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Methadon in der Tumortherapie – Studie beginnt 2020

In einer Therapiestudie soll die Wirkung von Methadon bei metastasiertem Kolonkarzinom getestet werden. | Bild: M.Rode-Foto / Adobe Stock

2017 hatten Medienberichte über Theraphieerfolge bei eigentlich austherapierten Krebspatienten, wenn sie zusätzlich zur Chemotherapie mit Methadon behandelt werden, einen wahren Methadonhype ausgelöst. Diese „Wunderheilungen“ werden, anders als in anderen Fällen, tatsächlich durch experimentelle Arbeiten gestützt, insbesondere die der Ulmer Chemikerin Dr. Claudia Friesen.

Seitdem streitet sich die Fachwelt über die Wirksamkeit oder Nicht-Wirksamkeit von Methadon in der Krebstherapie – teils wird die jeweilige Position auch mit Zellstudien untermauert, die dann von der anderen Seite zerrissen werden. Fachgesellschaften äußern sich sehr zurückhaltend und warnen vor Therapieversuchen außerhalb von klinischen Studien.

Zur Erinnerung: Was ist Methadon?

Bei Methadon handelt es sich um ein vollsynthetisch hergestelltes Opioid, das sowohl als starkes Schmerzmittel (Stufe III im Stufenschema der WHO) als auch zur Substitutionstherapie eingesetzt wird. Methadon bindet als Agonist an μ-Opioid-Rezeptoren und zeichnet sich – im Vergleich zu Morphin – durch eine stärkere und länger anhaltende Wirkung aus.

Petition forderte staatlich finanzierte Methadon-Studien

Denn prospektive klinische Studien, die eindeutig belegen, dass die Therapieerfolge tatsächlich dem Synergismus von Methadon und Zytostatika zu verdanken sind, fehlen bislang. Eine Petition, die 2018 mehr als 53.000 Menschen in der Bundesrepublik unterstützt hatten, hatte gefordert, dass Forschungsgelder aus öffentlicher Hand gezielt für klinische Studien zum Einsatz von D,L-Methadon (Methadonhydrochlorid) bei der Behandlung von Krebspatienten unterschiedlichster Tumorerkrankungen zur Verfügung gestellt werden sollen.

Im Juli 2019 hatte sich der Petitionsausschuss einstimmig auf ein Votum für die Methadon-Petition geeinigt. Die positive Wirkung von Methadon in der Krebsbehandlung müsse in klinischen Studien bestätigt werden. Man bat daraufhin das BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung), sich der Sache anzunehmen. Dieses müsse spätestens nach einem Jahr dem Petitionsausschuss vorlegen, welche konkreten Schritte gegangen wurden. Noch gibt es keinen endgültigen Beschluss zur staatlichen Finanzierung.

Deutsche Krebshilfe fördert mit 1,6 Millionen Euro

Doch es kam von anderer Stelle Unterstützung: Wie im Oktober 2019 bekannt wurde, hat sich die Deutsche Krebshilfe entschlossen, eine umfangreiche Therapiestudie mit Methadon an der Universitätsklinik Ulm mit 1,6 Millionen Euro zu fördern. Eingeschlossen werden sollen Patienten mit Metastasierten Kolonkarzinom (Dickdarmkrebs), die auf eine Chemotherapie nicht mehr ansprechen (Chemorefraktär) – in der Diskussion zuvor war es hauptsächlich um die Wirksamkeit beim Glioblastom (aggressiver Hirntumor) gegangen. Allerdings hatte Prof. Dr. Thomas Seufferlein, der Ärztliche Direktor der Klinik für Innere Medizin I der Ulmer Uni und Leiter der aktuellen Studie, bereits 2017 angekündigt, Studien zum Effekt von Methadon bei chemorefraktären kolorektalen Karzinomen konzipieren und zur Förderung einreichen zu wollen.

Keine Übertragbarkeit auf andere Tumorarten

„Wir wollen untersuchen“, so Professor Seufferlein, „ob Methadon bewirken kann, dass auch bei Patienten mit fortgeschrittenem Darmkrebs bestimmte Chemotherapeutika besser in die Krebszellen eindringen und dadurch effektiver wirken können.“ Die Betonung liegt für den Mediziner auf „ob“: „Ich sehe die Studie wirklich komplett ergebnisoffen.“ Zudem würden Resultate allein für die Situation eines fortgeschrittenen Dickdarmkrebses und nicht für andere Tumorarten sowie allein für das konkrete Chemotherapeutikum und die konkrete Dosierung von Methadon gelten. „Man kann die Ergebnisse dann weder in die eine noch in die andere Richtung generalisieren.“

Forschung auch für andere Krebsarten wünschenswert

Professor Wolfgang Wick, Direktor der Neurologischen Uniklinik Heidelberg und Leiter einer Forschungsabteilung am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), ist einer der größten Kritiker der Methadon-Hypothese und der nun in Ulm durchgeführten Studie – er hatte eine der Zellkulturstudien publiziert, mit der er die Wirksamkeit widerlegt wissen wollte. „Die Idee, dass man da mit einer zusätzlichen Behandlung eine gewisse Chemosensibilisierung erreicht, finde ich beim Darmkrebs plausibler als bei Hirntumoren.“ Wünschenswert wäre es, so der Professor, dass auch entsprechende Forschungen zu Hirntumoren sowie zu anderen Krebsarten stärker gefördert würden.

Studienergebnisse für 2022 erwartet

Die Studie soll im März/April 2020 starten. Seufferlein rechnet längerfristig mit jeweils etwa 30 Patienten, die neben der Chemotherapie auch Methadon erhalten, im Vergleich zu anderen, die – wie bislang üblich – mit Chemotherapie sowie bei Bedarf mit Morphium oder anderen Schmerzmitteln behandelt werden. Erste belastbare Resultate könnten frühestens Anfang 2022 vorliegen.

Friesen: Staatliche Finanzierung dringend nötig

Mit den Geldern der Deutschen Krebshilfe ist zumindest ein Anfang gemacht. In den Augen von Dr. Claudia Friesen ist es damit aber nicht getan. „Wir brauchen mehr klinische Studien, um prüfen zu können, ob sich das Wachstum von Tumoren oder die Bildung weiterer Metastasen mit Methadon auch bei anderen Krebsarten besser eindämmen lassen als allein mit Chemotherapeutika“, sagt sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Ergebnisse bei einer Krebsart können nicht auf andere übertragen werden. Deshalb ist die staatliche Finanzierung dringend nötig.“Quelle: dpa / jb/ sn