Xofluza: Neues Grippemittel bald auch in Europa
Baloxavirmarboxil greift in einen sehr frühen Schritt der Vermehrung von Influenzaviren ein, dabei wirkt das Virostatikum sowohl gegen Influenza-A- als auch Influenza-B-Viren. Xofluza® verhindert als CAP-Endonucleasehemmer, dass Influenzaviren ihre messenger-RNA (mRNA) bilden können, die sie für ihre Proteinbiosynthese benötigen. Die Folge: Sowohl Strukturproteine, die beispielsweise für den Zusammenbau des Virus wichtig sind, als auch Nicht-Strukturproteine, die das Virus zum Beispiel benötigt, um in den Blutkreislauf ausgeschleust zu werden, fehlen. Baloxavirmarboxil ist ein Prodrug, das im menschlichen Körper in die eigentliche Wirkform Baloxavir umgewandelt wird.
Ab zwölf Jahren
Den Humanarzneimittelausschuss (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA überzeugten das Wirkprinzip und die Wirksamkeit von Baloxavir: Er rät zur Zulassung von Xofluza® auch in der Europäischen Union. Eingesetzt werden darf das neuartige Grippe-Arzneimittel, sofern die Europäische Kommission die Zulassung erteilt, zur akuten Behandlung von Influenza und auch zur Post-Expositionsprophylaxe jeweils bei Kindern ab zwölf Jahren und Erwachsenen.
Verkürzt Grippedauer und reduziert Ansteckung
Das CHMP erklärt: „Die Vorteile von Xofluza® liegen in der Fähigkeit, die Dauer von grippebedingten Symptomen bei Gesunden und bei Personen mit hohem Risiko für grippebedingte Komplikationen zu verkürzen.“ Das bewirbt Hersteller Roche auch auf der Homepage xofluza.com: „Wenn die Grippe unbehandelt bleibt, kann sie potenziell lebensbedrohlich sein. Mit verschreibungspflichtigem Xofluza® können Sie sich in etwas mehr als 2 Tagen besser fühlen“, und Roche fügt in den Fußnoten an, dass sich im Durchschnitt Patienten mit Baloxavir nach 2,3 Tagen besser fühlten, mit Placebo nach 3,3 Tagen. Das ist das Ergebnis der Phase-3-Studie Capstone-1, in der Baloxavir an Patienten ohne Begleiterkrankungen gegen Oseltamivir (Tamiflu®) und Placebo untersucht wurde.
Zulassungsrelevant war auch Capstone-2, eine weitere Phase-3-Studie, die Baloxavir an Patienten mit einem hohen Risiko für Influenzaerkrankungen, wie beispielsweise einem Alter ab 65 Jahren oder chronische Lungenerkrankungen, untersuchte. Die dritte zulassungsrelevante Studie nannte sich Blockstone, in ihr ging es um die Postexpositionsprophylaxe mit Xofluza® und die Frage, ob Baloxavir nach Kontakt mit Influenzainfizierten eine Ansteckung verhindert. In der Tat konnte Baloxavir die Ansteckungsrate verringern. Auch die EMA erklärt: „Nach einer Postexpositionsprophylaxe mit Xofluza® entwickelten signifikant weniger Probanden eine symptomatische Influenza.“ Zudem hätten die klinischen Studien keine größeren Nebenwirkungen festgestellt. Über Überempfindlichkeitsreaktionen sei in der Zeit nach dem Inverkehrbringen berichtet worden, darunter Anaphylaxie und weniger schwere Überempfindlichkeitsreaktionen wie Urtikaria und Angioödem.
Capstone-1, Capstone-2, Blockstone: die Studien
Capstone-1 untersuchte die Sicherheit und Wirksamkeit von Baloxavir an 1.436 Patienten ohne Begleiterkrankungen ab einem Alter von zwölf Jahren. Die Patienten wurden in drei Gruppen randomisiert: Gruppe eins erhielt Baloxavir, abhängig vom Körpergewicht in einer einmaligen Dosierung von 40 mg oder 80 mg. Patienten der Gruppe zwei nahmen zweimal täglich 75 mg Oseltamivir für fünf Tage und die letzte Gruppe erhielt Placebo.
