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Schon wieder eine Blasenentzündung - Teil 2: Pflanzliche Arzneimittel und Verhaltenstipps

Bild: Carlo107 - iStockphoto.com

Desinfektion der Harnwege durch pflanzliche Arzneimittel: 
Angocin, Bärentraubenblätter, Blasentees

Angocin Anti-Infekt N? Empfehlenswert. Die Daten zu dem Phyto-Arzneimittel sehen in der Tat ganz überzeugend aus. Das pflanzliche Harnwegsdesinfiziens enthält einen Extrakt aus Meerrettichwurzel und Kapuzinerkressekraut. Patienten, die über drei Monate je zwei Tabletten morgens und abends einnahmen, litten weniger unter Rezidiven bei Blasenentzündungen als die Placebogruppe. Wohingegen es keine Unterschiede bei den unerwünschten Arzneimittelwirkungen gab: Die Anzahl der Nebenwirkungen war bei Angocin und Placebo gleich.

Bärentraubenblätter? Ja, nein, vielleicht? Der Wirkansatz von Bärentraubenblätter zielt auf eine Desinfektion der ableitenden Harnwege ab. Bärentraubenblätter enthalten Arbutin. Das daraus entstehende Hydrochinon hat desinfizierende Eigenschaften und entsteht vorwiegend intrabakteriell, was den Effekt am Wirkort erhöht. Diese Hydrochinon-Entstehung ist unabhängig vom pH-Wert des Urins, sodass der Ernährungshinweis zur Alkalisierung des Harns durch basischen Lebensmittel entfallen kann. Der Pferdefuß an der Bärentraubenblättergeschichte: Patienten dürfen die desinfizierenden Pflanzen maximal einen Monat im Jahr einnehmen. Das raten zumindest die Experten hinsichtlich der Rezidivprophylaxe bei Harnwegsinfektionen. Für akute Harnwegsinfektionen gilt eine Therapiedauer von einer Woche für maximal fünfmal im Jahr. Daher sollten Sie bei der Empfehlung zurückhaltend sein beziehungsweise abklären, wie oft und wie lange die Harnwegs-geplagte Patientin dieses Arzneimittel schon eingenommen hat. Die Beschränkungen bei Bärentraubenblättern sind eine Vorsichtsmaßnahme, da Hydrochinon in Testverfahren mutagene Wirkung zeigt. Im Körper liegt es aber in gebundener Form vor, von der mutagene Wirkungen nicht nachgewiesen sind.

Birkenblätter, Brennesselkraut, Gartenbohnenhülsen, Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel, Orthosiphonblätter, Liebstöckelwurzel mit Rosmarin und Tausendgüldenkraut, Petersilienkraut und -wurzel, Queckenwurzelstock, Schachtelhalmkraut und Wacholderbeeren: Das sind die vertrauten Vertreter in Blasen- und Nierentees. Sie sollen harntreibend, aquaretisch, sein. Die Arzneidrogen werden folglich eingesetzt, um die Bakterien auszuspülen. Allerdings – wirken sie oder eben nicht – Daten hierzu in der Langzeitanwendung existieren nicht. Meist sind sie kulinarisch auch nicht gerade ein unverzichtbarer Hochgenuss, sodass wahrscheinlich für eine Dauertherapie die Patientin selbst der limitierende Faktor sein würde. Ohnehin gilt wohl bei der Trinkmenge bei Blasenentzündungen auch nicht uneingeschränkt und immer: „Viel hilft viel“. 
Warum das so ist?

Ernährung: Was essen und wieviel trinken bei Blasenentzündungen?

Welchen Einfluss die Trinkmenge auf das Auftreten wiederkehrender Harnwegsinfektionen hat, ist bislang unklar. Was allerdings klar ist: Ausreichend trinken muss sein, zu viel Flüssigkeit ist aber auch nichts. Was ist nun eine ausreichende Trinkmenge? Da stocken PTA vielleicht kurz: Die Leitlinie beziffert diese auf 1,5 Liter pro Tag. Nicht gerade üppig. Weil viel Flüssigkeit spült doch die Harnwege durch und verhindert, dass sich Bakterien da allzu wohlig einrichten, mögen Apotheker und PTA hier gegenargumentativ ins Feld führen. Nicht verkehrt, doch hat die Medaille zwei Seiten: Denn im Urin befinden sich auch Substanzen, die das bakterielle Wachstum hemmen. Bei Trink- und Urinmengen im Literbereich verdünnen sich diese Substanzen wie das Tamm-Horsfall-Protein oder Cathelicidin so stark, dass diese ihre antibakterielle Aktivität verlieren.

