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Arzneimittel in der Schwangerschaft – das rät der Experte von Embryotox

Bild: Alex Schelber

Die Einnahme von Medikamenten zum falschen Zeitpunkt kann schwerwiegende Folgen haben. Dies gilt vor allem bei der Anwendung bestimmter Arzneimittel in der Schwangerschaft. Die Auswirkungen vorgeburtlicher Entwicklungsschädigungen können vom Fruchttod bzw. Spontanabort über Fehlbildungen bis hin zu Frühgeburt oder (ZNS-)Funktionsstörungen reichen. PD Dr. Christoph Schäfer betonte jedoch, dass nur 2 bis 4% der angeborenen Entwicklungsstörungen tatsächlich auf eine (falsche) Medikamenteneinnahme zurückzuführen sind – ein Großteil ist chromosomal, multifaktoriell oder einfach unbekannt begründet.

Schädigung durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft

Ein bekanntes Beispiel mit schwerwiegenden Folgen ist der Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft. Dieser kann zum Fetalen Alkohol-Syndrom (FAS) des Kindes führen, welches sich mit Mikrozephalie, Lippen-Gaumenspalte, Herzfehlbildungen und/oder einem verminderten IQ und Verhaltensauffälligkeiten äußert. Allein in Deutschland kommen jedes Jahr etwa 600 Kinder mit FAS zur Welt. Ebenso bekannt ist die schädigende Wirkung des Wirkstoffs Thalidomid, der ursprünglich als gut verträglich galt, aber schwere Miss-/Fehlbindungen beim Kind verursacht. Schäfer ging in diesem Zusammenhang auch auf die Behandlung von Patientinnen mit Epilepsie ein. Das Antiepileptikum Valproinsäure ist der einzige Wirkstoff, bei dem ein etwa 12faches Risiko für Neuralrohrdefekte bekannt ist. Daher wurde 2014 in einem Rote-Hand-Brief darauf hingewiesen, dass Valproat Mädchen, weiblichen Jugendlichen, Frauen im gebärfähigen Alter oder schwangeren Frauen nur dann verschrieben werden sollte, wenn es keine Alternative gibt. Da der Rote-Hand-Brief anscheinend nicht ausreichte, gab das BfArM 2017 zusätzlich eine Patienten-Erinnerungskarte heraus, die ebenfalls auf die schwerwiegenden Entwicklungsstörungen und Missbildungen hinweist, die das Arzneimittel beim ungeborenen Kind verursachen kann.

Das Risiko bestimmen

Als weitere potentiell riskante Therapiegebiete nannte Schäfer Akne, Hypertonie (besondere Vorsicht bei ACE-Hemmern und AT-II-Antagonisten!), Psoriasis, Rheuma und die Thromboseprophylaxe. Denn Fakt ist: Da fast alle Medikamente das ungeborene Kind erreichen, erfolgt mit einer Arzneimitteleinname der Schwangeren auch immer direkt eine „Mitbehandlung“ des gesunden Kindes. Hier muss also eine Risikoklassifizierung der Arzneimittel stattfinden, so Schäfer. Kompliziert wird es eigentlich erst, wenn keine Therapieoption für Schwangere zugelassen ist, es also entweder einen Warnhinweis für das Arzneimittel in der Schwangerschaft gibt oder man im Off-label Use behandelt. Typisches Beispiel ist hier die Schwangerschaftsübelkeit, ein häufiges Thema in der Apotheke. Meclozin wäre der Arzneistoff der Wahl, dieser ist in Deutschland aber seit dem Jahr 2007 nicht mehr im Handel. Alternativ stehen für diese Indikation die Wirkstoffe Dimenhydrinat (Vomex®), Chlorpromazin/Promethazin oder Metoclopramid (Paspertin®) zur Verfügung.

Fachinformation entspricht oft nicht der Realität

Schäfer gab in seinem Vortrag auch Arzneimittel-Empfehlungen für „typische“ Beschwerden. Denn für fast alle Erkrankungen in der Schwangerschaft gibt es hinreichend untersuchte Medikamente. Diese lassen sich jedoch nicht anhand von Beipackzettel oder Roter Liste finden, denn dort steht häufig, dass keine hinreichenden Daten zur Anwendung vorliegen – was nicht der Wahrheit entspricht. Bei den Schmerzmitteln beispielsweise ist Paracetamol Mittel der Wahl. Auch Ibuprofen kann eingenommen werden, allerdings nur bis zur Schwangerschaftswoche 28! Penicillin und Cephalosporine sind die Antibiotika der Wahl, bei einer Penicillin-Allergie können auch Makrolide oder Cotrimoxazol eingenommen werden. Für Allergikerinnen stehen die Wirkstoffe Loratadin, Cetirizin und Dimetinden (Fenistil®) zur Verfügung, bei einer Erkältung können Nasentropfen in der Kinderdosierung von 0,05% Xylometazolin kurzfristig angewendet werden.

Wie sollte man schließlich vorgehen, wenn eine Schwangere oder man selbst bezüglich der Einnahme eines Arzneimittels in der Schwangerschaft unsicher ist? Eine Schwarz-Weiß-Darstellung hilft in diesem Fall nicht, so der Experte. Wichtig ist herauszufinden, was wirklich zu diesem Medikament bekannt ist und eine sorgfältige quantifizierende Risikobewertung vorzunehmen - und dazu kann man den Fragebogen auf der Homepage des Pharmakovigilanzzentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin, kurz Embryotox, verwenden. Dort finden sie übrigens auch detaillierte Informationen zur Verträglichkeit der wichtigsten 430 Wirkstoffe.