Zyankali im „Tatort“ Münster: Was ist Kaliumcyanid und darf es in der Apotheke abgegeben werden?
Was ist Kaliumcyanid und wieso ist es so giftig?
Kaliumcyanid (KCN), „der Laie sagt Zyankali“, wie auch Tatort-Rechtsmediziner „Boerne“ anmerkte, ist das Kaliumsalz der Blausäure und ein starkes, rasch wirksames Gift. Zyankali ist sehr giftig beim Einatmen, Verschlucken und bei Berührung mit der Haut. Die tödliche Dosis (LD) liegt bei circa 2 bis 3 mg pro kg Körpergewicht (je nach Empfindlichkeit, Magenfüllung und Azidität). Kommt die Substanz mit einer Säure (es reicht dazu schon eine sehr schwache Säure), z. B. der Magensäure, in Kontakt, entsteht die hochtoxische Blausäure, die in den Zellen die Zellatmung blockiert. Bei einer Vergiftung können die Zellen den lebensnotwendigen Sauerstoff nicht mehr verwerten. Der Tod tritt durch innere Erstickung ein. Künstliche Beatmung und Sauerstoffgabe können bei frühzeitiger Behandlung lebensrettend sein. Bei einer Cyanidvergiftung wird der Methämoglobinbildner 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP) als Antidot eingesetzt.
Die Hälfte aller Menschen kann Bittermandelgeruch nicht riechen
Zurück zum „Tatort“: „Wenn etwas mit Kaliumcyanid versetzt wurde, dann riecht es nach Bittermandel“, klärt Boerne seinen Kollegen, Hauptkommissar Thiel, über die Leiche gebeugt auf. Im Mülleimer der Küche werden sie nach einer Weile dann fündig: In einer Lakritzdose riecht es nach Kaliumcyanid. „Erbärmlich“, findet Kollegin Nadeshda Krusenstern, die ebenfalls am Tatort ist, den Geruch. Thiel hingegen riecht absolut gar nichts. Das sei genetisch bedingt, merkt Boerne an. Thiel sei nicht in der Lage, Bittermandel wahrzunehmen. Aber keine Sorge: „Das teilen Sie mit der Hälfte der Menschheit.“ Der sogenannte Bittermandelgeruch der Blausäure wird von 20 bis 60 % aller Menschen – genetisch bedingt – nicht wahrgenommen.
Und wie sieht es aus mit der Abgabe von Kaliumcyanid in der Apotheke?
Im Verlauf der Ermittlungen gerät auch ein ehemaliger Apothekenmitarbeiter aus dem Umfeld des Getöteten ins Visier der Ermittler: „Der hat eine Ausbildung in einer Apotheke gemacht – der kommt doch leicht an Zyankali“, heißt es in der Tatort-Episode. Viele Apotheken scheuen sich jedoch, gefährliche Stoffe wie Kaliumcyanid abzugeben. Prinzipiell dürfen Apotheken Chemikalien abgeben. In einigen Fällen kann der Verwendungszweck ausschlaggebend dafür sein, ob ein Stoff abgegeben werden darf oder nicht.
Wird in der Apotheke eine Chemikalie abgegeben, sind folgende Vorschriften zu beachten:
- Chemikalienverbotsverordnung
- Gefahrstoffverordnung
- Verordnung (EG) 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung)
- Verordnung (EG) Nr. 98/2013 über die Vermarktung und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe
- Vorschriften zur Grundstoffüberwachung
Kaliumcyanid unterliegt der Anlage 2 der Chemikalienverbotsverordnung (ChemVerbotsV). Das bedeutet, es gelten besondere Anforderungen für die Abgabe. Die Abgabe von Stoffen oder Gemischen, für die in Anlage 2 auf diese Vorschrift verwiesen wird, darf nur von einer in der Apotheke beschäftigten, sachkundigen Person durchgeführt werden. Die Abgabe darf nur durchgeführt werden, wenn die Person, an die das Kaliumcyanid abgegeben wird bekannt ist oder wenn sich die Apotheke vom Erwerber hat bestätigen oder durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachweisen lassen, dass dieser die Stoffe oder Gemische in erlaubter Weise verwenden oder weiterveräußern will und die rechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt und keine Anhaltspunkte für eine unerlaubte Verwendung oder Weiterveräußerung vorliegen. Die abgebende Person in der Apotheke muss den Erwerber unterrichten über
a) die mit dem Verwenden des Stoffes oder des Gemisches verbundenen Gefahren,
b) die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen beim bestimmungsgemäßen Gebrauch und für den Fall des unvorhergesehenen Verschüttens oder Freisetzens sowie
c) die ordnungsgemäße Entsorgung. Im Fall der Abgabe an eine natürliche Person muss diese mindestens 18 Jahre alt sein.
