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Adrenalin-Pen bei allergischem Schock: Darauf ist zu achten

Mann hält Adrenalin-Autoinjektor ans Bein
Ein Adrenalin-Autoinjektor kann buchstäblich Leben retten. Wichtig bei der Anwendung ist unter anderem die sogenannte Fausthaltung. | Bild: oldmn / AdobeStock

Insektenstiche zählen bei Erwachsenen zu den Hauptauslösern für einen anaphylaktischen Schock. Ein solcher Stich löst bei Menschen ohne Allergie lediglich eine schmerzhafte Schwellung und Juckreiz aus. Bei Allergikern aktivieren die im Gift enthaltenen Proteine zusätzlich das Immunsystem und es kann zu lebensbedrohlichen systemischen Reaktionen kommen. 

Allergische Reaktionen nach einem Insektenstich

Bei einem Insektenstich wird die Haut verletzt und es gelangen fremde Eiweiße in den menschlichen Körper. Meist ist die Einstichstelle aufgrund der Verletzung stark gerötet und von schmerzhaften Hautschwellungen begleitet. 

Normalerweise klingen die Beschwerden innerhalb eines Tages wieder ab. Bei Menschen, die allergisch auf Insekten reagieren, kommt es allerdings relativ rasch zu weiteren, teilweise lebensgefährlichen Symptomen. Erste Alarmzeichen hierfür können Brennen oder Kribbeln im Bereich der Handflächen und Fußsohlen sein. Außerdem kann es zu einem pelzigen Gefühl auf der Zunge und zu Juckreiz im Rachen kommen. 

Der weitere Verlauf lässt sich nicht vorhersehen. Die allergischen Reaktionen können auf die Haut begrenzt bleiben, es kann aber auch zu einer Beteiligung weiterer Organsysteme kommen. Im schlimmsten Fall fällt der Blutdruck stark ab, die Atemwege verengen sich und letztendlich kommt es zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock mit Herz-Kreislauf-Stillstand. Erste Warnsignale müssen daher unbedingt ernst genommen und umgehend der Notarzt verständigt werden. 

Zur Erinnerung: Wie reagiert das Immunsystem bei Allergikern?

Nach dem Erstkontakt mit dem Insektengift durchläuft das Immunsystem einen Sensibilisierungsprozess. Dabei bildet es spezifische Antikörper (IgE). Beim nächsten Stich reagiert das Immunsystem schlagartig und es kommt infolge des Allergen-Antikörper-Kontakts zu einer massiven Aktivierung von Mastzellen und basophilen Granulozyten. Diese setzen daraufhin Histamin, Prostaglandine, Leukotriene, Serotonin, Zytokine und weitere Mediatoren frei, welche sich über das Blut im ganzen Körper verteilen und so die allergischen Symptome auslösen. 

Notfall-Set bei anaphylaktischem Schock überlebenswichtig

Bei Verdacht auf eine Insektengiftallergie werden zur Diagnosestellung die IgE-Antikörper im Blut bestimmt. Liegt eine Allergie vor, verordnet der behandelnde Arzt in der Regel ein Notfall-Set, um bei einem erneuten Stich rasch reagieren zu können. Dieses umfasst meist folgende Arzneimittel:  

  • H1-Antihistaminikum in flüssiger Form wie Dimetindenmaleat (z. B. Fenistil Tropfen 20 ml),
  • Glucocorticoid ebenfalls in flüssiger Form wie Betamethason (z. B. Celestamine N 0,5 liquidum 30 ml),
  • Adrenalin im Autoinjektor zur intramuskulären Injektion in die Außenseite des Oberschenkels.

Asthma-Patienten oder solche, die bei vorangegangenen allergischen Reaktionen eine deutliche Bronchialobstruktion hatten, müssen zudem ein schnell wirksames, inhalatives Beta-2-Sympathomimetikum wie Salbutamol bei sich tragen. 

Das wichtigste Arzneimittel zur Behandlung eines anaphylaktischen Schocks ist dabei das Adrenalin. Es wirkt innerhalb von Minuten. Um die Histaminwirkung aufzuheben, sollte ebenfalls möglichst rasch das Antihistaminikum angewendet werden. Hier kann maximal die vierfache Dosis der jeweils zugelassenen Einzeldosis getrunken werden. 

