi), sind Dermatophyten dagegen resistent. Eingesetzt werden können beispielsweise Bifonazol (z. B. in Canesten Extra), Terbinafin (z. B. in Lamisil) oder Ciclopirox (z. B. in Selergo, Ciclopoli). Allerdings sollten Pilzinfektionen generell zunächst beim Arzt abgeklärt werden, um zu verhindern, dass Bakterien die Läsionen als Eintrittspforte nutzen. Es können sich unter anderem Furunkel und Abszesse bilden (z. B. durch Staphylococcus aureus) oder die Lymphwege und oberen Hautschichten entzünden sich (z. B. Erysipel, hervorgerufen durch ß-hämolysierende Streptokokken). Hier muss ein Arzt zurate gezogen werden, da teilweise sogar eine systemische Antibiotikagabe notwendig ist. Die beste Vorbeugung von Hautinfektionen ist ein gut eingestellter Blutzuckerspiegel, die regelmäßige Kontrolle der besonders empfindlichen Körperregionen und wieder die richtige Pflege der Haut. Bei Symptomen sollte sofort konsequent behandelt werden – Hautinfektionen verschwinden (vor allem bei Diabetes) nicht wieder von selbst.
Arzneimittel und ihre Auswirkung auf die Haut
Schließlich hinterlassen auch Arzneimittel ihre Spuren auf der Haut – allen voran Insulin, das bei falscher Anwendung zu Lipodystrophien und Hypertrophien führen kann. Diese sind seit der Verwendung rekombinanter und Humaninsuline allerdings sehr selten geworden und lassen sich durch einen regelmäßigen Wechsel der Einstichstellen wirksam vermindern. Auch Überempfindlichkeitsreaktionen kommen nur noch selten vor, allerdings haben vor allem Sulfonylharnstoffe ein Allergiepotenzial, das durchaus eine Urtikaria oder ausgedehnte Ekzeme auslösen kann. Treten die genannten Nebenwirkungen unter der Therapie mit Antidiabetika auf, ist der Arzt der richtige Ansprechpartner.
Wie erkläre ich es meinem Kunden?
- „Sie sollten die dunklen Flecken einmal Ihrem Hausarzt zeigen. Sie können durchaus einen veränderten Stoffwechsel anzeigen und verschwinden wieder, wenn dieser reguliert ist.“
- „Um Veränderungen des Unterhautfettgewebes zu verhindern, ist es wirklich wichtig, dass Sie täglich die Spritzstellen für Ihr Insulin wechseln, auch wenn der Piks dann mehr wehtut.“
- „Der Juckreiz kann mit Ihrem Diabetes zusammenhängen. Die Haut benötigt jetzt tatsächlich eine intensivere Pflege und trocknet schneller aus als bei Stoffwechselgesunden.“
- „Vergessen Sie bei der Pflege bitte nicht Ihre Füße! Sie sollten sie täglich waschen, danach gut abtrocknen und mit speziellen Cremes wie dieser hier pflegen.“
Gute Pflege ist das A und O
Mit konsequenten Pflegeroutinen lässt sich vor allem die chronisch trockene Haut von Diabetes-Patienten und der damit verbundene Juckreiz wirksam bekämpfen. Darüber hinaus wird die Barrierefunktion gestärkt und Hautinfektionen effektiv vorgebeugt. Generell sollte nicht zu heiß (maximal 35 °C) und nicht zu lange (zehn Minuten) geduscht und gebadet werden, um die Haut nicht zusätzlich auszutrocknen. Zur Reinigung eignen sich vor allem rückfettende Ölduschen (z. B. Allergika Lipo-Duschöl, Lipikar Dusch- und Badeöl AP+) oder Ölbäder (z. B. Neuroderm Mandelölbad, Eubos Haut Ruhe Badeöl). Nach dem Waschen sollte die Haut gut abgetrocknet werden (nur tupfen, nicht reiben), denn vor allem feuchte Hautfalten und Zehenzwischenräume bieten den optimalen Nährboden für Pilze und andere Erreger. Einen Fön sollten Diabetiker mit fortgeschrittener Neuropathie dafür allerdings nicht verwenden.
