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Schilddrüsenarzneimittel: Das „neue“ Euthyrox kommt in die Apotheke

Nicht nur das Design, auch die Hilfsstoffe von Euthyrox® werden Ende April geändert. | Bild: Merck

Der Arzneimittelhersteller Merck bringt eine neue Formulierung seines Schilddrüsenklassikers Euthyrox® auf den Markt. Die Rezeptur hat Merck keineswegs auf eigenes Ansinnen geändert. Dem vorausgegangen war eine Aufforderung der französischen Behörde ANSM (Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé). Diese verlangte eine stabilere Zubereitung von Lévothyrox® – dem französischen Pendant zu Euthyrox®. Diese Aufgabe hat Merck erfüllt.

Geänderte Hilfsstoffe für mehr Wirkstoffstabilität

Der Darmstädter Arzneimittelhersteller entwickelte eine neue Rezeptur von Euthyrox®, die den Gehalt des Wirkstoffes Levothyroxin-Natrium über die gesamte Dauer der Haltbarkeit innerhalb der behördlich geforderten Grenzen von 95 bis 105 Prozent gewährleistet. Dafür änderte Merck nur zwei Hilfsstoffe: Das „neue“ Euthyrox® enthält statt Lactose-Monohydrat nun Mannitol und Citronensäure. Nichts hat sich jedoch beim Wirkstoff, dem Schilddrüsenhormon Levothyroxin-Natrium, geändert. Vorteilhaft kann bei der neuen Formulierung – neben der erhöhten Wirkstoffstabilität – auch der Wegfall von Lactose sein, die bei Patienten mit Lactose-Unverträglichkeit unerwünschte Effekte hervorrufen kann.

In Frankreich hat Merck die neue Levothyrox®-Rezeptur bereits im März 2017 eingeführt, in Deutschland kündigen Hersteller und BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) diesen Schritt des Euthyrox®-Launches für die zweite Aprilhälfte bis Anfang Mai an. Damit dies reibungslos – für Patienten, PTA, Apotheker und Ärzte – verläuft, informieren Merck und BfArM in einem Rote-Hand-Brief über wichtige Beratungshinweise.

Pharmazeutische Beratung trotz gleichbleibendem Wirkstoffgehalt notwendig

Auch wenn sich der Wirkstoffgehalt im neuen Schilddrüsenpräparat nicht ändert, will die Umstellung „überwacht“ werden. Levothyroxin zählt zu den klassischen Arzneistoffen mit einer geringen therapeutischen Breite, was bedeutet, dass die Grenzen von therapeutisch erwünschter Wirkung und toxischen Nebenwirkungen eng sind. Aus diesem Grund gehört der Schilddrüsenwirkstoff Levothyroxin auch zu den Wirkstoffen der Substitutionsausschlussliste, die einen Aut-idem-Austausch unterschiedlicher Schilddrüsenpräparate gegeneinander – auch durch Rabattverträge – in der Apotheke verbietet.

Diesem Umstand trägt auch der Rote-Hand-Brief Rechnung. Denn es kann aufgrund der engen therapeutischen Breite von Levothyroxin, wie beim Wechsel auf ein Präparat eines anderen Herstellers, auch bei einer Veränderung des bereits eingenommenen Präparates in einigen Fällen zu einem anderen Arzneistoffspiegel und dadurch zu Nebenwirkungen kommen.

Mangelnde Transparenz sorgte in Frankreich für Tumult

In Frankreich suchte man den Auslöser des Tumultes um die Umstellung bei Levothyrox® nicht zuletzt in einer nicht optimalen Kommunikation mit den betroffenen Schilddrüsenpatienten, den verordnenden Ärzten und den abgebenden Apotheken. Bereits im September des letzten Jahres kündigte das BfArM an, dass dies in Deutschland besser laufen soll: „Eine adäquate Kommunikation an das medizinische Fachpersonal sowie die Patienten vor und während der Umstellungsphase von der bisherigen auf die geänderte Formulierung von Euthyrox® ist deshalb wichtig, um das potenzielle Risiko eines Ungleichgewichts der Schilddrüsenhormone und assoziierter Nebenwirkungen zu minimieren und einer möglichen Verunsicherung der betroffenen Patienten entgegenzutreten“, erklärte das BfArM.

Rote-Hand-Brief nennt fünf Beratungshinweise

Konkret gibt der Rote-Hand-Brief den Apotheken fünf Beratungshinweise an die Hand, die sie den Euthyrox®-Patienten mit auf den Weg geben sollen: 

  • Patienten sollen die neuen Euthyrox®-Tabletten genauso einnehmen, wie die Euthyrox®-Tabletten in der ursprünglichen Zusammensetzung. 
  • Die Schilddrüsenpatienten sollten ihren behandelnden Arzt bezüglich engmaschiger Kontrollen ansprechen. 
  • Patienten sollten nach Umstellung nicht auf die Tabletten der ursprünglichen Zusammensetzung zurückwechseln – für eine gewisse Zeit werden wohl Euthyrox®-Tabletten der alten und der neuen Formulierung parallel auf dem Markt sein. Diese lassen sich optisch leicht unterscheiden, denn im Zuge der geänderten Rezeptur hat Merck auch dem Packungsdesign der Euthyrox® ein Facelift verpasst. 
  • Apotheker und PTA sollen die Patienten auf die geänderte Packungsgestaltung hinweisen. 
  • „Händigen Sie den Patienten die Patienteninformation aus“, empfiehlt das BfArM. 
    PTAheute hat diese Packungsinformation hier zum Download und Ausdrucke für Sie hinterlegt.

Umstellung monitoren – aber wie?

Der Rote-Hand-Brief empfiehlt, dass Patienten nach Umstellung von Euthyrox® ihre Schilddrüsenwerte engmaschig kontrollieren lassen sollen. Als zeitlichen Rahmen stecken BfArM und Merck „die Bestimmung des TSH (Thyreoidea stimulierendes Hormon, Thyreotropin)-Wertes sechs bis acht Wochen nach Umstellung“, die Bestimmung von freiem T4 sei unter bestimmten Umständen gerechtfertigt. Falls die Schilddrüsenwerte nicht im gewünschten Bereich liegen, muss der Arzt die Dosierung entsprechend anpassen. Vor allem auf sensible Patientengruppen sollten Ärzte und Apotheken achten. Dazu zählen Schwangere, Kinder, ältere Menschen und Patienten mit Schilddrüsenkrebs oder kardiovaskulären Erkrankungen.

Nebenwirkungen ähneln Hyper- und Hypothyreose

Bei der Umstellung in Frankreich berichteten manche Patienten über Nebenwirkungen beim neuen Präparat. Diese waren jedoch keine neuen und völlig unbekannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen, sondern ließen sich auf Symptome einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) oder Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) zurückführen. Merck betonte damals, dass die Nebenwirkungen unter Levothyrox® mit den bekannten unter einer Euthyrox®-Therapie übereinstimmten: Müdigkeit, gastrointestinale Beschwerden wie Obstipation (Verstopfung) und Durchfall, Gewichtsveränderungen, Haarausfall, Schlafstörungen, Palpitationen (Herzklopfen, Wahrnehmung des eigenen Herzschlages) und Flush (Erröten durch plötzliche Ausdehnung der Blutgefäße).

Klage gegen Merck in Frankreich

In Frankreich strebten manche Patienten eine Sammelklage gegen Merck an, in der sie Schadenersatz vom Unternehmen forderten. Diese wurde am 5. März 2019 abgewiesen.