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Cannabis als Medizin – Teil 2: Cannabis auf Rezept

Bild: contrastaddict - iStockphoto.com

Was kann auf dem Rezept stehen?

Neben getrockneten Cannabisblüten können auch standardisierte Extrakte daraus sowie Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol (THC) und Nabilon (vollsynthetisches Derivat von THC) verordnet werden. Unabhängig von der Darreichungsform fallen alle THC-haltigen Arzneimittel unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Die geltenden Regeln zur Belieferung eines BtM-Rezepts sind entsprechend zu beachten.

Checkliste: BtM-Rezept über Cannabisblüten

  • Werden alle Vorgaben für ein BtM-Rezept erfüllt? (Name, Vorname und Anschrift des Patienten, Ausstellungsdatum, eindeutige Arzneimittelbezeichnung, Menge des verschriebenen Arzneimittels in g, ml oder Stückzahl der abgeteilten Form, Gebrauchsanweisung mit Einzel-und Tagesgabe, Name, Anschrift einschließlich Telefonnummer und Berufsbezeichnung oder Facharztbezeichnung des verschreibenden Arztes, eigenhändige Unterschrift des Arztes) 
  • Ist das Rezept noch gültig? (Ausstellungsdatum plus 7 Tage) 
  • Sind die Sorte der Cannabisblüten oder der Gehalt an THC / CBD angegeben? 
  • Wurde die Verordnungshöchstmenge innerhalb von 30 Tagen eingehalten (maximal 100 g Cannabisblüten, maximal 1.000 mg Extrakt)? Ist ansonsten der Buchstabe „A" aufgebracht? 
  • Liegt die Gebrauchsanweisung schriftlich vor? 
  • Ist die Kostenübernahme gesichert?

Fertigarzneimittel

In Deutschland sind zurzeit zwei Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis zugelassen. Das Mundspray Sativex® enthält den standardisierten Extrakt Nabiximols und ist zugelassen zur Symptomverbesserung bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose. Das Präparat Canemes® enthält den Wirkstoff Nabilon in Kapselform und wird eingesetzt gegen Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit einer Chemotherapie bei Erwachsenen, die auf andere antiemetische Behandlungen nicht ausreichend ansprechen. Werden die beiden Fertigarzneimittel in ihren zugelassenen Indikationen verordnet, muss keine Genehmigung zur Kostenerstattung bei der Krankenkasse eingeholt werden – bei Off-label-Gebrauch, das heißt bei einer zulassungsüberschreitenden Anwendung, dagegen schon.

Rezepturen mit Dronabinol

Wird THC in Form von Dronabinol als Reinsubstanz verschrieben, so beziehen sich die Ärzte in der Regel auf die beiden NRF-Rezepturen, die in der Apotheke angefertigt werden. Dronabinol kann oral als Kapseln in den Stärken 2,5 mg, 5 mg und 10 mg (NRF 22.7.) und als ölige Tropfen in einer Konzentration von 25 mg / ml (NRF 22.8.) angewendet werden. Zusammen mit der Rezeptursubstanz werden Herstellsets mit allen für die Herstellung nötigen Substanzen und Gefäßen angeboten. Tropfen und Kapseln sollten immer unter gleichen Bedingungen, also entweder vor, zum oder nach dem Essen und zur gleichen Tageszeit, angewendet werden. Ölige Dronabinol-Tropfen sollten entweder direkt auf einem Löffel oder auf ein Stück Brot, einen Keks oder Würfelzucker getropft eingenommen werden.

Getrocknete Cannabisblüten

In nicht allzu ferner Zukunft wird Cannabis zu medizinischen Zwecken auch in Deutschland angebaut. Auch daran wurde im neuen Gesetz gedacht und eigens eine Cannabisagentur eingerichtet, die den Anbau von Cannabispflanzen in Deutschland kontrollieren soll. Bis zur ersten Ernte (voraussichtlich im Jahr 2019) werden Cannabisblüten aus dem Ausland bezogen, hauptsächlich aus den Niederlanden (Bedrocan BV) und aus Kanada (MedCann GmbH und Peace Naturals). Cannabisblüten sind allerdings nicht gleich Cannabisblüten: Die angebotenen Sorten unterscheiden sich in ihrem Gehalt an THC und einem weiteren wichtigen Inhaltsstoff, dem Cannabidiol (CBD), das sich teilweise wie ein Gegenspieler von THC verhält. Auf dem BtM-Rezept muss vom Arzt deshalb auch vermerkt sein, welche Sorte angewendet werden soll bzw. welche Mengen von THC und CBD in den Blüten enthalten sind. Es ist möglich, dass dem Patienten verschiedene Cannabissorten parallel verordnet werden. Meist werden 5-g-Dosen verschrieben, die der Patient zu Hause selbst portioniert. Es kann aber auch vorkommen, dass vom Arzt Einzeldosen gewünscht sind, z. B. zehnmal 
1 g. In diesem Fall muss die Apotheke die Mengen abwiegen, portionieren und in geeignete Behältnisse abfüllen.

