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Spray und Zerbeißkapseln mit Glyceroltrinitrat : Angina pectoris: Notfallspray und -kapseln richtig anwenden

Plötzliche starke Schmerzen hinter dem Brustbein – so äußert sich ein Angina-pectoris-Anfall. Richtig angewendet, kann ein Spray mit Glyceroltrinitrat dann helfen. | Bild: Pohl-Boskamp

Die Koronare Herzkrankheit (KHK) zählt zu den häufigsten Erkrankungen des Herzens. Ursache dafür sind Ablagerungen in den Koronararterien. Diese Gefäße umgeben das Herz kranzförmig und sind für die Blutversorgung des lebensnotwendigen Organs verantwortlich. 

Wie alle anderen Arterien auch können die Herzkranzgefäße von einer Arteriosklerose betroffen sein. Durch Ablagerungen an den Gefäßwänden wird der Blutfluss behindert und es kommt zu einer mangelhaften Sauerstoffversorgung des Herzmuskels. Durch dieses Missverhältnis von Sauerstoffangebot und -verbrauch kann es zu schmerzhaften Angina-pectoris-Anfällen kommen und die Gefahr eines Herzinfarkts ist erhöht.

Was ist ein Angina-pectoris-Anfall?

Bei einer Angina pectoris kommt es anfallsartig zu starken Schmerzen hinter dem Brustbein. Diese werden meist von einem Druckgefühl begleitet. Das charakteristische Gefühl hat auch zur Namensgebung der Erkrankung geführt: Angina pectoris bedeutet „Enge der Brust“. 

Schmerz und Druckgefühl können in die linke Schulter und den Oberarm ausstrahlen, manche Patienten spüren die Beschwerden auch im Nacken und im Schlüsselbeinbereich. Eine Koronare Herzkrankheit kann sich aber auch durch eher untypische Symptome äußern. Gerade Frauen erleben diese häufig in Form von Atemnot, Bauchschmerzen oder Übelkeit.

Bei einer stabilen Angina pectoris treten die Beschwerden nur bei bestimmten körperlichen oder seelischen Belastungen auf und gehen in Ruhe oder nach der Einnahme von Nitraten meist rasch zurück. Kennzeichen einer instabilen Angina pectoris sind dagegen Anfälle, die belastungsunabhängig und somit spontan auftreten können. Patienten mit instabiler Angina pectoris sind stark herzinfarktgefährdet. Meist werden sie daher zur Einleitung weiterer Maßnahmen stationär aufgenommen.

Therapie der Koronaren Herzkrankheit

Ein wichtiges Ziel bei der Behandlung einer KHK ist es, Angina-pectoris-Anfälle zu verhindern bzw. diese möglichst schnell aufzuhalten. Dadurch wird die Gefahr eines Herzinfarkts deutlich verringert. 

Zu den wichtigsten Koronartherapeutika gehören dabei die Nitrate – im medizinischen Sprachgebrauch sind damit Ester der Salpetersäure gemeint. Diese sorgen für eine Relaxierung der glatten Gefäßmuskulatur und führen damit zu einer unmittelbaren Weitstellung der Gefäße. Dadurch wird der venöse Rückstrom zum Herzen vermindert. Das Herz muss weniger Blut in den Kreislauf pumpen und wird entlastet. 

Neben dieser Vorlastsenkung sorgen weitere Mechanismen dafür, dass der Sauerstoffbedarf des Herzens abnimmt und zugleich das Sauerstoffangebot verbessert wird. Außerdem erweitern Nitrate auch direkt die Koronararterien und lösen dadurch die Koronarspasmen auf.

Zur Erinnerung: So wirken Nitrate

Nitrate sind Prodrugs. Sie werden im Körper durch Biotransformation in die eigentliche Wirksubstanz Stickstoffmonoxid (NO) überführt. NO wird im Körper von der innersten Wandschicht der Gefäße selbst gebildet. Durch die Gabe von Nitraten wird die körpereigene Verbindung von außen zugeführt. 

NO stimuliert in den glatten Muskelzellen ein bestimmtes Enzym, welches die Bildung von cyclischem Guanosinmonophosphat (cGMP) aus Guanosintriphosphat katalysiert. Eine erhöhte Konzentration an cGMP sorgt für eine Abnahme der intrazellulären Calciumionen-Konzentration und dadurch zu einer Abnahme des Gefäßtonus.

Die verschiedenen Nitrate wirken pharmakodynamisch praktisch gleich, ein wichtiger Unterschied besteht jedoch in ihrem Wirkungseintritt.

Glyceroltrinitrat im Akutfall Mittel der Wahl

Bei einem akuten Angina-pectoris-Anfall wird Glyceroltrinitrat als Notfallarzneimittel eingesetzt, denn sublingual appliziert wirkt es innerhalb von Sekunden bis wenigen Minuten. Alle Patienten mit Angina pectoris sollen deshalb über ein schnell wirksames Präparat mit diesem Wirkstoff verfügen. 

Doch wird Glyceroltrinitrat nicht nur akut, sondern auch zur Prophylaxe von Anfällen eingesetzt. Die meisten Patienten wissen, welche Situationen bei ihnen Angina-pectoris-Anfälle auslösen können. Häufig treten sie bei bestimmten körperlichen Belastungen, bei Kälte oder seelischem Stress auf. In diesen Fällen soll das kurzwirksame Nitrat unmittelbar vor der jeweiligen Situation angewendet werden. 

