Celldemic und Incellipan: Vogelgrippe: EMA empfiehlt zwei Impfstoffe
Derzeit gibt es für Menschen keinen Impfschutz gegen Vogelgrippe. Am 22. Februar 2024 befürwortete die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) nun gleich die Zulassung von zwei humanen Vogelgrippe-Vakzinen: Celldemic und Incellipan.
Entwickelt wurden die beiden Vogelgrippe-Impfstoffe von der Firma Seqirus. Der Hersteller ist bekannt durch den zellkulturbasierten Grippeimpfstoff Flucelvax® Tetra und die adjuvantierte Influenza-Vakzine Fluad Tetra®, die speziell ältere Menschen ab 50 Jahren vor Grippe schützen soll.
Gut zu wissen: Was ist die Vogelgrippe?
Nicht nur Menschen, auch Tiere können sich mit Influenzaviren infizieren und erkranken. Von „Vogelgrippe“ (aviäre Influenza) spricht man bei Influenza-A-Infektionen bei Vögeln. In seltenen Fällen können dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge Influenzaviren, die regulär bei Vögeln vorkommen, auch symptomatische Infektionen bei Menschen auslösen (was auch als Vogelgrippe bezeichnet wird). Diese Übertragung sei jedoch „nicht sehr effektiv“ und die Erreger seien für den Menschen „nicht sehr infektiös“.
Gefährdet seien vor allem Menschen mit engem Kontakt zu infiziertem Geflügel. In Deutschland sei bisher kein Fall eines mit Influenza A(H5N1) infizierten Menschen bekannt – weltweit seien es „nur wenige hundert“, erklärt das RKI.
Das Robert Koch-Institut stuft das Vogelgrippe-Risiko für Menschen derzeit somit als „sehr gering“ ein. Fände eine solche Vogel-Mensch-Übertragung jedoch statt, könne die Erkrankung „sehr schwer“ verlaufen. Glücklicherweise gibt es derzeit keine Hinweise einer fortgesetzten Mensch-zu-Mensch-Übertragung.
Adjuvantierte Vogelgrippe-Impfstoffe gegen Influenza (H5N1)
Beide Vogelgrippe-Impfstoffe sind wirkverstärkt (adjuvantiert) mit M59C.1. Sie enthalten Hämagglutinin und Neuraminidase als Oberflächenantigene, die Seqirus aus inaktivierten A/turkey/Turkey/1/2005 (H5N1)-ähnlichen Viren (NIBRG 23) gewonnen und in MDCK-Zellkulturen (Madin-Darby Canine Kidney; Zelllinie aus der Niere des Hundes) hergestellt hat.
Die Impfstoff-Suspensionen enthalten eine Dosis von 7,5 Mikrogramm pro 0,5 ml.
Gut zu wissen: Was machen Hämagglutinin und Neuraminidase?
Hämagglutinin und Neuraminidase sind Proteine auf der Oberfläche von Influenzaviren A und wichtig für die Infektion der Wirtszelle sowie die Freisetzung neuer Viruspartikel. Sie dienen dazu, Grippeviren zu klassifizieren (z. B. Influenza A(H1N1), Influenza A(H3N2) oder Influenza A(H5N1)).
Über Hämagglutinin heftet sich das Grippevirus an seine Wirtszelle und ermöglicht – durch Einschleusung seiner genetischen Information in die Wirtszelle – eine Infektion. Das Grippevirus nutzt nun die Wirtszelle, um sich dort zu vermehren und neue Viruspartikel zusammenzubauen, die die Wirtszelle allerdings wieder verlassen müssen. Wichtig dafür ist das Enzym Neuraminidase.
Die Neuraminidase spaltet die neu gebildeten Influenzaviren von der Zellmembran der infizierten Zelle ab und setzt sie frei. Neuraminidasehemmer wie z. B. Oseltamivir in Tamiflu® und Zanamivir in Relenza® verhindern diesen Freisetzungsschritt, sodass die neuen Viren an der Oberfläche ihres Wirts kleben bleiben.
Vogelgrippe-Impfstoff Incellipan erhält nur bedingte Zulassung
Allerdings wird es, so die Europäische Kommission der Zulassungsempfehlung der EMA folgt, nicht direkt beide Vogelgrippe-Impfstoffe geben.
Celldemic soll die Zulassung zur aktiven Immunisierung gegen Influenza (H5N1) – dem Erreger der Vogelgrippe – erhalten. Verabreicht werden kann Celldemic bereits Säuglingen ab einem Alter von sechs Monaten, wenn eine Influenza-A(H5N1)-Pandemie droht.
Bei Incellipan hingegen rät die EMA lediglich zur „bedingten Zulassung“. Denn: Incellipan soll erst bei einer offiziell erklärten Pandemie mit dem auf die sodann zirkulierenden Vogelgrippeviren passenden Antigen bestückt und geimpft werden.
Da Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Incellipan bereits mit anderen potenziellen Pandemiestämmen geprüft worden seien, könne die Zulassung des endgültigen Pandemieimpfstoffs dadurch beschleunigt werden, erklärt die EMA.
Zur Erinnerung: Wann rät die EMA zu einer „bedingten Zulassung“?
Voraussetzung für eine „bedingte Zulassung“ ist, dass der Nutzen einer sofortigen Verfügbarkeit des Arzneimittels das Risiko überwiegt, dass noch nicht alle Daten verfügbar sind.
Wie verträglich sind die Vogelgrippe-Impfstoffe?
Der EMA zufolge führten beide Vogelgrippe-Impfstoffe zu einer „robusten Immunreaktion bei Erwachsenen und Kindern“ drei Wochen nach der zweiten Impfdosis. Die beiden Impfdosen hatten die Kinder und Erwachsenen im Abstand von drei Wochen erhalten. Diese „robuste Immunreaktion“ machte die EMA an Hämagglutinationshemmtitern gegen Influenza H5N1 fest.
Als häufigste Nebenwirkungen hätten Erwachsene über
- Schmerzen an der Injektionsstelle,
- Müdigkeit,
- Kopfschmerzen,
- Unwohlsein sowie
- Muskel- und Gelenkschmerzen berichtet.
Bei Kinder im Alter zwischen sechs und 18 Jahren kam es zudem zu Appetitlosigkeit und Übelkeit. Kinder im Alter von sechs Monaten bis unter sechs Jahren hätten vor allem an
- einer empfindlichen Injektionsstelle,
- Reizbarkeit,
- Schläfrigkeit,
- Veränderung der Essgewohnheiten und
- Fieber gelitten.