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Rezeptfrei bei Heuschnupfen: Nasale Glucocorticoide einfach austauschbar?

Corticoid-Nasensprays sind die erste Wahl bei Heuschnupfen. Beclometason, Fluticason und Mometason sind zu diesem Zweck rezeptfrei in Apotheken erhältlich. | Bild: Jürgen Kottmann / Adobe Stock

Wie lässt sich Heuschnupfen am besten lindern? Nasale Glucocorticoide gelten als Mittel der ersten Wahl bei allergischer Rhinitis (Heuschnupfen), das erklärt die Britische Leitlinie zur Diagnose und Therapie der allergischen und nicht-algerischen Rhinitis der British Society for Allergy & Clinical Immunology (BSACI). Mit dieser Einschätzung sind die Briten nicht allein: Laut einem Beitrag im International Forum of Allegro & Rhinology (Februar 2018) verringern intranasale Glucocorticoide heuschnupfenbedingte allergische Symptome der Augen sowie der Nase und sind wirksamer als orale Antihistamine (z. B Cetirizin, Loratadin) und Leukotrienrezeptorantagonisten (z. B. Montelukast in Singulair® und Generika). Nasale Glucocorticoide wirken gut gegen Niesen, eine verstopfte sowie laufende Nase und lindern den nasalen Juckreiz, fasste die US-amerikanische Leitlinie „Clinical Practice Guideline: Allergic Rhinitis“ bereits vor Jahren zusammen. Eine neue deutsche Leitlinie „Allergische Rhinitis“ ist gerade in Arbeit, fertiggestellt sein soll sie laut Plan Ende März 2021.

Glucocorticoid-Nasensprays sind bei vielen Patienten Präparate der ersten Wahl, da sie zu einer wesentlichen Besserung der Nasen- und Augenbeschwerden führen. Alle nasalen Symptome einschließlich Obstruktion werden stärker reduziert als mit H1-Antihistaminika, auch wird die Konzentration von Entzündungsmediatoren nachhaltig verringert.“

Zitat aus Mutschler Arzneimittelwirkungen:

Rx und OTC

Nasale Glucocorticoide gibt es mit den Wirkstoffen Beclometason, Budesonid, Flunisolid, Fluticason und Mometason. Während Budesonid (z. B. Aquacort®) und Flunisolid (Syntaris® Nasenspray) durchweg verschreibungspflichtig ist, sind von Beclometason mit Ratioallerg® Heuschnupfenspray, von Fluticason (Fluticasonpropionat) mit Otri-Allergie® Nasenspray und von Mometason mit Mometahexal® Heuschnupfenspray oder Mometason-ratiopharm® Heuschnupfenspray auch rezeptfreie Arzneimittel gegen allergische Rhinitis in der Apotheke verfügbar.

Wann sind Beclometason, Fluticason und Mometason rezeptfrei? 

Grundsätzlich sind Glucocorticoide verschreibungspflichtig. Bestimmte Wirkstoffe können jedoch in bestimmten Anwendungsgebieten und für bestimmte Personen von der Rezeptpflicht ausgenommen werden, diese Wirkstoffe finden sich in Anlage 1 der Arnzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV).

Zur intranasalen Anwendung sind Beclometason, Fluticason und Mometason auch rezeptfrei erhältlich, jedoch nur für Erwachsene und nur zur Behandlung der saisonalen allergischen Rhinitis, nachdem ein Arzt die Diagnose einmal gestellt hat. Die maximale Tagesdosis liegt bei Beclometason bei 400 Mikrogramm am Tag und bei Fluticason sowie Mometason bei 200 Mikrogramm täglich.

Gleich wirksam

Was, wenn die Heuschnupfengeplagten einmal kein Rezept vom Arzt holen möchten? Können die Wirkstoffe dann einfach gegeneinander ausgetauscht werden? Diese Frage erreichte wohl auch das Arzneitelegramm. Apotheker Bernd Niklas hat sich für die medizinische Fachzeitschrift, die eigenen Angaben zufolge „neutral, unabhängig und anzeigenfrei“ ist, die nasalen Glucocorticoide angeschaut.

Hinsichtlich der Wirksamkeit können die einzelnen nasalen Corticosteroide nach Recherchen des Arzneitelegramms als „vergleichbar“ eingestuft werden.

OTC auch verordnen lassen?

