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USA begrenzt OTC-Loperamid wegen Überdosierung: Mehr Sicherheit beim Durchfallmittel Loperamid

In den USA darf Loperamid künftig nur noch in Blistern und bis maximal 48 mg pro Packung als OTC-Arzneimittel in den Apotheken verkauft werden. Anlass sind anhaltende Meldungen durch meist missbräuchliche Überdosierungen. | Bild: Tupungato / Adobe Stock

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) begrenzt Loperamid: Nur noch in Blistern (keine Mehrdosenbehältnisse mehr) und bis maximal 48 mg Loperamid pro Packung dürfen Apotheken in den USA das Arzneimittel gegen Durchfall (Antidiarrhoikum) rezeptfrei – also im Rahmen der Selbstmedikation – künftig abgeben. Grund für die verschärften Sicherheitsmaßnahmen in den Vereinigten Staaten ist, dass nach wie vor schwere Nebenwirkungen durch Überdosierung auftreten und an die FDA gemeldet werden. Überdosierungen passieren jedoch nach Erfahrung der Arzneimittelbehörde meist nicht versehentlich.

Versehentliche Überdosierungen?

Die FDA weiß, dass die meisten Fälle von Loperamid-Überdosierungen nicht versehentlich passieren. Laut FDA nimmt ein Großteil der Patienten mit Überdosierungssymptomen das Durchfallmittel missbräuchlich ein – beispielsweise um Symptome eine Opioidentzugs selbst zu behandeln oder Euphoriegefühle hervorzurufen. Missbrauch von Loperamid: Diese Beobachtung ist nicht neu – bereits 2016 warnte die FDA, dass Loperamid bei Überdosierungen schwere Herzprobleme, wie Herzrhythmusstörungen und Herzstillstand, verursachen kann, die unter Umständen tödlich enden können. Allerdings fruchteten die Warnungen offensichtlich nicht ausreichend, weswegen die FDA nun risikovermindernde Maßnahmen angeordnet hat. 

Mit den nun getroffenen Maßnahmen will die FDA einen Mittelweg beschreiten: Sie will einerseits die Sicherheit von Loperamid-Produkten erhöhen, andererseits den rezeptfreien Zugang zu Loperamid für Patienten nicht einschränken, die das Antidiarrhoikum bestimmungsgemäß – in der zugelassenen Dosierung und Verwendung – einnehmen. Explizit bittet die FDA Online-Apotheken, diese Maßnahmen nicht zu konterkarieren und nicht mehr als eine Packung zu verkaufen.

Wie wirkt Loperamid?

Loperamid wird zur Behandlung von Durchfallerkrankungen eingesetzt. Der Arzneistoff greift im Darm an den gleichen Bindungsstellen an, an denen auch Opioide (beispielsweise Morphin) wirken, und hemmt auf diese Art die Peristaltik, sprich: die Bewegung des Darmes. Dadurch wird die Weiterleitung des Darminhaltes verlangsamt, sodass mehr Zeit für die Aufnahme von Flüssigkeit und Salzen (Elektrolyten) im Darm bleibt und diese nicht mit dem dünnflüssigen Stuhl ausgeschieden werden. 

Loperamid greift zwar an den gleichen Rezeptoren (Bindungsstellen) wie Opioide an, im Gegensatz zu den Opioidwirkstoffen, die auch im zentralen Nervensystem (ZNS) wirken und schmerzhemmend sind, bleibt jedoch die Wirkung von Loperamid auf den Darm begrenzt. Das bedeutet: Die mit Opioiden in Verbindung gebrachten euphorisierenden, berauschenden und angstdämpfenden Wirkungen bleiben aus.

Missbrauch von Loperamid

Warum nehmen Menschen eigentlich zu viel Loperamid ein – es ist schließlich ein Durchfallmittel und kein Schmerz- oder Schlafmittel oder ein Antidepressivum. 
Der Grund hierfür liegt im Angriffspunkt von Loperamid, den Opioidbindungsstellen. Eigentlich wirkt Loperamid durch die fehlende ZNS-Gängigkeit nicht berauschend – allerdings kann dies durch hohe Dosierungen umgangen werden. Das bedeutet: Loperamid kann in sehr hohen Dosen, also bei Überdosierung, als Rauschmittel missbraucht werden. Heute geht man außerdem davon aus, dass die Wirkung von Loperamid bei richtiger Einnahme zwar auf den Darm beschränkt ist, aber Loperamid durchaus ins Zentralnervensystem (es überwindet die Blut-Hirn-Schranke) gelangen kann – es wird allerdings sofort wieder (durch P-Glykoprotein, PGP) heraustransportiert. 
Wird nun jedoch dieser Transporter P-Glykoprotein blockiert – zum Beispiel durch gleichzeitige Einnahme von Loperamid mit bestimmten PGP-hemmenden Arzneimitteln wie Verapamil (Arzneistoff bei Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck) oder dem Antidepressivum Doxepin – verbleibt Loperamid im ZNS, bindet dort an Opioidrezeptoren und kann sodann auch berauschend und euphorisierend wirken. Neben den aufgelisteten Wirkstoffen zählt auch Chinin, das etwa in Tonic Water enthalten ist, zu den PGP-Inhibitoren.

Wie ist die Lage in Deutschland?

Auch in Deutschland dürfen PTA und Apotheker Loperamid (Imodium® und Generika) zur symptomatischen Behandlung von Durchfall rezeptfrei abgeben. Allerdings sind die Tagesgesamtdosis und die Packungsgröße begrenzt. So dürfen im Rahmen der Selbstmedikation bei akuter Diarrrhö (Durchfall) maximal Packungen mit 24 mg Loperamid (maximal 12 Tabletten oder Kapseln) dem Durchfallpatienten mitgegeben werden, pro Tag liegt die höchste Dosis bei 12 mg (sechs Tabletten oder Kapseln). Zugelassen in der Selbstmedikation von Durchfall ist Loperamid erst für Jugendliche ab einem Alter von zwölf Jahren. 
Die Vereinigten Staaten sind bei Loperamid nur teilweise strenger als Deutschland, denn die maximale Packungsgröße für OTC-Loperamid (OTC=Over the counter, sprich ohne Rezept) darf maximal das Doppelte der in Deutschland genehmigten Wirkstoffmenge enthalten: 48 mg. Allerdings ist die Tageshöchstdosis in den USA kleiner als in Deutschland. Patienten dürfen in der Selbstmedikation maximal 8 mg Loperamid pro Tag nehmen.

Erhöhte Sicherheitsmaßnahmen auch in Deutschland

Auch in Deutschland gelten seit dem 2. April 2019 strengere Maßnahmen für Loperamid. Anlass war ein europäisches, die periodischen Sicherheitsberichte bewertendes Verfahren, bei dem der Risikoausschuss für Arzneimittel PRAC der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) bei Überprüfung der Literatur und spontaner Meldungen zu dem Schluss gelangt ist, dass ein Kausalzusammenhang zwischen Herzrhythmusstörungen und Loperamid nicht ausgeschlossen werden kann.