Capstone-1 erreichte ihren primären Endpunkt – die Zeitspanne bis zur Besserung der Symptome. Bis zum Abklingen der Symptome vergingen bei den mit Baloxavir behandelten Grippepatienten 53,7 Stunden, in der Oseltamivir-Gruppe 53,8 Stunden und in der Placebo-Gruppe 80,2 Stunden. Verglichen mit Placebo konnte Baloxavir somit die Dauer der Krankheitssymptome um einen Tag verkürzen. Allerdings machten die Forscher auch eine weitere Beobachtung: So entwickelten sich in der Capstone-1-Studie bei 9,7 Prozent der Baloxavir-Patienten Mutationen, die für ein geringeres Ansprechen auf Baloxavir sorgten. Die klinischen Auswirkungen dieser Escape-Mutanten sind bislang nicht bekannt. Veröffentlicht wurde die Capstone-1-Studie im „New England Journal of Medicine“.
In der Capstone-2-Studie (Phase 3, multizentrisch, randomisiert, doppelblind) wurde die Wirksamkeit und Sicherheit einer Einzeldosis Xofluza® wie in Capstone-1 ebenfalls im Vergleich zu Placebo und Oseltamivir bei Personen im Alter von zwölf Jahren und älter geprüft. Diese hatten jedoch ein hohes Risiko für schwere Grippekomplikationen – ältere Menschen ab 65 Jahren, Menschen mit Asthma, chronischen Lungenerkrankungen, Adipositas oder Herzerkrankungen. 2.184 Teilnehmer erhielten entweder eine orale Dosis von 40 mg oder 80 mg Xofluza® (je nach Körpergewicht), Placebo oder Oseltamivir (75 mg zweimal täglich über fünf Tage). Das primäre Ziel der Studie war der Vergleich der Wirksamkeit von Baloxavir mit Placebo, dieser wurde erreicht: Unter Baloxavir besserten sich die Grippesymptome nach 73,2 Stunden, unter Placebo nach 102,3 Stunden und unter Oseltamivir nach 80 Stunden. Veröffentlicht wurde Capstone-2 im Fachjournal „The Lancet infestious diseases“.
Laut Blockstone, einer klinischen Phase-3-Studie (randomisiert, doppelblind, placebokontrolliert) reduzierte Baloxavir die Ansteckungsgefahr mit Influenzaviren nach Grippekontakt. Getestet wurde die Wirksamkeit von Baloxavir als Post-Expositionsprophylaxe in der Grippesaison 2018/19 in Japan, und zwar an nicht infizierten Kindern und Erwachsenen, die jedoch einem influenzainfizierten Haushaltsmitglied ausgesetzt (exponiert) waren. In der Studie wurde Baloxavir gegen Placebo getestet. Baloxavir nahmen die Probanden einmalig oral ein, dosiert wurde Baloxavir nach Körpergewicht. Laut Roche erreichte die Blockstone-Studie ihren primären Endpunkt, dem die Frage zugrunde lag: Bei wie vielen Personen konnte eine Influenzainfektion, Fieber und grippetypische Symptome mit oder ohne Baloxavir nachgewiesen werden? 1,9 Prozent der Baloxavir-Behandelten hatten einen positiven Influenzatest (innerhalb von zehn Tagen), in der Placebogruppe waren es 13,6 Prozent. Gemessen wurde mit einem Influenzaschnelltest. Laut den Studiendaten war Baloxavir ähnlich gut verträglich wie Placebo, die Häufigkeit der unerwünschten Ereignisse lag bei Baloxavir bei 22,2 Prozent, bei Placebo bei 20,5 Prozent. Die Studie wurde im New Enland Journal of Medicine veröffentlicht.