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Acai-Beeren – die Wunderbeere aus dem Amazonas

Acai-Beeren werden oft als TK-Ware oder gefriergetrocknet in Smoothie-Bowls verarbeitet. | Bild: nerudol / AdobeStock

Ihren Ruf als Wunderbeere erwarb die Acai-Beere im US-Fernsehen, wo die Fernsehmoderatorin Oprah Winfrey die Früchte aufgrund ihres hohen Gehalts an Antioxidanzien als Verjüngungsmittel pries. Seitdem blüht ein Hype, den mehr oder weniger seriöse Händler für ihr Geschäft mit Acai-Pulvern, -Pillen und -Säften nutzen.

Brasilien: Ursprungsland der Acai-Beere

Acai-Beeren sind die Früchte der Kohlpalme (Euterpe oleracea), die auch Jucara-, Assai-Palme oder Açaí genannt wird und vor allem am unteren Amazonas wächst. Im Ursprungsland Brasilien werden neben den Früchten auch die Palmherzen verzehrt. Sie spielen für die einheimische Bevölkerung einen wichtige Rolle in der Ernährung. 

Die 1 cm bis 1,4 cm großen, kugelförmigen und glänzenden Beeren haben im richtigen Erntestadium eine feine purpurrote – bei Vollreife fast schwarze – Haut, die von einer dünnen Wachsschicht überzogen ist. Der große, kugelförmige Kern der Beere wird nach der Ernte entfernt, gegessen wird das übrig bleibende Fruchtfleisch bzw. die Haut der Beere. 

Hoher Anthocyan-Gehalt als „Wunderwirkung“

Reife Acai-Beeren sind ein wenig mit Oliven vergleichbar, denn sie bestehen zu fast 50 Prozent aus Fett, unter anderem Ölsäure und Linolsäure. Der Zuckeranteil ist relativ gering. Die „Wunderwirkung“ wird dem hohen Anthocyan-Gehalt der reifen Beeren zugeschrieben. Als vorteilhaft gelten auch die in Acai-Beeren enthaltenen fettlöslichen Vitamine (D und E) sowie der Mineralstoff und Calciumgehalt. Eher problematisch ist dagegen eine nachweislich hohe Menge an Mangan, die sich im Fruchtmark, auch Pulpe genannt, nachweisen lässt.

Der Geschmack der Beeren und des Saftes wird als fettig, erdig und adstringierend beschrieben. In Südamerika geerntete Beeren überstehen nicht den Transport nach Europa. Deswegen werden sie für den Export zunächst hitzebehandelt, um Keime zu vernichten. In den Handel kommen gefriergetrocknetes Pulver, das auch zu Kapseln weiterverarbeitet wird, sowie Püree oder Saft aus verdünntem Fruchtmark. 

Roh verzehrte Acai-Beeren gelten in Südamerika als häufige Ursache von Infektionen mit Trypanosoma cruzi, dem Erreger einer Parasitose, die mit Gesichtsödemen und Lymphknotenschwellungen einhergeht.

Vergiftungsgefahr und Interaktionspotenzial

Die Einschätzung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zerstört viele Illusionen: Mit handelsüblichen Acai-Produkten wird – unter Berücksichtigung der empfohlenen Tagesverzehrmenge – in den meisten Fällen keine ernährungsphysiologisch relevante Menge an Anthocyanen aufgenommen. 

Dagegen warnen die Verbraucherschützer vor möglichen Vergiftungserscheinungen durch eine zu hohe Mangan-Zufuhr, vor allem durch Acai-Säfte. Durch deren Verzehr kann der von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde festgelegte Mangan-Grenzwert pro Tag (11 mg für Erwachsene) überschritten werden. 

Auch Wechselwirkungen mit Arzneimitteln oder allergische Reaktionen sind gerade bei exotischen Lebensmitteln nie auszuschließen. Auch können Acai-Produkte mit Schadstoffen belastet sein, die in den dieselbetriebenen Trocknungsanlagen im Erntegebiet übertragen wurden.

Hinweise zu Qualität und Preisbildung undeutlich 

Acai-Zubereitungen in Pulver-, Püree- und Kapselform haben ihren Preis: Man kann die vielen verschiedenen Handelspräparate schwer vergleichen, man findet 100 g Pulver ab 12 Euro, dann wieder 500 g Pulver für 9 Euro oder auch für 30 Euro. Bei Püree variieren Produkte, Preise und Versprechungen ebenso, es fällt schwer, sich zu orientieren, und man fragt sich, wie die Preise zustande kommen. 