Weiterhin sollte nach einem Insektenstich ein hochdosiertes Glucocorticoid eingenommen werden. Die Dosierung beträgt bei Erwachsenen 15 mg Betamethason, das entspricht einer ganzen Flasche Celestamine N 0,5 liquidum.  

Wie wirkt der Adrenalin-Autoinjektor?

Die sofortige Anwendung des Adrenalin-Autoinjektors kann bei einem anaphylaktischen Schock lebensrettend sein. Bei diesem Notfallarzneimittel handelt es sich um eine Fertigspritze, die sich der Patient im Idealfall selbst verabreichen kann.

Adrenalin – auch Epinephrin genannt – gehört zu den natürlich vorkommenden Katecholaminen und wird zusammen mit Noradrenalin im Nebennierenmark gebildet. Bei einer Anaphylaxie wirkt Adrenalin über eine Aktivierung von Alpha- und Beta-Adrenorezeptoren den lebensgefährlichen Reaktionen im Körper entgegen.

Der Wirkstoff stabilisiert den Kreislauf, erhöht den Blutdruck sowie die Herzfrequenz und erweitert die Bronchien. Zudem steigert er die Kontraktionskraft des Herzens (positiv inotrop) und bewirkt eine Ödemreduktion.

Je früher dabei die intramuskuläre Injektion erfolgt, desto besser ist der Verlauf der allergischen Symptome. 

Gut zu wissen: Intramuskuläre Applikation entscheidend

Adrenalin kann intravenös oder intramuskulär verabreicht werden. Eine subkutane Applikation wird hingegen nicht mehr empfohlen, da die Resorption nicht ausreichend und der Wirkungseintritt damit verzögert ist.

Nach intramuskulärer Anwendung werden schnell ausreichend hohe Plasmaspiegel erreicht. Gleichzeitig ist das Risiko für Überdosierungen und kardiale Nebenwirkungen geringer als nach intravenöser Verabreichung.

Verfügbare Fertigarzneimittel unterscheiden sich

In Deutschland sind aktuell vier verschiedene Adrenalin-Autoinjektoren erhältlich: 

  • Anapen® 150 µg / 300 µg / 500 µg
  • Emerade® 150 µg / 300 µg / 500 µg
  • Fastjekt® 300 µg / Fastjekt® Junior 150 µg; (als Importpräparat: Epipen)
  • Jext® 150 µg / 300 µg

Die Anwendungen und Dosierungen der einzelnen Modelle unterscheiden sich voneinander, weshalb ein Austausch oder die Verschreibung verschiedener Autoinjektoren nicht sinnvoll ist. 

Die wirksame Dosis von Adrenalin zur intramuskulären Notfallbehandlung bei schweren allergischen Symptomen liegt im Bereich von 0,005 bis 0,01 mg/kg Körpergewicht. Die übliche Dosis beträgt daher bei Erwachsenen 300 µg Adrenalin, schwere Patienten benötigen gegebenenfalls mehr als eine Injektion. 

Bei Kindern und Jugendlichen beträgt die geeignete Dosis je nach Körpergewicht und Ermessen des Arztes 150 µg oder 300 µg. Die Wirkung setzt im Normalfall innerhalb von fünf bis 15 Minuten ein. 

Gut zu wissen: Dosierung auch abhängig von Autoinjektor

Im Falle von Jext® wird zwischen 15 und 30 Kilogramm Körpergewicht üblicherweise die niedrigere Dosis mit 150 µg empfohlen, ab 30 kg dann die höhere Stärke mit 300 µg. 

Für Patienten mit mehr als 60 kg Körpergewicht sind Emerade® 500 sowie Anapen® 500 zugelassen, wobei laut Fachinformation von Anapen® die empfohlene Dosis 300 oder 500 µg beträgt und von der klinischen Bewertung abhängt. 

Bei Fastjekt® gelten andere Empfehlungen: Die Junior-Variante ist laut Hersteller von 7,5 bis 25 kg Körpergewicht die richtige Wahl und bereits ab 25 kg Körpergewicht soll die höhere Stärke mit 300 µg gewählt werden. 