Für die Abgabe von Stoffen und Gemischen, auf die in Anlage 2 ChemVerbotsV verwiesen wird, ist ein Abgabebuch zu führen. Das Abgabebuch kann auch in elektronischer Form geführt werden.
(2) Die abgebende Person hat bei der Abgabe
- die Identität des Erwerbers, im Falle der Entgegennahme durch eine Empfangsperson die Identität der Empfangsperson und das Vorhandensein der Auftragsbestätigung, aus der der Verwendungszweck und die Identität des Erwerbers hervorgehen, festzustellen,
- in dem Abgabebuch für jede Abgabe zu dokumentieren:
a) die Art und Menge der abgegebenen Stoffe oder Gemische,
b) das Datum der Abgabe,
c) den Verwendungszweck,
d) den Namen der abgebenden Person,
e) den Namen und die Anschrift des Erwerbers,
f) im Fall der Entgegennahme durch eine Empfangsperson zusätzlich den Namen und die Anschrift der Empfangsperson und g) im Fall der Abgabe an öffentliche Forschungs-, Untersuchungs- oder Lehranstalten zusätzlich die Angabe, ob die Abgabe zu Forschungs-, Analyse- oder Lehrzwecken erfolgt, und - dafür zu sorgen, dass der Erwerber oder die Empfangsperson den Empfang des Stoffes oder Gemisches im Abgabebuch oder auf einem gesonderten Empfangsschein durch Unterschrift oder durch eine handschriftliche elektronische Unterschrift bestätigt.
Im Alltag wird es selten vorkommen, dass Kaliumcyanid in der Apotheke verlangt und tatsächlich auch abgabefähig ist. Eingesetzt wird es vor allem in galvanischen Bädern bzw. zur Goldgewinnung. Ausgeschlossen ist es jedoch nicht. Die Deutsche Apotheker Zeitung berichtete zum Beispiel von einem Fall, bei dem ein Juwelier in einer Apotheke in Süddeutschland drei Gramm „Zyankali“ zum Reinigen eines wertvollen Schmuckstückes aus Gold verlangte.
Wer darf Chemikalien in der Apotheke abgeben?
Die neue Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV) gilt seit dem 27. Januar 2017. Mit der neuen ChemVerbotsV wurde unter anderem die Sachkunde für abgebende Personen neu geregelt. Apotheker und Angehörige des pharmazeutischen Personals (Apotheker, Apothekerassistent, Pharmazieingenieur, PTA, Apothekenassistent) sind aufgrund ihrer Ausbildung gemäß § 11 (ehemals § 5) ChemVerbotsV sachkundig. Neu ist, dass dieser Sachkundenachweis spätestens nach sechs Jahren durch eine eintägige Fortbildung erneuert werden muss. Durch die in § 14 ChemVerbotsV festgelegten Übergangsvorschriften ist dieser Nachweis seit dem 1. Juni 2019 vom pharmazeutischen Personal mit einer Qualifikation, die mehr als sechs Jahre zurückliegt, zu erbringen, wenn die- oder derjenige in der Apotheke Chemikalien abgibt, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Zur Verlängerung der Gültigkeit der Sachkunde ist eine Bescheinigung über die Teilnahme an einer längstens sechs Jahre zurückliegenden, eintägigen Fortbildungsveranstaltung vorzulegen.