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Was ist eigentlich eine Anaphylaxie?

Frau drückt sich Autoinjektor in den Oberschenkel
Am wichtigsten bei einer Anaphylaxie ist der Adrenalin-Pen. | Bild: Andrey Popov / AdobeStock

Von einem tragischen Unglücksfall berichteten kürzlich die Medien und soziale Netzwerke: Der Finanzchef des LKW-Herstellers Daimler Truck, Jochen Goetz, ist überraschend gestorben. Der Grund für den plötzlichen Tod des 52-Jährigen soll eine allergische Reaktion infolge eines Wespenstichs gewesen sein. Wie kann so etwas passieren? Und wie könnte ein derartiger Fall verhindert werden? 

Auslöser einer Anaphylaxie

Wespen- und Bienenstiche gehören zu den häufigsten Auslösern einer massiven allergischen Reaktion – einer anaphylaktischen Reaktion. Die Anaphylaxie ist die schwerste Form einer Soforttyp-Allergie, also einer durch IgE-Antikörper ausgelösten, innerhalb von Sekunden bis Minuten auftretenden allergischen Reaktion. 

Sie kann sich in kürzester Zeit zum lebensbedrohlichen Extremfall, dem allergischen Schock, entwickeln. Auch Medikamente, beispielsweise Penicilline, NSAR, Antiepileptika, Psychopharmaka, Röntgenkontrastmittel u. a., sind häufige Anaphylaxie-Auslöser. 

Im Kindesalter spielen Nahrungsmittel die größte Rolle, an erster Stelle Erdnüsse, gefolgt von Kuhmilch, Hühnerei und Haselnüssen. Schätzungsweise 3,5 Prozent der Bevölkerung entwickeln anaphylaktische Reaktionen. 

Anaphylaxie: Allergiesymptome an mehreren Organsystemen

Die schwere allergische Reaktion beginnt, wenn das allergieauslösende Antigen – etwa Erdnussprotein oder Wespengift – in den Körper gelangt. Allerdings reagiert der Organismus nur dann, wenn er zuvor bereits mit dem Allergen Kontakt hatte. 

Die betreffende Person muss also schon einmal Erdnüsse verzehrt bzw. von einer Wespe gestochen worden sein. Dann konnte eine Sensibilisierung auf das jeweilige Antigen stattfinden und es wurden bereits spezifische IgE-Antikörper gebildet. 

Diese bewirken bei erneuter Allergenexposition eine Degranulation von Mastzellen. Dadurch werden in großer Menge Histamin und weitere Botenstoffe freigesetzt. Diese führen bei der anaphylaktischen Reaktion nicht nur zur Lokalreaktion wie etwa einer Schwellung an der Einstichstelle. Sie betreffen vielmehr den ganzen Körper, vor allem Haut, Magen-Darm-Trakt, Atemwege und Herz-Kreislauf-System. 

Charakteristisch für die Anaphylaxie ist, dass gleichzeitig an mindestens zwei Organsystemen Symptome auftreten, also etwa an der Haut und den Atemwegen. 

Was sind typische Alarmzeichen einer Anaphylaxie?

Um bei einer anaphylaktischen Reaktion richtig zu handeln, muss sie rasch erkannt werden:

  • Häufige Erstsymptome sind ein Kribbeln oder Brennen auf der Haut (z. B. an Handflächen oder Fußsohlen) und im Mund-/Rachenraum (z. B. pelziges Gefühl auf der Zunge oder Juckreiz im Rachen).
  • Oft entstehen Hautquaddeln, die sich rasch über die gesamte Hautoberfläche ausbreiten.
  • Im Gesicht schwellen häufig Augenlider und Lippen an.
  • Auch Zunge, Gaumen oder Kehlkopf können anschwellen, sodass ein Kloßgefühl und Heiserkeit auftreten.
  • Die Atemwege können sich verengen, was mit pfeifenden Atemgeräuschen, Husten und Atemnot verbunden ist.
  • Vor allem bei Nahrungsmittelallergie kann es zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall kommen.
  • Typische Symptome bei Beteiligung des Herz-Kreislauf-Systems sind Schwindel, Schwäche, Ohnmachtsgefühle, Hautblässe, Pulsbeschleunigung und Blutdruckabnahme.
  • Vermindertes Hörvermögen und ein Tunnelblick können Warnzeichen für eine sich anbahnende Bewusstlosigkeit sein.

