Der besondere Rückblick: Mondsüchtig?
Taktgeber – von Aussaat bis Wäschewaschen
Der Mond hatte für die Menschen in früheren Jahrhunderten eine weit größere Bedeutung als heute – schon deshalb, weil er in der Nacht für Beleuchtung sorgte. Doch nicht nur als Lichtquelle war der Himmelskörper wichtig. Man richtete auch das tägliche Leben nach ihm aus. Ob Vollmond, abnehmender Mond, Neumond oder zunehmender Mond – die jeweilige Mondphase bestimmte, wann gesät und geerntet wurde oder wann ein Baum gepflanzt oder geschlagen werden konnte. Auch beim Wäschewaschen, Einwecken oder Haareschneiden gab die Mondphase den richtigen Termin vor. Sogar wann eine Tür gesetzt werden durfte, hing von der Mondstellung ab. In unserem heutigen technisierten Leben wird dem Mondrhythmus nur vereinzelt Beachtung geschenkt, so etwa im Landwirtschaftsverband Demeter oder bei manchen Bio-Gärtnern.
Mythos Vollmond
Auch schlimme Wirkungen wurden dem Mond zugeschrieben, in erster Linie dem Vollmond. Bekannt sind die Geschichten von Vampiren, die aus dem Sarg steigen, oder von Menschen, die zu Werwölfen werden. Selbst die medizinische Wissenschaft ging lange Zeit von einem unheilvollen Mondeinfluss aus. Man sah im Mond zum Beispiel die Ursache für Epilepsie, Tollwut oder Wahnerkrankungen. Manche Menschen galten als besonders anfällig. Sie wurden als „Mondsüchtige“ bezeichnet.
Von wegen „traumwandlerische Sicherheit“
Die Anziehungskraft des Mondes – die „Mondsucht“ – wurde früher auch für das Schlafwandeln (= Somnambulismus) verantwortlich gemacht. Jeder kennt wohl solch eine Darstellung: Eine weiße Gestalt im Nachthemd, die auf einem Dachfirst entlangschreitet und ihre Arme sehnsuchtsvoll nach vorne dem Vollmond entgegenstreckt. Trittsicher scheint die Person auf dem schmalen First einen Fuß vor den anderen zu setzen. Doch dieses Bild beruht auf einem Klischee. Ein schlafwandelnder Mensch würde kaum auf ein Dach gelangen, geschweige denn, darauf entlanglaufen können ohne hinunterzustürzen. Die sprichwörtliche traumwandlerische Sicherheit gibt es in Wirklichkeit gar nicht.
Möglichst nicht aufwecken
Heute weiß man, dass Schlafwandeln nichts mit Vollmond zu tun hat. Die überlieferte Darstellung rührt vermutlich daher, dass somnambule Menschen auf eine Lichtquelle zulaufen, und das war in früheren Zeiten eben meistens der Mond. Das Schlaf- oder Nachtwandeln erklärt die Wissenschaft so: Es handelt sich um ein unvollständiges Aufwachen aus dem Tiefschlaf, bei dem manche Bereiche des Gehirns wach werden, andere nicht. Deshalb können die Betroffenen bestimmte Handlungen – zum Beispiel zum Kühlschrank gehen und etwas zum Essen herausholen – korrekt ausführen, erinnern sich aber am Folgetag nicht mehr daran. Typischerweise schlafwandeln vor allem Kinder, da ihr Gehirn noch nicht ausgereift ist. Wer einem Schlafwandler begegnet, sollte ihn möglichst nicht abrupt wecken, sondern mit ruhiger Stimme ansprechen und vorsichtig ins Bett zurückbegleiten.
Aberglaube versus Wissenschaft
Dass der Mond Einfluss auf den Schlaf hat, daran glauben Menschen auch im 21. Jahrhundert. Vor allem sind viele überzeugt, in Vollmondnächten schlechter schlafen zu können. Die Wissenschaft ist sich diesbezüglich uneins. Einige Studien konnten einen Zusammenhang zwischen verkürztem Schlaf und Vollmond sowie zwischen verzögert einsetzendem REM-Schlaf und Neumond nachweisen. Andere Studien fanden hingegen keine derartigen Korrelationen. Auch einige Volksmythen zum Mondeinfluss hielten wissenschaftlichen Analysen nicht stand. So werden bei Vollmond weder mehr Verbrechen begangen noch mehr Kinder geboren. Auch der weibliche Zyklus verläuft demnach unabhängig vom Mondzyklus. Quellen: Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. (DGSM); ZEIT Geschichte Nr. 3/2019; J. Zulley: Mein Buch vom guten Schlaf, Verlag Zabert Sandmann 2005; Universität Basel; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.