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Todesfälle durch Belladonna in den USA sorgen für Aufruhr in den deutschen Medien: So sicher ist Homöopathie in Deutschland

Nebenwirkungen und Todesfälle im Zusammenhang mit Belladonna - aber nicht mit Homöopathie im Allgemeinen. Das untersucht gerade die FDA in den USA. | Bild: unpict / Adobe Stock

Gestern machte die Meldung „US-Arzneimittelbehörde prüft Todesfälle durch Homöopathie“ in den Medien die Runde und sorgte für viele Unsicherheiten – auch unter pharmazeutischem Personal.Die amerikanische Arzneimittelbehörde prüfe gerade zehn Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme von Zahnungstabletten für Babys, die nur in den USA vertrieben werden, hieß es. Anders, als in manchen Berichten dargestellt, geht es nicht um homöopathische Belladonna-Präparate im Allgemeinen, sondern um den Herstellungsfehler eines ganz bestimmten Produktes. 

Wir haben bei der Deutschen Homöopathie-Union, Deutschlands größtem Homöopathika-Hersteller und dem Zentralverein Homöopathischer Ärzte nachgefragt, wie sicher homöopathische Arzneimittel in Deutschland sind. PTAheute-Autor Dr. med. Markus Wiesenauer gibt außerdem Tipps für die Beratung zu Belladonna.

Homöopathisches Zahnungsmittel im Fokus der US-amerikanischen Behörden

Das mutmaßlich tödliche Präparat aus Amerika (Hylands Baby Teething Tablets), um das es ausschließlich bei den Untersuchungen geht, enthält u. a. Belladonna (Tollkirsche). 

Bereits 2010 und Ende 2016 hatte die FDA ( Food and Drug Administration, die behördliche Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde der Vereinigten Staaten) kritisch auf die homöopathischen Tabletten und das Gel von Hyland`s aufmerksam gemacht. Mehrere Faktoren trugen dazu bei. So gingen bei der Behörde Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter der Therapie mit Hyland`s Baby Teething Tablets ein. Die Symptome der Nebenwirkungen stimmten mit Vergiftungserscheinungen wie sie durch die Tollkirsche, Belladonna, ausgelöst werden, überein. 

Belladonna ist einer der Bestandteile des Hyland`s Zahnungsmittels und ein gern eingesetzter Stoff in der Homöopathie. Das Präparat soll in der Potenz D 12 hergestellt worden sein. Bei korrekter Herstellung beträgt die Menge am Gift der Tollkirsche im Medikament also ca. 0,0000000000001 mg. Bei dieser Menge an Wirkstoff ist eine Vergiftung von Patienten nicht möglich. 

Bereits Ende 2016 ergaben Produktanalysen der Baby Teething Tablets inkonsistente Mengen an Belladonna. Insbesondere bei einer solchen Substanz sei es jedoch in besonderem Maße wichtig, dass die Menge an Belladonna sorgfältig kontrolliert würde. Zusätzlich erreichten die FDA Berichte, dass Kleinkinder die Tabletten überdosiert hätten: Die Tablettendose hat keinen kindersicheren Verschluss.

Diese Gefahren sieht die FDA wohl bislang immer noch: Krämpfe, Atembeschwerden, Lethargie, Muskelschwäche, Obstipation und Agitiertheit bei Säuglingen stünden weiterhin im Verdacht in Verbindung mit den Baby Teething Produkten zu stehen. 

Hyland`s zeigte sich im vergangenen Jahr überrascht von der Einschätzung der obersten Arzneimittelbehörde der Vereinigten Staaten und ist überzeugt von der Sicherheit seiner homöopathischen Zahnungstabletten. Das Unternehmen wolle sich jedoch der FDA gegenüber kooperativ zeigen und ihr alle Daten zur Verfügung stellen. Aber: Hyland`s rief seine Produkte nicht zurück.

Berichte über Todesfälle, die angeblich mit Homöopathie im Zusammenhang stehen, sorgten gestern für mächtig Aufruhr. | Bild: Hyland's Facebook

400 Berichte über Nebenwirkungen und zehn nicht bestätigte Todesfälle

Anlass für die aktuelle Analyse ist der Fall eines Kleinkindes, das 2016 nach der Einnahme der homöopathischen Tabletten mit epileptischen Anfällen ins Krankenhaus kam. Das Kind überlebte, doch der Vater meldete den Fall der FDA, die die Sicherheit homöopathischer Arzneien erst bei einem konkreten Verdacht überprüft. Die Behörde entdeckte daraufhin 400 weitere Berichte von Nebenwirkungen, die nach der Einnahme der Präparate aufgetreten waren - und die zehn Todesfälle, die bislang jedoch nicht bestätigt wurden.

Zentralverein homöopathischer Ärzte warnt vor falschen Einschätzungen

Es wäre ein Fehlschluss, aus einem Herstellungsfehler abzuleiten, dass die Homöopathie als Therapieoption gefährlich sei, so Björn Bendig, Pressesprecher des DZVhÄ). Laut Daten aus der Versorgungsforschung treten im klinischen Alltag bei Patienten, die sich homöopathisch behandeln lassen, relevante Verbesserungen auf. Ähnlich stark ausgeprägt wie in der konventionellen Medizin, nur mit weniger Nebenwirkungen.

Homöopathische Arzneimittel in Deutschland sind sicher

In den USA werden homöopathische Arzneimittel – anders als in Deutschland – nicht von der Arzneimittelbehörde geprüft und zugelassen. Homöopathische Arzneimittel unterliegen dort auch keiner Apothekenpflicht und die Angabe von Anwendungsgebieten wird von den Herstellern festgelegt.

