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Was ist eigentlich Trichotillomanie?

Mann rauft sich sorgenvoll die Haare
Bei Trichotillomanie zeigen sich häufig typische Wesensmerkmale wie Perfektionismus, geringes Selbstwertgefühl, Unsicherheit und Stressanfälligkeit. | Bild: WoGi / AdobeStock

„Sobald ich morgens aufstehe, schießen mir unzählige Gedankenblitze durch den Kopf und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Dann ist mir schon wieder alles zu viel. Um diese Gedanken zu beruhigen, geht meine Hand automatisch zum Kopf, sucht sich ein Haar und reißt es aus. Ohne es zu merken, werden aus einem Haar sechs, sieben oder zehn Haare. Wenn mir bewusst wird, dass ich wieder reiße, ärgere ich mich über mich selbst und habe Angst davor, dass andere mich auf meine kahlen Stellen am Kopf ansprechen könnten.“

Eine Betroffene berichtet 

So beginnt die Geschichte der 60-jährigen Antonia Peters, die seit ihrem zwölften Lebensjahr an Trichotillomanie erkrankt ist. Wie bei Antonia Peters tritt die Trichotillomanie häufig während der Pubertät in Erscheinung. 

Symptome und Ursachen einer Trichotillomanie

Mädchen erkranken wesentlich häufiger als Jungen. Oft ist eine belastende Lebenserfahrung der Auslöser, etwa wenn sich die Eltern trennen. Das Haareausreißen reduziert kurzfristig die starke innere Spannung. 

Doch meist folgen unmittelbar darauf Schuld- und Schamgefühle, Ärger und Wut. Dadurch steigt die Anspannung umso mehr und es werden erneut Haare ausgerissen. Ein wahrer Teufelskreis stellt sich ein und der Drang zum Haareausreißen wird unüberwindlich.

Gut zu wissen: Woher kommt der Name Trichotillomanie?

Der Begriff „Trichotillomanie“ hat griechischen Ursprung und ist zusammengesetzt aus „tricho“ für „Haar“, „tillo“ für „ziehen“ und „manie“ für „krankhaften Trieb“. 

Trichotillomanie: Behandlungsmöglichkeiten

Bei einer Trichotillomanie zeigen sich mit der Zeit oft kahle Stellen am Kopf. Mitunter rupfen die Betroffenen auch Augenbrauen und Wimpern aus, sodass sie aussehen wie nach einer Chemotherapie. 

Antonia Peters versuchte jahrelang ihr Verhalten zu verheimlichen. Sie erfand Lügen über Hormonmangel oder Tablettennebenwirkungen, um ihren Haarverlust zu erklären. Bei den meisten konsultierten Ärzten stieß sie auf Unverständnis. Erst als sie schon fast 40 Jahre alt war, kam sie auf den richtigen Weg. 

Dank einer kombinierten medikamentösen und verhaltenstherapeutischen Behandlung spielt die Trichotillomanie im Leben von Antonia Peters heute nur noch eine nebensächliche Rolle. 

Trichotillomanie oft Begleiterkrankung anderes psychischer Störungen

Die Trichotillomanie wird im internationalen Klassifikationssystem der Krankheiten (ICD-10) zu den sogenannten Impulskontrollstörungen gezählt, wie beispielsweise das krankhafte Stehlen (Kleptomanie) oder die pathologische Brandstiftung (Pyromanie). 

Circa ein Prozent der Bevölkerung leidet irgendwann an Trichotillomanie. Oft haben die Betroffenen noch weitere psychische Störungen wie Depressionen oder Ängste. Häufig zeigen sie typische Wesensmerkmale, insbesondere Perfektionismus, geringes Selbstwertgefühl, Unsicherheit und Stressanfälligkeit. 

Verhaltensänderungen können bei Trichotillomanie helfen

Eine Trichotillomanie verschwindet in der Regel nicht von selbst. Doch mit Verhaltenstherapie sowie Antidepressiva, vor allem Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI), lässt sie sich meist lindern. 

Betroffene sollten außerdem Entspannungstechniken erlernen sowie Sport treiben. Um das Haareausreißen zu verhindern, können auch bestimmte Strategien nützlich sein, zum Beispiel einen Knautschball in die Hand zu nehmen oder Gummi-Fingerkappen anzuziehen.

Austausch- und Informationsmöglichkeiten bieten Selbsthilfegruppen sowie spezialisierte Therapeuten. Quellen: Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. (www.zwaenge.de) 

Trichotillomanie in Kürze

  • Zwanghaftes Haareausreißen; es zählt zu den Impulskontrollstörungen.
  • Durch das Ausreißen der Haare wird kurzfristig starke innere Spannung abgebaut. Durch Scham und Minderwertigkeitsgefühle erneuter Spannungsaufbau, gefolgt von weiterem Haareausreißen.
  • Oft sichtbarer Haarverlust am Kopf, an Augenbrauen oder Wimpern.
  • Vermutlich 1 Prozent der Bevölkerung betroffen, vor allem Frauen.
  • Ursache: unklar, evtl. bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, belastende Lebensumstände, familiäre Veranlagung, neurobiologische Faktoren.
  • Häufig mit sozialem Rückzug verbunden.
  • Behandlungsmöglichkeiten: Medikamente (SSRI) und Verhaltenstherapie.