Syphilis: Infektionszahlen steigen
Ein Kratzen im Hals, und schon bricht bei vielen Panik aus. Es wird Tee gekocht, Halstabletten besorgt und der Hausarzt kontaktiert.
Doch wenn es um intime Beschwerden geht – ein Jucken oder Brennen unterhalb der Gürtellinie – herrscht oft unangenehmes Schweigen. Es scheint, als ob die leisen SOS-Signale unserer Intimzone in der Scham versickern, bevor sie rechtzeitig die Arztpraxis erreichen.
Steigende Zahlen an Syphilis bereiten Sorge
Die Deutsche STI-Gesellschaft berichtet von zunehmenden Fällen sexuell übertragbarer Infektionen (STI) in Deutschland, insbesondere der Syphilis. „Insgesamt kann man sagen, dass Syphilis seit dem Jahr 2000 zunimmt. Damals waren es noch 800 Fälle, heute sind es über 8.000“, erklärt Norbert Brockmeyer, Präsident der STI-Gesellschaft.
Die sexuell übertragbare Krankheit, die nur beim Menschen auftritt, konnte bisher in keinem Land ausgerottet werden. In Deutschland war es zwar seit Ende der 1970er-Jahre in West und Ost zu einem Rückgang der Syphilis gekommen, die zu den frühen meldepflichtigen Erkrankungen gehört und deren Verbreitung deshalb gut bekannt ist. Nach dem Auftreten von AIDS (Mitte der 1980er-Jahre) hatte sich der Rückgang weiter beschleunigt.
Seit dem Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2001 ist es dann in Gesamtdeutschland zu einem Anstieg der Erkrankungen gekommen. Zwischenzeitlich stabilisierten sich die Zahlen in den Jahren 2004 und 2008 auf einem Niveau von etwa 4.000 pro Jahr, 2009 gingen sie sogar leicht zurück.
Seit 2010 steigen die Zahlen jedoch kontinuierlich an, abgesehen von einem Rückgang in den Corona-Jahren 2020/2021. Im Jahr 2022 wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) 8.305 Syphilisfälle gemeldet. Mit einem Anstieg von 1.560 Fällen gegenüber 2021 (23,1 %) hat die Anzahl der Syphilisfälle in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht.
Zur Erinnerung: Was ist Syphilis?
Bei Syphilis handelt es sich um eine chronische Infektionskrankheit, die zur Gruppe der sexuell übertragbaren Erkrankungen gehört. Der Erreger ist das Bakterium Treponema pallidum ssp. pallidum.
Übertragung:
Die Übertragung der Syphilis erfolgt durch engen körperlichen Kontakt. Prinzipiell kann jede Art von Schleimhautkontakt zur Übertragung führen. Hauptübertragungsweg ist jedoch der (hetero- oder homosexuelle) Geschlechtsverkehr. Die Syphilis kann dabei auch durch Oralverkehr und Küssen übertragen werden. Der Erreger nutzt kleinste Haut- oder Schleimhautläsionen in Vagina, Mundhöhle oder Anus, um in den Körper einzudringen.
Ein weiterer möglicher Übertragungsweg sind kontaminierte Kanülen oder Blutprodukte.
Der Syphilis-Erreger kann ab der 12. Schwangerschaftswoche auch diaplazentar auf das ungeborene Kind übertragen werden. Dieser Infektionsweg ist in Deutschland aufgrund der bestehenden Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft aber eher die Ausnahme.
Symptome:
Erste Anzeichen und Symptome können im Zeitraum von fünf bis 21 Tagen bis zu drei Monaten nach der Ansteckung auftreten. Jedoch kommt es nur bei etwa jeder zweiten Infektion auch zu Symptomen.
Zunächst entsteht etwa zehn bis 19 Tage nach der Infektion an der Eintrittspforte des Erregers – also beispielsweise am Penis oder an den Schamlippen – ein schmerzloses Geschwür mit hartem, gerötetem Rand (Ulkus durum). Die Symptome des ersten Stadiums können unentdeckt bleiben und verschwinden in der Regel ohne Behandlung nach vier bis sechs Wochen wieder.
Im Sekundärstadium der Erkrankung sind die Symptome sehr unspezifisch und reichen von Abgeschlagenheit, Fieber, Kopfschmerzen bis hin zu Gelenk- und Muskelschmerzen sowie einem meist nicht juckenden Hautausschlag.
Im dritten Stadium kann sich die Syphilis als bleibende Schädigung von Herz, Gehirn, Knochen, Haut und anderen Organen manifestieren. Durch Antibiotikabehandlung ist dieses Stadium jedoch selten geworden.
Nach der Infektion folgt meist eine monate- bis jahrelange Phase, in der die Krankheit fortschreitet, ohne dass Symptome auftreten. Häufig kommt es vor allem zu Schädigungen des Nervensystems.