Die Situation in Deutschland und den anderen Ländern der EU ist gänzlich anders: Homöopathische Arzneimittel müssen hier registriert bzw. zugelassen werden und unterliegen auch in der Herstellung einer Qualitätskontrolle seitens der Arzneimittelbehörde BfArM.

Nach entsprechenden Medienberichten in Deutschland erklärt das Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das in Deutschland für die Sicherheit von Arzneimitteln zuständig ist: „Mit Blick auf den Patientenschutz gibt es in Deutschland weitergehende Regelungen, die gewährleisten, dass die Sicherheit von homöopathischen Arzneimitteln vorab durch das BfArM geprüft wird.“

So werden Homöopathika in Deutschland hergestellt

Auch die Deutsche Homöopathie-Union in Karlsruhe stellt klar, wie sicher der Herstellungsprozess homöopathischer Arzneimittel in Deutschland ist und hat uns diesen am Beispiel Belladonna beschrieben. 

Die Stauden von Atropa Belladonna werden in eigenen Kulturen in Deutschland (Terra Medica) ökologisch zertifiziert angebaut. Vor jeder Verarbeitung werden die Ausgangsstoffe für die homöopathischen Arzneien in einem chemisch-physikalischen Analyseverfahren auf Identität und Reinheit geprüft. 

Und auch während der Herstellung werden die Verarbeitungsschritte durch eine umfassende und strenge Inprocess-Kontrolle überwacht – so, wie es die GMP-Richtlinien (Good Manufacturing Practices) vorschreiben. Auch bei den eigentlichen, für die Homöopathie charakteristischen Vorgängen während der Produktion halte man sich streng an die Vorschriften des Homöopathischen Arzneibuches (HAB), so Dr. Wolfgang Kern, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Homöopathie-Union

Als Basis für die Herstellung des homöopathischen Arzneimittels Belladonna dient die Urtinktur. Diese werde aus den löslichen Materialien gewonnen und anschließend schrittweise mit einem Ethanol-Wasser-Gemisch verdünnt und nach jedem Verdünnungsschritt genau zehn Mal verschüttelt: die sogenannte Potenzierung. Sie sei es, die die Homöopathie grundsätzlich von allen anderen Naturheilverfahren unterscheide. 

Keines der homöopathischen Arzneimittel verlasse das Unternehmen, ohne dass es während der Produktion und nach der Fertigstellung auf seine Qualität geprüft wurde. 

Steckbrief Belladonna

  • Causa / Lokalisation: Nicht-eitrige Entzündung, Hitze, Sonne
  • Leitsymptome: Heißes, schwitziges, hochrotes Gesicht Brennschmerz wie Feuer Pulsierende Schmerzen Sonnenbrand, Nagelbettentzündung
  • Dosierung: 1. Tag stündlich, 2. Tag alle zwei Stunden, ab dem dritten Tag 3-mal täglich 5 Globuli oder eine Tablette

So wird Belladonna in der Homöopathie eingesetzt

Homöopathische Arzneimittel stehen in der Gunst von Apothekenkunden weit oben. Da ist es für die Beratung in der Selbstmedikation hilfreich, bewährte Homöopathie-Klassiker und ihre Indikationen parat zu haben. So ein Klassiker ist Belladonna. 

Dr.med. Markus Wiesenauer ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Homöopathie und Naturheilverfahren in eigener Praxis sowie Autor von Fachbüchern und medizinischen Ratgebern und langjähriger PTAheute-Autor. Er sagt, es gibt eine ganze Reihe von homöopathischen Einzelmitteln, die mit ihrer Causa (= Auslöser, Ursache) und ihren Leitsymptomen mit wenigen Sätzen sofort erkannt werden können und so ganz einfach in das Beratungsgespräch in der Apotheke eingebracht werden können.

Ein solches leicht zu erkennendes Leitsymptom, so Wiesenauer, sei die „rote Tomate“. Hier komme die Mutter mit ihrem (Klein)-Kind vom Arzt mit einer Verschreibung eines Antipyretikums und sagt Ihnen dazu: mein Kind hat Fieber, es „glüht“ förmlich, denn es hat ein tomatenrotes Gesicht. 

Das, so Wiesenauer, weise eindeutig auf Belladonna hin, dass sich jeder weitere Nachfrage erübrige. Deshalb sei Belladonna auch meist Bestandteil homöopathischer Komplexmittel zur Behandlung fieberhafter Infekte. Kinder behandelt man mit Belladonna D6. Akute Entzündungen mit pochenden Schmerzen, beispielsweise Zahnungsbeschwerden, kann man mit Belladonna D12 behandeln.

Tipps für das Kundengespräch

  • Die Analysen zu Fällen von Nebenwirkungen und Todesfällen beziehen sich alle auf ein einziges Produkt, die Hylands Baby Teething Tablets, die nicht als Arzneimittel registriert bzw. zugelassen sind und in Deutschland nicht vertrieben werden.
  • Das Homöopathische Arzneimittel Belladonna wird in Deutschland bei pochenden Schmerzen in der Potenz D12 eingesetzt. Bei korrekter Herstellung beträgt die Menge am Gift der Tollkirsche im Medikament also ca. 0,0000000000001 mg. Bei dieser Menge an Wirkstoff ist eine Vergiftung von Patienten nicht möglich.