Wichtige Hinweise zur Anwendung von Adrenalin-Autoinjektoren

Vor der Applikation muss zunächst eine Sicherungskappe abgenommen werden. Eine Ausnahme bildet der Anapen®: Hier müssen vor der Anwendung sogar zwei Kappen entfernt werden – eine schwarze Nadelkappe und eine Sicherheitskappe über dem Auslöseknopf.

Anschließend werden Jext®, Emerade® und Fastjekt® mit der dominanten Hand inklusive Daumen fest umfasst (sog. Fausthaltung) und mit dem Nadel-Ende nach unten im Abstand von etwa 10 cm zur Oberschenkel-Außenseite gehalten. Danach wird der Autoinjektor kräftig im 90-Grad-Winkel eingestoßen. Der automatische Beginn der Injektion ist durch ein „Klicken“ hörbar. Die Injektion ist dabei auch durch leichte Kleidung hindurch möglich.

Gut zu wissen: Darum ist die Fausthaltung so wichtig

In der hektischen Notsituation kann es passieren, dass der Pen falsch herum gehalten wird. Um dann nicht versehentlich in den Daumen zu injizieren, ist es wichtig, den Daumen wie bei einer Faust um den Pen zu platzieren. 

Eine versehentliche Injektion in die Hände (oder Füße) führt in den angrenzenden Arealen durch eine Vasokonstriktion zu einer Minderdurchblutung, also peripheren IschämieQuelle: Fachinformation Jext, Stand März 2021 

Beim Anapen® ist die Anwendung etwas abweichend: Hier wird das offene Nadel-Ende des Pens an der Außenseite des Oberschenkels platziert und zum Auslösen ein roter Knopf gedrückt. Der Beginn der Injektion ist dann ebenfalls an einem „Klicken“ zu erkennen.

Nach dem Auslösen werden die Injektoren rund zehn Sekunden (Fastjekt®: 3 sec; Emerade®: 5 sec) in ihrer Position (fest am Oberschenkel) gehalten. Nach dem Entfernen wird die Injektionsstelle zur besseren Aufnahme des Wirkstoffs leicht massiert. 

Während die meisten Systeme die benutzte Nadel nach der Anwendung automatisch abdecken, muss beim Anapen® abschließend zum Schutz die schwarze Nadelkappe wieder aufgesetzt werden.

Infolge der Adrenalin-Wirkung kann es beim Patienten zu Herzklopfen, Zittern und Unruhe kommen. Diese Symptome werden durch den therapeutischen Effekt der Substanz ausgelöst und sind zunächst nicht beunruhigend. 

Adrenalin-Pen: Nach der Anwendung stets Notruf alarmieren!

Im besten Fall sind Patienten in einer anaphylaktischen Notsituation nicht allein und auch die umgebenden Menschen in der Anwendung der Pens geschult. 

Doch ob allein oder nicht: Patienten müssen in jedem Fall sofort nach der Applikation den Notarzt unter 112 mit dem Stichwort „Anaphylaxie“ alarmieren – selbst dann, wenn sie eine Besserung verspüren! Denn: „Bekannt ist, dass Betroffene nach erfolgreich behandelter Anaphylaxie infolge eines Insektenstiches nur unzureichend nachbetreut wurden“, laut der S2k-Leitlinie zu Akuttherapie und Management der AnaphylaxieStand 31.01.2021 . Tückischerweise können bei einer Anaphylaxie nach meist sechs bis 24 Stunden erneut Symptome auftreten. 

Zwischen fünf bis 20 Prozent der Patienten entwickeln nach erfolgreicher Therapie einen solchen protrahierten oder biphasischen Verlauf. Das Apothekenpersonal kann bei der Abgabe von Adrenalin-Injektoren also gar nicht oft genug darauf hinweisen, dass eine anschließende stationäre Überwachung notwendig ist!

Beratung bei der Abgabe eines Adrenalin-Pens

Im Notfall ist die richtige Anwendung des Adrenalin-Injektors entscheidend, doch können dabei leicht Fehler passieren. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat daher im Jahr 2015 verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung angeordnet. 

