Lungenembolie durch Drospirenon? - Der Streitfall um Yasminelle®
Im jahrelangen juristischen Streit um eine mögliche Gesundheitsgefahr des Kontrazeptivums Yasminelle® hat das Landgericht Waldshut-Tiengen (Baden-Württemberg) die Kontrahenten zu einer Einigung aufgerufen. Der Fall sei komplex und schwierig, sagte die Vorsitzende Richterin Claudia Jarsumbek am Donnerstag. Es gehe um komplizierte juristische, medizinische und Haftungsfragen. Diese könnten nur schwer eindeutig beantwortet werden.
Lungenembolie und Herzstillstand als Grund zur Klage
Im verhandelten Fall geht es um eine 34 Jahre alte Frau. Sie klagt in dem seit Juni 2011 laufenden Zivilrechtsverfahren gegen den Arzneimittelkonzern Bayer mit Sitz in Leverkusen.
Die Frau macht das Verhütungsmittel Yasminelle® mit dem Wirkstoff Drospirenon für gesundheitliche Probleme und ein hohes Thrombose-Risiko verantwortlich. Nach der Einnahme habe sie im Juni 2009 eine beidseitige Lungenembolie sowie einen Kreislaufzusammenbruch mit Herzstillstand erlitten und sei fast gestorben. Nur durch eine mehrstündige Operation wurde sie Gerichtsangaben zufolge gerettet.
Noch heute leide sie unter den Folgen, sagte die bei Offenburg im Ortenaukreis lebende Frau am Donnerstag. Sie fordert von Bayer Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 200 000 Euro.
Lungenembolie – eine Folge eingespülter Blutgerinnsel
Unter einer Lungenembolie versteht man einen Gefäßverschluss im Bereich der Lunge. Im Gegensatz zu einer Thrombose entsteht das verschließende Blutgerinnsel (Thrombus) jedoch nicht vor Ort, sondern wird aus anderen Körperarealen – vor allem Bein- und Beckenvenen - eingeschwemmt. Aufgrund der dadurch entstehenden Mangelversorgung mit Sauerstoff, sind auch andere Organe von den Folgen betroffen. Gleichzeitig muss die rechte Herzkammer mehr Druck aufbauen um entgegen des Widerstandes dennoch Blut in Richtung Lunge zu fördern. Die Kombination aus mangelnder Sauerstoffversorgung und erhöhter Belastung des Herzens können zu einem Herzstillstand führen.
Bayer streitet Zusammenhang mit Yasminelle® ab
Der Pharmakonzern hält die in der Klage geltend gemachten Ansprüche für unbegründet, sagte der Rechtsanwalt des Unternehmens, Henning Moelle. Es gebe keine Beweise, dass das Kontrazeptivum für die gesundheitlichen Probleme der Klägerin verantwortlich sei. Durch wissenschaftliche Daten sei bestätigt, dass von der Pille und dem Wirkstoff bei korrekter Einnahme nicht die Gefahr ausgehe, wie sie in der Klage genannt werde.
Die Pillen der Produktgruppe werden nach Darstellung von Bayer täglich millionenfach eingenommen, in mehr als 100 Ländern. Bereits in fünf Prozessen in Deutschland, in denen es um den umstrittenen Wirkstoff gegangen sei, habe Bayer gewonnen, betonte das Unternehmen.
In den USA hatten laut dem Unternehmen mehrere Tausend Frauen gegen Bayer geklagt. Bis Oktober 2016 schloss der Konzern den Angaben zufolge mit rund 10 600 Frauen Vergleiche über insgesamt rund 2,1 Milliarden US-Dollar ab, ohne jedoch eine juristisch wirksame Verantwortung anzuerkennen. Weitere Klagen und Forderungen von Frauen würden noch geprüft, hieß es.
Medizinisches Gutachten ist nicht eindeutig
In dem Fall, der am Landgericht-Waldshut-Tiengen verhandelt wird, hatte es im Dezember 2015 den ersten und bis zu vergangenem Donnerstag einzigen Verhandlungstermin gegeben. Zuvor hatten sich die Beteiligten schriftlich ausgetauscht. Das Gericht beauftragte nach der Verhandlung damals einen medizinischen Experten, der nun vor der Zivilkammer des Gerichts seine insgesamt drei Gutachten erläuterte.
Die lebensgefährliche Krankheit der Frau sei mit großer Wahrscheinlichkeit auf die vorherige Einnahme der Pille zurückzuführen, sagte der Mediziner. Andere Ursachen seien sehr unwahrscheinlich. Sie könnten jedoch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden.
Prozess könnte Jahre dauern - Gericht rät daher zur Einigung
Nach dem Gutachten blieben viele Fragen offen, sagte die Richterin. Es gebe viele Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten. Sie rate daher zu einer Einigung bis spätestens zum 20. Dezember.
Werde der Prozess fortgeführt, so die Richterin, müssten grundsätzliche Fragen zeit- und arbeitsintensiv aufgearbeitet werden. Dies stelle, auch für die Klägerin, eine Belastung dar. Ein Vergleich vor Gericht oder eine außergerichtliche Einigung seien daher die beste Lösung.
Die Klägerin Felicitas Rohrer sowie ihr Anwalt Martin Jensch sehen sich zu einer Einigung bereit. Der Rechtsanwalt der Gegenseite sieht dafür jedoch derzeit keine Grundlage. Quelle: dpa/sn