Lebensgefahr durch allergischen Schock

Der Verlauf einer anaphylaktischen Reaktion ist schlecht vorhersehbar und nicht immer gleich. Andere Einflussfaktoren spielen mitunter eine wichtige Rolle. So kann die allergische Symptomatik bei einem vorliegenden Infekt stärker ausfallen. In manchen Fällen entwickelt sich eine anaphylaktische Reaktion nur dann, wenn der Allergenkontakt zum Beispiel unter körperlicher Aktivität stattfindet.  

Innerhalb von wenigen Minuten kann sich bei einer Anaphylaxie ein allergischer Schock (anaphylaktischer Schock) einstellen. Hierbei kommt es durch starke Gefäßerweiterung zu einem extremen Blutdruckabfall. Es drohen Bewusstlosigkeit und Kreislaufkollaps, in schweren Fällen ein tödliches Herz-Kreislauf-Versagen. Besonders gefährdet sind hierbei Personen mit kardiovaskulären Erkrankungen.  

Notfallset für schnelle Hilfe bei allergischem Schock

Um einen solchen Extremfall zu vermeiden, heißt es für Betroffene oder Begleitpersonen umgehend zu handeln. So muss grundsätzlich der Notruf 112 gewählt werden. Um die Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes zu überbrücken, sollten gefährdete Personen stets ein Notfall-Set dabei haben. 

Dieses besteht aus einem Adrenalin-Autoinjektor (z. B. Anapen®, Fastjekt®, Jext®) zur Eigenanwendung, einem schnell wirksamen (flüssigen) Antihistaminikum (z. B. Fenistil® Tropfen) und einem (flüssigen) Glucocorticoid (z. B. Celestamine® N 0,5 liquidum) sowie eventuell einem schnellwirksamen Beta-2-Sympathomimetikum gegen Atemnot. Am wichtigsten ist dabei der Adrenalin-Pen, da Adrenalin binnen weniger Minuten die Atemwege erweitert und den Kreislauf stabilisiert. 

Gut zu wissen: Selbsthilfemaßnahmen richtig einsetzen

Die Anwendung sollte daher in folgender Reihenfolge geschehen:

  1. Adrenalin-Autoinjektor betätigen (im rechten Winkel mit kräftigem Druck auf die Außenseite des Oberschenkels, auch durch die Kleidung).  
  2. Notruf 112 absetzen.
  3. Antihistaminikum einnehmen.
  4. Corticoid einnehmen.

Bei Bewusstlosigkeit dürfen allerdings keine Flüssigkeiten oder Tabletten gegeben werden.  

Außerdem kommt es auf korrekte Lagerung des Anaphylaxie-Patienten an:

  • bei Atemnot: sitzen (im Kutschersitz)
  • bei Ohnmacht oder Schwindel: flach hinlegen mit hochgelagerten Beinen
  • bei Bewusstlosigkeit: stabile Seitenlage

Bei Risiko allergologisch untersuchen lassen

Wer schon einmal auf Nahrungsmittel oder Insektenstiche sehr stark reagiert hat, könnte zur Risikogruppe für anaphylaktische Reaktionen gehören und sollte sich allergologisch untersuchen lassen. Gegebenenfalls wird dann ein Notfallset verordnet. 

Es empfiehlt sich, dass Besitzer des Notfallsets den Umgang mit dem Autoinjektor immer wieder üben. An verschiedenen Orten in Deutschland werden für Patienten auch Anaphylaxie-Schulungen angeboten. Quellen: Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB); European Centre for Allergy Research Foundation (Stiftung ECARF); www.anaphylaxie-experten.de; DAZ Nr. 25/2022  

Anaphylaxie in Kürze

  • Schwerste Form der IgE-vermittelten Soforttypallergie, Notfallsituation
  • Potenziell lebensbedrohlich, wenn allergischer Schock eintritt.
  • Auslöser meistens Wespen-/Bienenstiche, außerdem Medikamente (z. B. Penicillin) und Nahrungsmittel (v. a. Erdnüsse)
  • Allergische Symptomatik stark variierend, mindestens zwei Organsysteme betroffen; möglich: Haut, Atemwege, Magen-Darm-Trakt, Herz-Kreislauf-System
  • Erste Alarmzeichen binnen Sekunden bis Minuten nach Allergenkontakt: Kribbeln/Brennen auf der Haut und im Mund-/Rachenbereich
  • Akuttherapie erforderlich; meist Fall für Notarzt
  • Bei bekannter Anaphylaxie unbedingt stets Notfallset zur überbrückenden Eigenbehandlung mitführen; darin enthalten: Adrenalin-Autoinjektor, Antihistaminikum, Glucocorticoid.