Sex und Hygiene 

Es ist einfach: Je mehr Sex, desto mehr Blasenentzündungen. Die Leitlinie formuliert das nur diplomatischer: „Die Rate an Harnwegsinfektionen korreliert mit der Rate an Genitalkontakten mit einer Erhöhung bis um das 60-fache. Sexuelle Abstinenz kann die Rate senken“. Ob das nun die Lösung des Problems ist, das muss jede Frau – oder jedes Paar – für sich entscheiden. Oder hilft es nach dem Geschlechtsverkehr auf die Toilette zu gehen? Diese Empfehlung ist nicht selten, jedoch gesicherte Daten, dass eine Harnblasenentleerung nach dem Sex die Rate an Harnwegsinfektionen senkt, existieren nicht.

Was Frauen allerdings meiden sollten: das Spermizid Nonoxynol-9. Egal ob als Intravaginal-Ovulum oder mit dem Spermizid beschichtete Diaphragmen und Kondome. Das Risiko einer Harnwegsinfektion steigt um das zwei- bis 14-fache. Auch sollten Frauen ihre Intimhygiene nicht ins Unermessliche perfektionieren, denn eine übertriebene Intimhygiene schädigt das lokale protektive Milieu der Laktobazillen.

Hygienemaßnahmen wie Händewaschen vor Toilettenbesuch, Abwischtechnik nach dem Stuhlgang von vorne nach hinten, keine Intimsprays oder Bidetspülungen, Wannenbäder ohne Badezusätze, nur Baumwollunterwäsche und Säuberung des Genitalbereichs nach Geschlechtsverkehr führten zu widersprüchlichen Resultaten. Auch die Art der Menstruationshygiene – Tampons oder Binden –, das Tragen von Strumpfhosen blieben ohne Einfluss auf die Rate an rezidivierenden Harnwegsinfektionen.

Stufenplan gegen Harnwegsinfekte

Frauen, die unter wiederkehrenden Harnwegsinfektionen leiden, sollten sich einer Art „Stufenplanverfahren“ unterziehen. An erster Stelle stehen die Verhaltensänderungen: warme Füße, eine pflanzenbetonte Ernährung, Sport, angepasste und keine übertriebene Intimhygiene, keine Spermizide bei der Verhütung. Dann der Versuch, durch Immunstimulation ihre körpereigene Abwehr gegen die Bakterien zu stärken. Hier liegen insbesondere für Uro-Vaxom sehr gute Daten vor, auch Esberitox können Sie als Therapieversuch empfehlen. Mannose verhindert die Adhäsion der Bakterien und ist in jedem Fall eine Empfehlung wert. Möchten Sie pflanzliche Arzneimittel zur Desinfektion der Harnwege empfehlen, sollten Sie auf Angocin und Bärentraubenblätterextrakte bei den reizidivierenden Infekten zurückgreifen. Bei Bärentraubenblättern ist die maximale Therapiedauer bei wiederkehrenden Infektionen der Harnwege auf einen Monat zu beschränken. Auch Cranberry können Patientinnen versuchen, die aktuell empfohlenen Dosierungen sind aber wohl zu gering angesetzt. Erst zum Schluss steht eine Antibiose: „Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau sollte nach Versagen von Verhaltensänderungen und nicht-antibiotischen Präventionsmaßnahmen sowie bei hohem Leidensdruck der Patientin eine kontinuierliche antibiotische Langzeitprävention über 3 bis 6 Monate eingesetzt werden“. Antibiotika, die hier in Frage kommen, sind: Cotrimoxazol, Trimethoprim Nitrofurantoin, Cefaclor, Norfloxacin, Ciprofloxacin oder Fosfomycin.