Booster-Impfung: Ist eine dritte Dosis nötig?
Sind in der Corona-Pandemie bald Auffrischungsimpfungen nötig? Die Einschätzung der Impfstoffhersteller Pfizer und Biontech, dass eine zeitnahe dritte Dosis notwendig ist, stieß auf geteiltes Echo. „Es ist im Moment zu früh zu bestätigen, ob und wann eine Booster-Dosis bei Corona-Impfstoffen nötig sein wird“, antwortete die Europäische Arzneimittelagentur EMA. Auch Forschern und der Politik in Deutschland fehlt noch eine ausreichende Datengrundlage für Auffrischungsimpfungen. Bisher wird sie für Hochbetagte und Immungeschwächte als besonders gefährdete Risikogruppen diskutiert – aber noch nicht für alle.
Was sagen die Impfstoffhersteller Biontech/Pfizer?
Die Impfstoffhersteller Pfizer und Biontech hatten gemeinsam mitgeteilt, dass sie von einem Rückgang der Schutzwirkung ihrer Coronavirus-Vakzine ein halbes Jahr nach der zweiten Impfung ausgehen. Grundlagen seien unter anderem vom israelischen Gesundheitsministerium aus der praktischen Anwendung erhobene Daten. Auf dieser Basis sei es wahrscheinlich, „dass eine dritte Dosis innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach der vollständigen Impfung erforderlich sein wird“.
Bei ihrer laufenden Studie zu einer Booster-Impfung seien „ermutigende Daten“ zu beobachten. Bei 10.000 Teilnehmern, von denen die eine Hälfte den Impfstoff erhalte und die andere ein Placebo, sei die Zahl der Antikörper bei den Geimpften um das Fünf- bis Zehnfache höher als nach den ersten beiden Impfungen.
Experten äußern sich zurückhaltend
Für den Erlanger Infektionsimmunologen Christian Bogdan gibt es momentan allerdings keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz für die Aussage, dass eine dritte Impfung innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach abgeschlossener Grundimmunisierung notwendig werden könnte. Es sei zum Beispiel völlig normal, dass mit zunehmender Zeit nach einer vollständigen Grundimmunisierung die Serumspiegel der Antikörper gegen das Zielantigen der Impfung abnähmen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Daraus kann nicht automatisch ein Verlust der klinischen Schutzwirkung abgeleitet werden.“
Auch Leif Erik Sander, Infektionsimmunologe an der Berliner Charité, sieht in Auffrischungsimpfungen noch kein Allheilmittel. „Wir sollten uns darauf fokussieren, dass wir unsere Impfquoten hochbekommen“, sagte er. Das könne einen Schutz geben, der Booster nicht zeitnah nötig werden ließe – abgesehen von Bevölkerungsgruppen mit einem sehr hohen Infektionsrisiko. Für alle anderen könne man wahrscheinlich abwarten, wie viele Durchbruchsinfektionen es nach zwei Impfungen wirklich gebe und wie tolerierbar das sei.
Die US-Gesundheitsbehörden machten kurz nach dem Statement von Pfizer und Biontech deutlich, dass Amerikaner, die vollständig geimpft seien, derzeit keine Auffrischungsimpfung benötigten. Die Behörden untersuchten diese Frage, verließen sich dabei aber nicht ausschließlich auf Daten von Pharmafirmen.
Was sagt die Politik dazu?
Bund und Länder bereiten sich nach Angaben der Bundesregierung auf Auffrischungsimpfungen gegen Corona vor. Doch auch dem Bundesgesundheitsministerium reicht die Datenlage zur Empfehlung einer dritten Impfung noch nicht aus. Booster würden aber aller Wahrscheinlichkeit nach nötig sein. „Wir warten jetzt noch die Daten, die vorgelegt werden, ab, und entsprechend wird auch eine Empfehlung seitens der Ständigen Impfkommission dazu erfolgen“, hieß es. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte bereits zuvor grundsätzlich deutlich gemacht, dass bei Auffrischungsimpfungen als erstes wieder mobile Teams zu den besonders gefährdeten Pflegeheimbewohnern gehen sollten.
Ist eine Zulassung notwendig?
Der Einsatz von Boostern in der Praxis wäre wohl kein großes Problem. Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts kann die Ständige Impfkommission eine Drittimpfung mit einem zugelassenen Impfstoff ohne explizite Änderung anregen. Voraussetzung seien entsprechende Daten zum Nachlassen der Impfwirksamkeit oder einer generell schlechteren Wirksamkeit bei bestimmten Gruppen. Impfstoffe, die jenseits der bisherigen Zulassungen auf neue Varianten zugeschnitten würden, müssten aber weiterhin von der Europäischen Arzneimittelkommission grünes Licht bekommen. Nach Einschätzung von Immunologe Christian Bogdan wirkt auch die Vakzine von Biontech/Pfizer bisher gut gegen die Delta-Virusvariante. dpa/vs