Gute Lotionen und Cremes zur anschließenden Pflege kombinieren feuchtigkeitsspendende Inhaltsstoffe (Natural Moisturizing Factors) wie zum Beispiel Harnstoff mit natürlichen Lipiden. Harnstoff wirkt nicht nur rehydratisierend, er lindert auch den Juckreiz und wirkt antibakteriell – bietet also einen deutlichen Mehrwert für die abwehrgeschwächte Haut von Diabetikern. Als Lipidkomponente zeigte vor allem Gammalinolensäure (z. B. aus Nachtkerzenöl) in Studien eine juckreizmindernde Wirkung. Beispielsweise die Hyaluron Lipo-Milk von Medipharma Cosmetics kombiniert die Feuchtigkeitsspender Hyaluronsäure und Harnstoff (hier reichen dann 2%) mit hochwertigen Ölen aus Mandelkernen und Nachtkerzensamen. Auch der juckreizstillende Extrakt aus Herzsamen ist enthalten. Andere Produkte für Neurodermitiker wie die Calming Relief A.I. Body Lotion bzw. Creme von Physiogel, die Xeracalm A.D-Serie von Avène oder die AtopiControl-Linie von Eucerin sind ebenfalls geeignet. Grundsätzlich darf der Lipidanteil im Winter größer sein, hier sind W/O-Zubereitungen zu bevorzugen. Im Sommer reichen meist leichtere O/W-Lotionen. Speziell für Diabetiker bietet Eubos die diabetische Hautpflege-Serie mit Körperbalsam, Gesichts-, Hand- und Fußcreme an. Auch Allpresan hat mit den diabetic-Schaum-Cremes eine Linie für die anspruchsvolle Diabetikerhaut im Sortiment. Je nach Bedarf kann der Kunde zwischen Original und Lipid Schaumcreme wählen und auch für sehr sensible Haut findet sich die passende Lösung (z. B. Lipid Schaum-Creme Repair Sensitive ohne Harnstoff).
Bei starkem Juckreiz kann zeitweise auch der Zusatz des juckreizstillenden Inhaltsstoffs Polidocanol notwendig sein – zu finden beispielsweise in Polaneth Lotion von Dermasence oder Optiderm Lotion.
Die Füße im Blick
Durch Missempfindungen verlieren viele Diabetiker mit der Zeit ihre Füße aus dem Fokus, obwohl gerade diese anfällig für chronische Hautveränderungen bis hin zum diabetischen Fuß sind. Bei der Selbstinspektion sollte deshalb die Fußsohle nicht vergessen werden. Fallen Veränderungen wie Hornhaut oder Warzen auf, entfernt diese am besten der Podologe oder gegebenenfalls ein Arzt. Um Verletzungen zu vermeiden, sollten die Fußnägel nur mit der Feile gekürzt und auf das Barfußlaufen generell verzichtet werden. Für die tägliche Pflege gibt es außer den genannten unter anderem Produkte von Gehwol med (z. B. die Lipidro Creme) oder die 5 in 1 Fußcreme von Allgäuer Latschenkiefer.
Das Wichtigste in Kürze
- Pigmentstörungen, Hyperkeratosen oder Ablagerungsdermatosen können Anzeichen eines unentdeckten Typ-2-Diabetes sein und sollten ärztlich abgeklärt werden.
- Diffuser Juckreiz tritt häufig bei Diabetikern auf. Meistens lässt er sich durch intensive Pflege mildern.
- Gerade Pilzinfektionen kommen bei Diabetes-Patienten gehäuft vor. Sie sollten grundsätzlich nicht in der Selbstmedikation behandelt werden.
- Vor allem die Inspektion und Pflege der Füße sollten bei Diabetes in den Fokus gerückt werden, um Verletzungen zu vermeiden und dem diabetischen Fuß vorzubeugen.