Keimfalle Wasser: Vorsicht in der Rezeptur
Zur Herstellung von Arzneimitteln im Rahmen der Rezeptur und Defektur kommen sowohl Gereinigtes Wasser also auch Wasser für Injektionszwecke zum Einsatz. Im Arzneibuch sind für die Herstellung und Prüfung der einzelnen Wasserqualitäten genaue Vorschriften zu finden.
Warum eigentlich nicht Leitungswasser?
Normales Leitungswasser unterliegt in Deutschland hohen Qualitätsanforderungen. Zur Herstellung von Arzneimitteln darf es jedoch nicht verwendet werden. Das NRF informiert darüber, dass „die große zulässige Schwankungsbreite wichtiger Qualitätsmerkmale der Hauptgrund ist, Trinkwasser nicht für die rezepturmäßige Arzneimittelherstellung zu verwenden“.
Eine wichtige Ausnahme dazu gibt es allerdings: Werden Arzneimittel zur oralen Applikation sofort eingenommen, darf dazu Trinkwasser verwendet werden. Daher dürfen z. B. Antibiotika-Trockensäfte in der Apotheke mit Leitungswasser hergestellt und auch zur unmittelbaren Einnahme von Arzneimitteln darf Kunden in der Apotheke ein Glas Wasser angeboten werden.
Gereinigtes Wasser durch Ionenaustauscher, Destillation und Umkehrosmose
Gereinigtes Wasser (Aqua purificata) Ph. Eur. wird zur Herstellung von Rezepturen und Defekturen verwendet, die weder steril noch pyrogenfrei sein müssen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Darreichungsformen zur dermalen und oralen Anwendung, aber auch um Nasalia, Rektalia und Vaginalia.
Aqua purificata kann aus Trinkwasser durch Verwendung von Ionenaustauschern, durch Destillation oder Umkehrosmose gewonnen werden. In der Apotheke dürfte dabei als Herstellungsverfahren der Einsatz von Ionenaustauschern am häufigsten vorkommen.
Bei diesem Verfahren wird Trinkwasser durch ein Granulat von organischen Ionenaustauscherharzen geleitet und dadurch entsalzt. Keime und Pyrogene werden bei dieser Methode allerdings nicht entfernt.
Hinzukommt, dass sich Keime in stehendem Wasser schnell vermehren können, weshalb gerade der Vorlauf aus dem Ionenaustauscher häufig stark keimbelastet ist. Das auf diese Weise demineralisierte Wasser erfüllt somit nicht die Arzneibuch-Anforderungen an die mikrobielle Qualität von Gereinigtem Wasser.
Wasser zur Keimreduktion fünf Minuten sieden
Gereinigtes Wasser, das mithilfe von Ionenaustauschern gewonnen wurde, muss daher vor der Arzneimittelherstellung einer standardisierten Maßnahme zur Keimreduktion unterzogen werden.
In der Rezeptur eignet sich dazu das Aufkochen in einem Gefäß mit glatter Oberfläche über mindestens fünf Minuten. Alternativ wäre auch eine Filtration durch einen bakterienzurückhaltenden Filter mit einer Porengröße von 0,22 µm möglich.
Gereinigtes Wasser für maximal 24 Stunden aufbewahren
Das verwendete Gefäß muss vor dem Aufkochen sorgfältig gereinigt und zum Abkühlen abgedeckt werden. Anschließend kann das Gereinigte Wasser für 24 Stunden zur Arzneimittelherstellung verwendet werden.
Das Behältnis ist mit Datum und Uhrzeit der Herstellung zu beschriften. Wird das Gereinigte Wasser nur am Gewinnungstag verwendet, genügt eine Kennzeichnung mit dem Herstellungsdatum.
Das abgekochte Wasser muss so gelagert werden, dass jede Vermehrung von Keimen verhindert wird. Als Gefäße zur Aufbewahrung sind Glasgefäße mit Schliffstopfen zu empfehlen.Diese müssen täglich entleert und idealerweise sterilisiert, zumindest jedoch mit 2-Propanol 70 Prozent (V/V) desinfiziert werden. Eine Reinigung mit Spülmittel und heißem Wasser ist nicht ausreichend.
Gereinigtes Wasser aus Bag-in-Box-System
Um sich die Verwendung eines Ionenaustauschers und das nötige Abkochen zu ersparen, können Apotheken Gereinigtes Wasser auch aus einem sogenannten Bag-in-Box-System verwenden.
Dabei wird ein keimfreier, aseptischer Innenbeutel durch eine Umverpackung aus Karton geschützt. Ein Ablaufhahn ist mit dem Innenbeutel verbunden und aus diesem kann das Gereinigte Wasser entnommen werden. Da bei der Entnahme keine Luft in den Beutel gelangt, wird eine Verkeimung verhindert.
Es ist jedoch empfehlenswert, den Ablaufhahn vor jeder Wasserentnahme mit 2-Propanol 70 Prozent (V/V) zu desinfizieren und die ersten 10 ml zu verwerfen. Dann kann bei hygienisch korrekter Entnahme das Wasser aus diesem System nach Anbruch für drei Monate verwendet werden.
So wird Wasser für Injektionszwecke gewonnen
Zur Herstellung steriler Rezepturarzneimittel, wie Augentropfen oder Darreichungsformen zur Anwendung auf offenen Wunden, sollte Wasser für Injektionszwecke (Aqua ad iniectabilia) Ph. Eur. verwendet werden.
Dieses Aqua ad iniectabilia muss durch Destillation aus Trinkwasser oder Gereinigtem Wasser gewonnen werden. Destilliertes Wasser ist im Übrigen frei von gelösten Salzen und Mikroorganismen. Ein Abkochen wie bei Gereinigtem Wasser ist vor der Verwendung daher nicht nötig.
Wasser für Injektionszwecke auch als Fertigarzneimittel erhältlich
Zur Herstellung wässriger Arzneimittel kann Wasser für Injektionszwecke auch in Form entsprechender Fertigarzneimittel zum Einsatz kommen. Dabei sind auf dem Markt verschiedene Packungsgrößen in Glas- oder Plastikverpackung erhältlich.
Die Entnahme des Wassers sollte grundsätzlich mit einer sterilen Nadel und Spritze erfolgen. Verwendete Kanülen dürfen dabei nicht über längere Zeit im Behältnis bleiben. Für Anbrüche von Wasser für Injektionszwecke gilt eine Verwendbarkeitsfrist von 24 Stunden. Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/03/22/wasser-in-der-apotheke-mehr-als-nur-h-sub-2-sub-o
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2016/daz-4-2016/immer-schoen-sauber-bleiben
- Leitlinien der Bundesapothekerkammer: Herstellung und Prüfung der nicht zur parenteralen Anwendung bestimmten Rezeptur- und Defekturarzneimittel
- Leitlinie der Bundesapothekerkammer: Hygienemanagement
- Hygieneleitfaden der Gesellschaft für Dermopharmazie
- Bergner A: Praxishilfe Rezeptur, Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Apotheke, Deutscher Apotheker-Verlag, 2. Auflage, Stuttgart 2021