Apothekenpflichtige Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig sind, erstattet die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für Kinder ab zwölf Jahren und Erwachsene seit 1. Januar 2004 nicht mehr. Eigentlich. Denn es gibt Ausnahmen, und unter bestimmten Voraussetzungen sind verschreibungsfreie Arzneimittel zu Lasten der GKV verordnungsfähig, wenn sie Standardtherapeutika zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen sind. Geregelt wird dies in Anlage I zur Arzneimittel-Richtlinie „Zugelassene Ausnahmen zum gesetzlichen Verordnungsausschluss nach  § 34 ABS. 1 Satz 2 SGB V“, auch „OTC-Übersicht“ genannt oder „OTC-Ausnahmeliste“. Dort finden sich auch nasale Glucocorticoide. „Glucocorticoide, topisch nasal“ erstattet die GKV „nur zur Behandlung bei persistierender allergischer Rhinitis mit schwerwiegender Symptomatik“. Das bedeutet: Auch ein corticoidhaltiges OTC-Nasenspray kann für Erwachsene auf einem „rosa“ Rezept verordnet werden und die Apotheke kann die Verordnung zulasten der GKV abrechnen. Ob die Indikation für eine Verordnung zulasten der GKV, sprich eine „allergische Rhinitis mit schwerwiegender Symptomatik“, vorliegt, muss die Apotheke nicht prüfen.

Keine Vor- und Nachteile bei lokalen Nebenwirkungen

Auch bei den lokalen unerwünschten Arzneimittelwirkungen gibt es keine Unterschiede: Laut Fachinformation zu Otri-Allergie® Nasenspray mit Fluticason zählt Nasenbluten zu den sehr häufigen und Trockenheit der Nase, gereizte Nase, Trockenheit im Rachen, Rachenreizung sowie Kopfschmerzen, unangenehmer Geschmack und unangenehmes Geruchsempfinden zu den häufigen Nebenwirkungen. Das deckt sich mit den Nebenwirkungen, die in den Fachinformationen bei beispielsweise Mometason-ratiopharm® Heuschnupfenspray und Syntaris® beschrieben sind.

Auch in einem Fachbeitrag im International Forum of Allegro & Rhinology schreiben die Wissenschaftler, es komme bei längerfristiger Anwendung nasaler Glucocorticoide häufiger zu Nasenbluten als unter Placebo. Zudem weisen sie auf eine systemische Nebenwirkung hin: Nasale Corticoide könnten kurzfristige negative Auswirkungen auf das kindliche Wachstum haben, inwiefern sich dies auf die finale Körpergröße als Erwachsener auswirke, sei „unklar“.

Wachstumshemmung durch Cortison-Nasensprays?

Auch das Arzneitelegramm hat sich mit den möglichen Nebenwirkungen der Cortison-Nasensprays auf das Wachstum bei Kindern beschäftigt. Diese Überlegungen sind auch für Apotheker und PTA relevant, selbst wenn die nasalen Glucocorticoide im OTC-Sortiment ausschließlich für Erwachsene zugelassen sind: Das Längenwachstum gilt erst mit dem vollständigen Schluss der Epiphysenfugen im 19. Lebensjahr als abgeschlossen. Zudem dient es – da Wachstum leicht messbar ist – als Indikator beziehungsweise Surrogatparameter für systemische Nebenwirkungen generell, auch bei Erwachsenen. Die Idee: Werden die nasalen Glucocorticoide in einem Maß vom Körper aufgenommen, dass sie bei Kindern das Wachstum beeinträchtigen, muss man davon ausgehen, dass sie auch bei Erwachsenen zu systemischen Nebenwirkungen führen (beispielsweise Osteoporose).

Gute Studien dazu gibt es kaum, häufig haben sie an einem oder mehreren Punkten Schwächen – zu geringe Teilnehmerzahl, sehr geringe Corticoiddosis oder unterschiedlich alte Kinder in den einzelnen Gruppen. Gute Daten gibt es zum verschreibungspflichtigen Fluticasonfuroat (Avamys®), das nach Gabe von 110 Mikrogramm täglich (maximale Dosis für Kinder von 4 bis 11 Jahre 200 Mikrogramm pro Tag) über ein Jahr die Wachstumsrate um 0,27 cm verringerte. Die Daten ließen auf einen zumindest geringen systemischen Effekt schließen, der derzeit auch für die anderen nasalen Glucocorticoide angenommen werden müsse, für die entsprechende Studien bislang jedoch fehlten, so das Arzneitelegramm.

OTC-Cortison-Nasensprays: Wechsel „problemlos möglich“

Bei den in Apotheken auch rezeptfrei erhältlichen nasalen Glucocorticoiden Beclometason, Fluticason und Mometason ist nach Ansicht des Arzneitelegramms „ein Wechsel zwischen verschiedenen Wirkstoffen (…) in der Regel problemlos möglich.“ Es gebe keine wesentlichen Vor- und Nachteile zwischen den einzelnen Wirkstoffen. Demnach dürften alle OTC-Präparate gleichberechtigt empfohlen werden, wenn Heuschnupfengeplagte einmal kein Rezept vom Arzt holen möchten.