Acai-Kapseln enthalten als Zusatz Zahlen, die möglicherweise auf eine (hohe) Dosierung hindeuten sollen, auch hier sind wirkliche Inhaltsstoffe, Qualität und Preisbildung schwer zu durchschauen. Wie lassen sich zum Beispiel Hinweise wie „Mit hochwertigem Acai-Extrakt, kein EINFACHES Acai-Pulver“ oder „hochdosierter Original-Beeren-Extrakt“ interpretieren?

Lieber Blaubeeren essen

Heidel- bzw. Blaubeeren, Rotkohl, Schwarze Johannisbeeren, Holunderbeeren – diese heimischen Produkte stehen der Acai-Beere hinsichtlich ihres Gehalts an gesunden, sekundären Pflanzenstoffen in nichts nach. Sie enthalten reichlich Anthocyane, die im menschlichen Körper antioxidativ wirksam sind und freie Radikale binden können. In ökologischer Hinsicht sind regional produzierte Lebensmittel exotischen Importen unbedingt überlegen. Auch wenn die Herkunft von Acai-Produkten teilweise romantisierend beschrieben wird wie „aus Kleinbauern-Kooperationen stammend“, „hochwertige, kontrollierte Bioqualität“ oder „im Rainforest wild geerntet“, so täuscht doch nichts darüber hinweg, dass sie lange Transportwege hinter sich haben, bis sie in Europa landen.

Aus ernährungsphysiologischer Perspektive ist die Einnahme konzentrierter Nahrungsbestandteile in Form von Nahrungsergänzungsmitteln ohnehin sehr umstritten. Wer sich gesund ernähren möchte, hat mehr Gewinn davon, wenn er seinen täglichen Verzehr an Makronährstoffen (Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate, Alkohol) weitgehend optimiert. Dann stimmen die meisten Mikronährstoffe automatisch. Das ist zwar mühsamer, aber auf Dauer erfolgreicher.

Gesetz und Werbung

Die  Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit verbietet in ihrer Health-Claims-Verordnung die Werbung mit „Superfood“ oder ähnlichen Begriffen, die den Verzehr von Produkten mit gesundheitsfördernden Effekten in Verbindung bringen. Gesundheitsbezogene Angaben müssen in der EU zugelassen werden – nach einer wissenschaftlichen Bewertung auf höchstmöglichem Niveau. 

Geschäftstüchtige Vertreiber finden trotz allem jede Menge Möglichkeiten, auch umstrittenen Produkten mit kommunikativen Tricks einen gesunden und damit unverzichtbaren Anstrich zu geben. In Online-Shops, Meinungsportalen, Direkt-Mailings, zweifelhaften Anzeigen usw. werden Heilsversprechen gegeben, die keiner Überprüfung standhalten würden. Oft werden persönliche Erfahrungen als Beleg für die Wirksamkeit angeführt, was bei vielen Verbrauchern leider die Glaubwürdigkeit erhöht. Verbraucherschützer beklagen diese Missstände schon lange. Offenbar ist es aber schwierig, den trickreichen Auswüchsen Einhalt zu gebieten. 

In der Beratung ...

Als PTA  steht man bei der Beratung oft zwischen zwei Stühlen: dem eindringlichen, aber irrationalen Kundenwunsch – und dem eigenen naturwissenschaftlichen Anspruch. Es verlangt Selbstbewusstsein und kommunikative Kompetenz hier einen Weg zu gehen, der dem Image der Apotheke ebenso gerecht wird wie der Entscheidungsfreiheit der Kunden.

Auf einen Blick:

  • Die aus dem Amazonasgebiet stammenden Acai-Beeren sind in reifem Zustand ein wenig mit Oliven vergleichbar. Das Fruchtfleisch enthält fast 50 Prozent Fett.
  • Acai-Beeren enthalten Anthocyane, die fettlöslichen Vitamine D und E sowie Mineralstoffe, vor allem Calcium. Ihre wissenschaftlich nicht bewiesenen, angeblichen Wirkungen werden ihrem antioxidativen Potenzial zugeschrieben.
  • Durch den Verzehr von Acai-Beeren kann der von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde festgelegte Mangan-Grenzwert pro Tag überschritten werden.
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