Hohlkörper zur Therapie viraler Infektionen
Die meisten bakteriellen Infektionen können heutzutage erfolgreich durch den Einsatz von Antibiotika therapiert werden. Bei einer Infektion mit Viren ist eine solche Behandlung bis jetzt nicht so einfach. Gegen einige Erreger existieren zwar virenhemmende Arzneimittel (sog. Virostatika), diese wirken aber meist nur zu Beginn der Infektion. Zudem ist aufgrund der engen Verknüpfung der Viren mit ihrer Wirtszelle eine Selektivität der Arzneimittel schwierig. Es kommt daher meist zu erheblichen Nebenwirkungen für den Patienten.
Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM), des Helmholtz-Zentrums München und der US-amerikanischen Brandeis University verfolgen nun einen völlig neuen Ansatz zur Behandlung viraler Infektionen.
Zur Erinnerung: Aufbau von Viren
Viren sind infektiöse Partikel, die über keinen eigenen Stoffwechsel verfügen und sich nur innerhalb einer Wirtszelle vermehren können. In ihrer Form sind sie häufig rund oder stäbchenförmig, ihre Größe bewegt sich zwischen 20 bis 300 Nanometer.
Der Aufbau der Viren ist relativ einfach: Sie bestehen aus dem Erbgut, das von einem Proteinmantel umgeben ist, und manchmal noch aus einer Lipiddoppelschicht-Hülle. Das Virus-Genom enthält die benötigten Informationen zur Vermehrung und kann aus Desoxyribonucleinsäure (DNA) oder Ribonucleinsäure (RNA) bestehen. Zur Replikation heften sich Viren an ihre Wirtzelle und lassen letztendlich die benötigten Bausteine von der fremden Zelle bilden. Anschließend stirbt die Wirtszelle ab und setzt zahlreiche neue Viren frei.
Nanostrukturen als Virenfalle
Das Forschungsteam unter Leitung von Prof. Hendrik Dietz hat Nanostrukturen aus DNA-Material entwickelt, die Viren einfangen und unschädlich machen können. Aus DNA, der englischen Abkürzung für Desoxyribonucleinsäure, sind auch die menschlichen Gene aufgebaut. Die künstlich erzeugten Hohlkörper besitzen im Inneren Virus-bindende Moleküle und können so Viren fest an sich binden. Zu Beginn der Forschungsarbeiten waren die erhaltenen Körper zunächst noch zu klein, um Viren sicher einschließen zu können. Die Herausforderung bestand also darin, stabile Objekte in passender Größe konstruieren zu können, dies ist den Wissenschaftlern nun gelungen.
Baukastenprinzip
Die Hohlkörper zum Einfangen der Viren bestehen aus dreidimensionalen, dreieckigen DNA-Platten, damit sich diese Platten auch wirklich zu größeren geometrischen Gebilden zusammenbauen lassen, sind die Kanten etwas abgeschrägt. Sorgfältig ausgewählte Bindungsstellen an den Kanten sorgen dafür, dass sich die Platten von selbst zu den gewünschten Körpern zusammensetzen. Die benötigte Größe und auch die Form lässt sich durch die exakte Form der Dreiecksplatten vorgeben. Laut Aussage von Prof. Dietz können mittlerweile „Objekte mit bis zu 180 Untereinheiten in einer Ausbeute von 95 Prozent erzeugt werden“. Durch Variation der Bindungsstellen an den Kanten der Dreiecke ist es möglich, nicht nur geschlossene Kugeln, sondern auch geöffnete Kugeln oder Halbschalen zu erhalten. Um die DNA-Platten zu stabilisieren, werden die fertigen Körper mit UV-Licht bestrahlt und äußerlich mit Polyethylenglycol und Oligolysin behandelt.
Ermutigende Ergebnisse im Test
In Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Prof. Ulrike Protzer, Leiterin des Instituts für Virologie der TUM und Direktorin des Instituts für Virologie am Helmholtz-Zentrum München, testete das Team die konstruierten Virenfallen an Hepatitis-B-Viren und Adeno-assoziierten Viren. Eine einfache Halbschale mit passenden Antikörpern an der Innenseite als Bindungsstellen für die Viren konnte die getesteten Erreger deutlich blockieren. Das nächste Ziel der Wissenschaftler besteht nun darin, die Funktionsfähigkeit der Nanokörper aus DNA-Material an lebenden Mäusen zu testen. Im Erfolgsfall würden sich die Ausgangsmaterialien der Virenfallen biotechnologisch in Massenproduktion herstellen lassen und könnten einen enormen Fortschritt in der Therapie viraler Infektionen bedeuten.