Therapie:
Die Syphilis kann durch Antibiotikatherapie erfolgreich geheilt werden. Mittel der ersten Wahl ist meist Penicillin. /vs
Syphilis: WHO schlägt Alarm
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt Alarm. Der Grund: Rückschritte im Kampf gegen sexuell übertragbare Krankheiten.
Die weltweit jährlichen Neuinfektionen mit Syphilis stiegen von rund 7,1 Millionen im Jahr 2020 auf acht Millionen im Jahr 2022, wie die UN-Organisation berichtete. Die größten Zuwächse wurden auf dem amerikanischen Kontinent und in Afrika verzeichnet. Im Jahr 2022 starben 230.000 Menschen an der bakteriellen Krankheit. „Die steigende Inzidenz von Syphilis gibt Anlass zu großer Sorge“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Laut dem Bericht seiner Organisation stecken sich täglich insgesamt mehr als eine Million Menschen mit Syphilis, Gonorrhoe, Chlamydien oder Trichomoniasis an. Diese vier sexuell übertragbaren Krankheiten sind allesamt heilbar.
Warum gibt es wieder mehr Syphilis-Fälle?
Brockmeyer führt den Anstieg der STI-Fälle in Deutschland auf die leichtere Knüpfung von Sexkontakten durch digitale Medien zurück. Obwohl die Kondomnutzung stabil sei, steige die Rate an STI sowohl bei hetero- als auch homo- und bisexuellen Menschen. „Man kann Sexkontakte über den digitalen Weg erreichen. Dadurch ist die Möglichkeit geschaffen worden, schneller Sexualkontakte zu knüpfen“, erklärt Brockmeyer.
Silke Klumb von der Deutschen Aidshilfe bemerkt, dass die Häufigkeit bestimmter STI von der Gruppe abhängt, beeinflusst durch Sexualverhalten, Partnerzahl und Testhäufigkeit. Beispielsweise sei die Zahl der HIV-Diagnosen in Deutschland, besonders unter schwulen und bisexuellen Männern, seit 2007 rückläufig.
Wie kann man sich vor Syphilis schützen?
Bei der Prävention sind unterschiedliche Strategien gefragt. Einen weitreichenden Schutz vor STI bieten Kondome. Gegen manche Erreger wie Hepatitis B gibt es eine Impfung. Menschen, die einen STI-Verdacht hegen, sollten sich testen lassen, um den Erreger nicht weiterzuverbreiten.
Zudem gibt es bestimmte Medikamente wie Doxy-PrEP – ein Antibiotikum zur Vorbeugung bestimmter STI wie Chlamydien und Syphilis –, die Personen mit häufigen ungeschützten Sexualkontakten nehmen können.
Auch zur Vorbeugung von HIV-Infektionen kann eine sogenannte Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) eingenommen werden. Häufig werde dadurch aber auf das Kondom verzichtet und damit steige das Risiko für andere STI erneut. Silke Klumb warnt vor der breiten Nutzung von Doxy-PrEP unter anderem aufgrund von Kosten und Nebenwirkungen.
Mehr Aufklärung über sexuell übertragbare Infektionen
Brockmeyer betont die Notwendigkeit von Aufklärung in allen Altersgruppen. „Auch bei den Älteren haben wir Luft nach oben.“ Er verweist darauf, dass die höchsten Raten an STI wie etwa Chlamydien in jüngeren Jahren auftreten, betont jedoch, dass auch bei den über 55- bis 60-Jährigen hohe Raten vorhanden sind.
„Die meisten STIs machen zu 80 Prozent keine Symptome“, sagt Brockmeyer. Dadurch gehen viele Betroffene nicht zum Arzt. Wichtig seien praktische Lösungen wie Home-Tests für HIV oder Kits zur Selbstentnahme von Proben, die über Online-Shops und Gesundheitsämter zugänglich gemacht werden sollten. „Im Swingerbereich, sowohl im schwulen als auch im heterosexuellen Bereich, muss mehr an Aufklärung laufen.“
Syphilis: Infektionsrisiko wird häufig unterschätzt
Bei STI treten häufig Missverständnisse und Mythen auf. Dadurch schätzen viele Menschen ihr persönliches Risiko, eine STI zu bekommen, deutlich geringer ein, als es tatsächlich ist.
„Obwohl die Chlamydien-Infektion die häufigste bakterielle STI in der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist, schätzen nur acht Prozent der Befragten ihr Risiko als (absolut) wahrscheinlich ein“, betont Johannes Breuer von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Die Enttabuisierung von STI und Bewusstseinsschaffung seien daher essenziell. „Alle Menschen sollen das Wissen und die Möglichkeit haben, gut für sich und ihre sexuelle Gesundheit zu sorgen. Dazu gehören unterstützende Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention.“ Quelle: dpa, Ärzteblatt, DocCheck, Focus online