Muss das Ausrufezeichen noch aufs Rezept?: Stückzahlverordnung größer Nmax
Normgrößen bei Arzneimitteln haben ihren Sinn – fraglos. Arzneimittel mit N1 definieren ein therapeutisches Fenster von zehn Tagen (Anzahl Anwendungseinheiten +/- 20 Prozent), bei N2 umfasst die Therapiezeit 30 Tage (Anzahl Anwendungseinheiten +/- 10 Prozent) und dauert die Behandlung absehbar 100 Tage darf der Arzt eine Packung mit der Größe N3 verordnen (Anzahl Anwendungseinheiten +/- 10 Prozent). Je nach Arzneimittel und der zu behandelnder Erkrankung unterscheiden sich diese Packungseinheiten. So umfasst die kleinste Therapieeinheit bei einer Patientin mit einer akuten unkomplizierten Harnwegsinfektion im extremen Fall nur eine einzige Dosis – wie bei Monuril beziehungsweise generischen Fosfomycin-haltigen Arzneimitteln. Anders bei chronisch kranken Patienten: Die kleinste Therapieeinheit für Parkinsonpatienten mit Sifrol oder Pramipexol-Generika enthält 20 bis 30 Tabletten.
Reine Stückzahlverordnung ohne N1, N2 oder N3
Manchmal verordnen Ärzte auch sehr große Stückzahlen ohne Angaben einer Normgröße oder sogenannte Jumbopackungen. Klassiker sind hier tatsächlich Arzneimittel zur Therapie des Morbus Parkinson: Patienten nehmen diese Arzneimittel dauerhaft oder zumindest bis zur Eskalation der Behandlung ein. Die Gründe können jedoch vielfältig sein: ein längerer Auslandsaufenthalt, die Verordnung erfolgt durch einen Spezialisten, der nicht jedes Quartal aufgesucht wird, der Arzt will sich und dem Patienten Zeit sparen oder die benötigte Dosis wird schlichtweg anders nicht erreicht.
Der Arzt darf das. Und die Apotheke darf eine solche Verordnung versorgen, unter bestimmten Bedingungen: Eine Überschreitung der größten im Handel befindlichen Packung mit Nmax durch eine einfache Stückzahlverordnung ist aber nur dann möglich, wenn die Stückzahl ein ganzzahliges Vielfaches der Nmax ist. Nur in diesem Fall dürfen Apotheker und PTA mehrere Packungen mit Nmax abgeben. Ist die Stückzahl kein ganzzahliges Vielfaches von Nmax, ist 1x Nmax die maximale Abgabemenge. Also:
- Bei einer Verordnung von Pramipexol 200 Stück! mit Nmax = 100 Stück darf die Apotheke 2 x 100 Stück abgeben.
- Bei einer Verordnung von Pramipexol 150 Stück! mit Nmax = 100 Stück darf die Apotheke 1x 100 Stück abgeben.
Dieses „Vielfache“ dürfen PTA und Apotheker allerdings auch nur dann abgegeben, wenn der Arzt einen „besonderen Vermerk“ auf das Rezept schreibt. Solch ein „besonderer Vermerk“ kann ein Ausrufezeichen, die Ergänzung „exakte Menge“ oder die Stückzahl nochmals in Worten ausgeschrieben sein.
Der Arzt vergisst das Ausrufzeichen – was nun?
Dies war häufig der Pferdefuß bei den Stückzahlverordnungen: Fehlte nämlich dieser spezielle Hinweis – durfte die Krankenkasse die Apotheke retaxieren. Seit 2016 gibt es hier einen Retax-Schutz, eine Bremse für die Krankenkassen: Fehlt das Ausrufezeichen bei einer reinen Stückzahlverordnung, ist dies nur ein unbedeutender Formfehler, der die Patientensicherheit nicht gefährdet. Also: Die Krankenkasse muss dennoch zahlen. Ungeachtet der Retax-Bremse, befreit dies die Ärzte jedoch nicht, auf den Vermerk zu verzichten. Das Ausrufezeichen muss also nach wie vor erst einmal aufs Rezept.
Patienten zahlen pro Packung zu
Was bei Patienten – trotz des eventuell ersparten zusätzlichen Arztbesuches für Unmut und fragende Blicke sorgt: Die Zuzahlung müssen sie pro Arzneimittelpackung leisten. Gibt der Apotheker zwei Packungen Nmax ab, zahlen sie entsprechend auch zweimal die Zuzahlung. Jumbopackungen sind als Fertigarzneimittel im Handel, tragen aber keine N-Kennzeichnung. Sie übersteigen die maximal festgelegte therapiegerechte Packungsgröße N3 und dürfen nicht zu Lasten der Krankenkassen abgegeben werden.
Fazit: Stückzahlverordnung größer Nmax.
- Eine Belieferung von Stückzahlverordnungen größer Nmax sind möglich.
- Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dürfen bei Stückzahlverordnungen grundsätzlich nie mehr Tabletten abgegeben werden als die ärztlich verordnete Menge.
- Der Arzt muss die Stückzahlverordnung größer Nmax kennzeichnen, zum Beispiel mit einem Ausrufezeichen, exakte Menge, die Stückzahlverordnung in Worten.
- Nur wenn die Stückzahlverordnung ein ganzzahliges Vielfaches von Nmax ist, darf die Apotheke mehrere Nmax-Packungen abgeben.
- Fehlt der besondere Vermerk – Ausrufezeichen, exakte Menge, die Stückzahlverordnung in Worten – dürfen Krankenkassen die Apotheken nicht mehr retaxieren.
- Ist die Stückzahlverordnung kein ganzzahliges Vielfaches von Nmax, ist die maximale Abgabemenge 1 x Nmax.
- Der Patient leistet die Zuzahlung pro abgegebene Arzneimittelpackung.