Beratungswissen: Opioide und Schmerzmittel – Gute Beratung ist das A&O!
Bei Opioiden muss die Beratung stimmen
„Wenden Sie Ihr Arzneimittel richtig an?“ – die wahrscheinliche, da sozial erwünschte Antwort lautet, „ja“. Wirkungsvoller sei es jedoch, sich vom Patienten zeigen zu lassen, wie er sein Medikament konkret anwende, betonte Apothekerin Grit Spading am vergangenen Samstag in Potsdam. Auf der Fortbildung „Schmerzfrei durch Opioide? – Nur wenn die Beratung stimmt“ der Landesapothekerkammer Brandenburg führte die Landespharmazierätin von Schleswig-Holstein durch die typischen Fallstricke der Opioid-Langzeitbehandlung.
Pflaster richtig kleben
Bei der Beratung sollte sich pharmazeutisches Personal nicht scheuen, auch bei Folgerezepten vermeintliche Selbstverständlichkeiten zu thematisieren. So sei es vereinzelt vorgekommen, dass Patienten mehrere Schmerzpflaster auf der Haut trugen, weil sie beim Pflasterwechsel das vorherige nicht entfernt hatten. Auch lohne es sich zu erklären, dass die Transdermalen Therapeutischen Systeme zwar auf die unbehaarte Haut geklebt werden sollten, diese aber zuvor nicht rasiert werden sollte. Denn beim Rasieren entstünden Mikrorisse, durch die größere Wirkstoffmengen ins Blut gelangten als vorgesehen, erklärte Spading.
BtM-Arzneiformen: Erst üben, dann vorführen
Außerdem empfahl die Apothekerin, den Patienten am HV-Tisch konkret zu zeigen, wie die Pflaster oder andere Arzneiformen der Opioide anzuwenden seien. Demonstrationen seien oft effektiver als lange mündliche Erklärungen. „Menschen sind Nachahmer“, betonte Spading. Viele Schmerzmittel-Firmen liefern für diese Zwecke wirkstofffreie Demonstrationsmuster. Optimalerweise übt man zuvor selbst, denn die Kindersicherung der Betäubungsmittel stellt nicht nur ältere Menschen mit Arthritis vor motorische Herausforderungen.
Erklärungen auch bei banalen Arzneiformen empfohlen
Erklärungsbedürftig sei auch die vermeintlich banale Tablettenentnahme aus Blistern – so seien die meisten festen Opioid-Arzneiformen in sogenannte Joghurtdeckel-Blister verpackt, die sich nur durch Abziehen der Folie, nicht aber durch das gewohnte Herausdrücken der Tabletten knacken lassen. Bei motorisch beeinträchtigten Personen sollten Apotheker auch an Blisteröffnungshilfen denken. Aber auch andere Arzneiformen seien nicht trivial: So lasse sich beispielsweise das Fentanyl-Nasenspray PecFent® nur dann aus dem Plastiketui nehmen, wenn man genau wisse wie.
Hat sich der Patient an die Handhabung „seines Arzneimittels“ gewöhnt, kann ein neues Rabattarzneimittel mit abweichenden Packmitteln eine erneute Schulung erforderlich machen. Hinzu kommt, dass ein Präparatewechsel, auch wenn alle betäubungsmittelrechtlichen Vorgaben für den Austausch erfüllt sind, die Schmerzlinderung an sich beeinträchtigen kann. So weichen die Freisetzungsprofile verschiedener Retardgaleniken voneinander ab. Beschwerden seitens des Patienten sind daher unbedingt ernst zu nehmen und gegebenenfalls mit dem Arzt zu besprechen.
Auf Nebenwirkungen vorbereiten
Auch wenn der Patient sein Medikament behalten kann und bei der Anwendung alles richtig macht, kommt es bei der Schmerztherapie zu unerwünschten Effekten. „Zur Opioid-Analgesie gibt es Obstipation, Sedierung und Übelkeit gratis mit dazu“, verdeutlichte Spading. Dieser Nebenwirkungen sollten sich die Patienten bewusst sein. Wenn der Patient vorbereitet sei, sei die Gefahr des Therapieabbruchs geringer, als wenn er von den unangenehmen Effekten überrascht werde. Am dramatischsten, wie aus tödlichen Heroinüberdosierungen bekannt, ist theoretisch die Atemdepression. Da Schmerz die Atemtätigkeit verstärkt, ist die dämpfende Wirkung auf die unbewusste Atemtätigkeit bei Schmerzpatienten zwar weniger ausgeprägt, bei Patienten mit Schlafapnoe ist jedoch Vorsicht geboten.
Ein Fall für PAMORA?
Weniger lebensbedrohlich, jedoch chronisch unangenehm ist die opioidinduzierte Verstopfung. Weil davon etwa 95 Prozent der Patienten betroffen sind, sollte ein Laxans von Beginn an mitverordnet werden. Der Geschmack mancher Laxanzien ist allerdings so gewöhnungsbedürftig, dass sich manche Patienten gar nicht daran gewöhnen mögen. Spading wies darauf hin, dass die Praxisleitlinie „opioidinduzierte Obstipation“ für solche Fälle sogenannte peripher wirksame µ-Opioid-Rezeptorantagonisten (PAMORA) wie beispielsweise Naloxegol (Moventig®) oder Methylnaltrexon (Relistor®) s.c. empfehle, auch wenn diese kostspielig seien.
Der Übelkeit vorbeugen
Auch gegen die Übelkeit sollte medikamentös vorgebaut werden. „Vorsicht vor grünen Vomex-Rezepten“, warnte die erfahrene Pharmazeutin, da Dimenhydrinat die motilitätshemmende Wirkung der Opioide verstärke. Besser geeignet seien Prokinetika wie beispielsweise Metoclopramid, Domperidon oder in schweren Fällen Haloperidol. Wie auch die Sedierung könne die Übelkeit einige Tage nach Therapiebeginn nachlassen.
„Mögen Sie Ihr Medikament?“
Nachlassen könne allerdings auch die schmerzlindernde Wirkung der Opioide selbst. Dies sei unter anderem der Fall, wenn die Grunderkrankung – beispielsweise die Tumorprogression – voranschreite. Auch trete mit der Zeit häufig eine Toleranz auf, die eine Dosissteigerung erforderlich mache. Bei einer opioidinduzierten Hyperalgesie ist dagegen eine Dosisreduktion angezeigt. Auch ein Wechsel des Opioids (Rotation) kann hilfreich sein.
Nicht immer kommunizieren Patienten von sich aus, dass ihr Schmerzmittel den Schmerz nicht mehr ausreichend lindern kann. Die ergebnisoffene Frage „Mögen Sie Ihr Medikament?“, die sich übrigens auch bei anderen Langzeittherapien anbietet, kann die Hemmschwelle senken.