Höchstverschreibungsmenge

In Summe darf eine Menge von 100 g Cannabisblüten in 30 Tagen nicht überschritten werden. Übersteigt die Verordnung die zulässige Höchstmenge, muss das Ausnahmekennzeichen „A" auf dem Rezept vermerkt sein. Ebenso muss aus der Verordnung hervorgehen, wie der Patient die Cannabisblüten anwenden soll. Steht die Angabe „Anwendung gemäß schriftlicher Anweisung" auf dem Rezept, muss der Arzt diese der Apotheke schriftlich vorlegen, damit sie auf dem Etikett des Rezepturarzneimittels vermerkt werden kann. Voraussetzung zum Erzielen einer Wirkung ist, dass die inaktiven Säuren von THC und CBD durch Wärme in den aktiven Zustand überführt werden. Vom Rauchen eines Joints wird aus pharmazeutischer Sicht abgeraten, da sich die Menge der inhalierten Wirkstoffe dabei nicht kontrollieren lässt und Tabak zudem gesundheitsschädigend ist. Empfohlen wird die Inhalation über einen elektrischen Verdampfer (Vaporisator). Weitere Informationen finden Sie in den NRF-Rezepturvorschriften 22.12. und 22.13. Alternativ können Cannabisblüten auch oral eingenommen werden, beispielsweise in Form eines Tees (siehe NRF-Vorschriften 22.14. und 22.15.).  Ein Arzt ist allerdings nicht verpflichtet, NRF-Rezepturen zu verordnen, sodass auch unverarbeitete Cannabisblüten auf dem Rezept stehen können. Auch in diesem Fall muss die Droge aber mindestens auf Identität geprüft und in ein geeignetes, etikettiertes Behältnis überführt werden.

Lagerung und Dokumentation

Da es sich bei THC-haltigen Arzneimitteln um Betäubungsmittel handelt, müssen diese dokumentiert werden. Für Sativex®, Canemes®, die Rezeptursubstanz Dronabinol und jede einzelne Cannabisblüten-Sorte muss dabei eine eigene Kartei angelegt werden. Das NRF macht in Bezug auf Dronabinol-Kapseln (NRF 22.7.) und Cannabisblüten (NRF 22.12. bis 22.15.) genaue Angaben, wie viel Verluste beim Anfertigen des Rezepturarzneimittels zulässig sind. Wird diese Prozentangabe nicht überschritten, kann die Menge ohne weitere Kommentierung aus der BtM-Kartei als separater Eintrag dokumentiert werden. Alle Betäubungsmittel müssen in der Apotheke gesondert und gegen unbefugte Entnahme gesichert aufbewahrt werden. Das geschieht üblicherweise in einem zertifizierten Wertschutzschrank. Cannabis-Arzneimittel sind grundsätzlich lichtgeschützt und mindestens unter 25 °C aufzubewahren, da die wirksamen Inhaltsstoffe oxidationsempfindlich sind. Eine Lagerung im Kühlschrank ist nicht zwingend notwendig. Einzige Ausnahme: Das Fertigarzneimittels Sativex® muss bei 2 bis 8 ° C aufbewahrt, kann allerdings nach Anbruch bei Raumtemperatur gelagert werden.

Was müssen Patienten wissen?

Unabhängig davon, ob Cannabisblüten, Extrakte, Rezepturen oder Fertigarzneimittel verordnet werden, wird empfohlen, die richtige Dosis für eine Dauertherapie langsam zu suchen („start low, go slow"). Das kann möglicherweise mehrere Wochen dauern. Während dieser Zeit sollte der Patient kein Fahrzeug führen, da vor allem in der Anfangszeit Schwindelgefühle und Müdigkeit auftreten können. Häufig kommt es unter Therapie mit Cannabinoiden auch zu einer verminderten Speichelproduktion mit trockenem Mund und Rachen. Zudem muss der Patient auf folgende Nebenwirkungen gefasst sein: Herzrasen, Blutdruckabfall (Sturzgefahr!), Muskelentspannung, verstärkter Appetit und psychotrope Wirkungen. Psychotische Erkrankungen und schwere Herz- Kreislauf-Erkrankungen sind wichtige Kontraindikationen. Von einem gleichzeitigen Alkoholkonsum wird dringend abgeraten.   
Cannabinoid-haltige Arzneimittel werden über den normalen Hausmüll entsorgt. Dabei muss wie bei allen Medikamenten sichergestellt werden, dass die Reste nicht wiederverwertbar sind (vor allem für Kinder!). 
Zum Thema Autofahren unter Cannabis sollten die Patienten wissen, dass bei THC-Nachweis während einer Verkehrskontrolle grundsätzlich zunächst ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet wird, auch wenn der Kraftfahrer Cannabis als Medizin anwendet. Legt der Patient der Polizei eine Bescheinigung des Arztes im Original vor, kann von einem ordnungswidrigen Handeln abgesehen werden. Sollten aber Auffälligkeiten festgestellt werden, die für eine Fahruntüchtigkeit sprechen, schützt auch ein Attest nicht vor einer Geldstrafe bis hin zum Entziehen der Fahrerlaubnis.