Die Hersteller müssen seitdem behördlich genehmigtes Schulungsmaterial (z. B. Patientenkarten und Leitfäden) zur Verfügung stellen. Dieses ist online auf der Website des BfArM abrufbar. Auf der Homepage der jeweiligen Hersteller sind zudem detaillierte Videos zur korrekten Anwendung der Adrenalin-Pens zu finden.

Gut zu wissen: Checkliste für Ärzte

Für Ärzte stellen die Firmen des Weiteren eine Checkliste bereit. Diese erinnert die Verordner daran, worüber die Patienten aufzuklären sind – etwa über die korrekte Anwendung und wann bzw. bei welchen Symptomen die Anwendung erfolgen soll. Außerdem hilft die Checkliste bei der Auswahl der korrekten Stärke.

Bei der Abgabe von Adrenalin-Autoinjektoren sollte auf das Schulungsmaterial aufmerksam gemacht werden. Zudem sollten Betroffene unter anderem darauf hingewiesen werden, stets zwei Pens mit sich zu führen. 

Hintergrund für diese Empfehlung ist, dass die Anwendung eines Autoinjektors teilweise nicht ausreicht, um die anaphylaktische Reaktion zu stoppen. Hier kann nach fünf bis 15 Minuten eine erneute Injektion mit einem neuen Pen nötig sein. Dies betrifft häufig Patienten, die zuvor Betablocker oder ACE-Hemmer eingenommen haben, denn diese verstärken mitunter die anaphylaktischen Symptome. 

Ein weiterer Grund besteht darin, dass es bei allen Modellen in seltenen Fällen zu einer Blockade beim Auslösen kommen kann. 

Gut zu wissen: Wie Arzneimittel die Anaphylaxie verstärken

Betablocker hemmen die erwünschten Effekte von Adrenalin, wie etwa die Mastzell-stabilisierende und kardiostimulatorische Wirkung.

Ramipril und Co. (ACE-Hemmer) hemmen den Bradykinin-Abbau und können so über eine ausgeprägte Vasodilatation eine Verstärkung anaphylaktischer Symptome hervorrufen. 

Auch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) können durch die Hemmung der Cyclooxygenase und damit erhöhte Leukotrienbildung zu stärkeren Symptomen führen.

Weiterhin sollte das pharmazeutische Personal darauf hinweisen, dass bei einem drohenden allergischen Schock der Adrenalin-Autoinjektor so schnell wie möglich angewendet werden sollte. Denn je früher die Injektion erfolgt, desto besser ist meist der Verlauf. 

So sollten Adrenalin-Autoinjektoren gelagert werden

Alle Adrenalin-Autoinjektoren dürfen bei maximal 25 °C gelagert werden, höhere Temperaturen können den Wirkstoffgehalt vermindern. Allerdings dürfen die Pens nicht im Kühlschrank aufbewahrt und keinesfalls eingefroren werden. 

Bei dauerhaft hohen Temperaturen (z. B. im Hochsommer) ist der Adrenalin-Pen auch unterwegs vor Hitze zu schützen. Dazu kann eine kleine Thermoskanne verwendet werden. Der Pen wird dabei einfach in der leeren Kanne transportiert. 

Die Flüssigkeit des Arzneimittels sollte stets klar und farblos sein. Dies kann durch ein Sichtfenster überprüft werden. Bei Anapen® kann dieses durch Drehen freigelegt werden, bei Emerade® muss hierfür ein Aufkleber angehoben werden. Erscheint die Lösung trüb, ist von falschen Lagerbedingungen auszugehen. In diesem Fall muss der Autoinjektor ausgetauscht werden. 

Natürlich darf auch ein regelmäßiger Blick auf das Haltbarkeitsdatum nicht fehlen. Quellen:
- https://www.bayerisches-aerzteblatt.de/inhalte/details/news/detail/News/einfuehrung-in-die-s2-leitlinie-akuttherapie-und-management-der-anaphylaxie.html;
- https://www.aerzteblatt.de/archiv/199280/Adrenalin-in-der-Akutbehandlung-der-Anaphylaxie;
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2022/daz-25-2022/kleiner-stich-grosse-gefahr
 

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