Neben der Behandlung und Prophylaxe spielt Glyceroltrinitrat auch in der Diagnostik eine wichtige Rolle: Verschwinden die Schmerzen und das Druckgefühl im Brustbereich nicht innerhalb weniger Minuten, so handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen akuten Herzinfarkt und es muss sofort ein Notarzt verständigt werden.

Darreichungsform für Wirkung entscheidend

Bei einem akuten Angina-pectoris-Anfall ist eine schnelle Aufnahme von Glyceroltrinitrat über die Schleimhäute entscheidend. Am häufigsten werden daher im Bedarfsfall Glyceroltrinitrat-haltige Sprays eingesetzt. Diese enthalten pro Sprühstoß 0,4 mg Wirkstoff. 

Je nach Ausmaß der Beschwerden sollen 1 bis 3 Sprühstöße in Abständen von 30 Sekunden in die Mundhöhle, wenn möglich unter die Zunge, gesprüht werden. Bleiben die Symptome bestehen, kann nach 10 Minuten die gleiche Dosis erneut gegeben werden. Zeigt sich auch nach 20 Minuten keine Besserung der Symptome, muss ein Notarzt gerufen werden.

So wird das Glyceroltrinitrat-Spray angewendet

  • Vor dem ersten Einsatz 1- bis 2-mal in die Luft sprühen.
  • Anwendung im Sitzen durchführen.
  • Kappe von der Flasche abziehen und diese mit dem Sprühkopf nach oben halten.
  • Spray vor der Anwendung nicht schütteln.
  • Öffnung des Sprühkopfs möglichst nahe an den Mund halten, die Zunge anheben und in die Mundhöhle unter der Zunge sprühen.
  • Zwischen den einzelnen Sprühstößen 30 Sekunden warten.
  • Während des Sprühens den Atem anhalten und die Flüssigkeit nicht inhalieren.

Neben dem Spray sind auch Weichkapseln zum Zerbeißen erhältlich. Diese enthalten pro Kapsel 0,8 mg Glyceroltrinitrat.

Zu Beginn eines Anfalls wird eine Weichkapsel zerbissen und ihr Inhalt möglichst lange in der Mundhöhle behalten. Anschließend kann die Kapselhülle ausgespuckt oder verschluckt werden. Nach 10 Minuten kann die Behandlung bei Bedarf mit einer weiteren Dosis wiederholt werden.

In Deutschland werden die meisten KHK-Patienten mit einem Spray therapiert. Die Kapseln zum Zerbeißen werden seltener angewendet. 

Aufklärung der Patienten zur korrekten Anwendung wichtig

In der Apotheke ist die ausführliche Beratung der Betroffenen wichtig, denn nicht alle wenden ihre verordneten Glyceroltrinitrat-Medikamente auch situationsgerecht an. 

Wie bereits beschrieben handelt es sich bei Glyceroltrinitrat-Sprays nicht nur um Notfallmedikamente, sie dienen auch zur prophylaktischen Gabe vor bestimmten Situationen. Viele Betroffene vermeiden jedoch lieber entsprechende Aktivitäten oder halten leichte Schmerzen aus, um das Spray möglichst wenig zu verwenden – denn sie gehen davon aus, dass das Spray bei zu häufiger Anwendung seine Wirkung verliert. Doch das ist nicht der Fall.

Im Unterschied zur Dauertherapie mit langwirksamen Nitraten (wie Isosorbiddinitrat) kommt es bei einer Anwendung von Glyceroltrinitrat im Bedarfsfall nicht zu einer Nitrattoleranz. Das Spray kann mehrmals am Tag angewendet werden, je nachdem wie es die Beschwerden erfordern. Muss das Arzneimittel jedoch deutlich häufiger als sonst angewendet werden oder treten die Schmerzen schon bei geringerer Belastung auf, sollte mit dem Arzt darüber gesprochen werden. 

Darüber hinaus sollten die Patienten in der Apotheke darüber aufgeklärt werden, dass es in Folge der gefäßerweiternden Wirkung zu Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Hautrötungen oder Schwindelgefühl kommen kann. Weiterhin sollten die Patienten dazu angehalten werden, das Spray immer bei sich zu tragen und ihre Angehörigen mit der Handhabung vertraut zu machen, damit diese im Notfall schnell Hilfe leisten können.

Auf Kontraindikationen von Nitraten achten

Ein weiterer wichtiger Punkt in der Beratung ist, dass Arzneimittel mit Glyceroltrinitrat keinesfalls zusammen mit Präparaten gegen Erektionsstörungen eingenommen werden dürfen. Aufgrund ihrer synergistischen Wirkung gilt eine Kombination oraler Nitrate mit Phosphodiesterase-5-Hemmern wie Sildenafil als kontraindiziert. Es besteht dabei die Gefahr eines lebensgefährlichen Abfalls des Blutdrucks. 

Hier ist im Kundengespräch sicherlich Fingerspitzengefühl gefragt, denn nicht wenige KHK-Patienten leiden zusätzlich an einer erektilen Dysfunktion. Quellen:
Nationale Versorgungsleitlinie Chronische KHK Version 6
Fachinformation Nitrolingual® akut Spray
Fachinformation Nitronal® 0,8 mg
 

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