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Kurzsichtigkeit: Lässt sie sich auf einfache Weise verhindern?

Bild: Wellnhofer Designs / Adobe Stock

Kurzsichtigkeit (Myopie) nimmt weltweit zu. Es zeigt sich, dass diese Fehlsichtigkeit mit dem Ausbildungsstand korreliert. Etwa die Hälfte der Abiturienten in Deutschland ist kurzsichtig. Die Myopie scheint der Preis für gute Ausbildung zu sein: Pro Jahr Ausbildung wird man im Durchschnitt um eine Viertel-Dioptrie kurzsichtiger.

Warum macht Lesen kurzsichtig?

Bei der Kurzsichtigkeit wächst der Augapfel in der Regel zu stark in die Länge. Dadurch liegt der Brennpunkt bereits vor der Netzhaut und nicht wie beim normalen Auge direkt auf der Netzhaut. Kurzsichtige sehen deshalb entfernte Gegenstände unscharf. Warum nun Lesen und andere Naharbeit zu Kurzsichtigkeit führen kann, wird immer noch diskutiert. Eine Theorie lautet zum Beispiel, dass zu wenig Akkomodation beim Lesen das scharfe Bild etwas hinter die Netzhaut verlegt, wodurch das Auge veranlasst wird, schneller zu wachsen. Eine andere Erklärung kommt nun von Wissenschaftlern des Tübinger Forschungsinstituts für Augenheilkunde.

Entscheidend: dunkler Text auf hellem Hintergrund oder heller Text auf dunklem Hintergrund

Bei der neuen Theorie spielen die Bipolarzellen in der Netzhaut eine wichtige Rolle. Bei diesen Nervenzellen gibt es ON-Zellen und OFF-Zellen. Während unseres normalen Sehens werden beide Typen ähnlich stark gereizt. Beim Lesen verhält es sich jedoch anders. So haben die Tübinger Wissenschaftler herausgefunden, dass dunkler Text auf hellem Hintergrund hauptsächlich die OFF-Zellen reizt. Ein heller Text auf einem dunklen Hintergrund reizt dagegen vorwiegend die ON-Zellen. Von früheren Experimenten ist bereits bekannt, dass eine Stimulation der ON-Zellen das Augenwachstum eher hemmt, eine Stimulation der OFF-Zellen es aber verstärken kann.

Einfluss auf die Dicke der Aderhaut

Die Wissenschaftler konnten tatsächlich entsprechende Effekte nachweisen. Sie ließen Probanden entweder dunklen Text auf hellem Hintergrund oder hellen Text auf dunklem Hintergrund lesen. Bereits nach 30 Minuten konnten sie Veränderungen an der Aderhaut messen – also jener Gewebeschicht, die an die Netzhaut nach außen anschließt und sie ernährt. Es zeigte sich, dass die Aderhaut dünner wurde, wenn schwarzer Text gelesen wurde, und dicker, wenn die Kontraste umgekehrt waren.

Einfach die Kontraste umkehren?

Diese Ergebnisse sind deshalb aussagekräftig, weil die Dicke der Aderhaut Prognosen darüber zulässt, wie das Auge in nächster Zeit wachsen wird. Wird die Aderhaut dünner, weist das auf die Entwicklung einer Myopie hin. Wird sie dicker, bleibt das Augenwachstum gehemmt. Aus den Versuchsergebnissen lässt sich also folgern, dass schwarzer Text auf hellem Hintergrund die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit fördert, heller Text auf dunklem Hintergrund sie hemmt. Den Textkontrast umzukehren, wäre deshalb aus Sicht der Forscher eine geeignete Maßnahme, um die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit aufzuhalten. Zumindest beim Lesen am Bildschirm wäre dies ja einfach umzusetzen.

Weitere Untersuchungen erforderlich

Diese Strategie gegen Kurzsichtigkeit ist bisher erst aus den genannten Experimenten abgeleitet. Sie soll nun weiter überprüft werden. Dazu haben die Tübinger Wissenschaftler bereits eine Studie mit Schulkindern geplant. Quelle: Universitätsklinikum Tübingen