Sonderregeln im Apothekenalltag
Corona-Pandemie
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BMG-Eilverordnung: Neue Regelungen für die Substitutionstherapie

Nahaufnahme Packung Substitol
Substitutionspatienten können ausnahmsweise durch den Botendienst der Apotheke zu Hause mit ihren benötigten Arzneimitteln versorgt werden. | Bild: picture alliance / picturedesk

Am vergangenen Dienstag wurde im Bundesanzeiger die sogenannte SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung veröffentlicht, am Mittwoch ist sie dann in Kraft getreten und damit zahlreiche Ausnahmen unter anderem vom Sozialgesetzbuch V, dem Rahmenvertrag, der Apothekenbetriebsordnung, der Arzneimittelpreisverordnung sowie des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BTMVV).

Take-home statt Sichtbezug möglich

Letztere betreffen vor allem die Versorgung Opioidabhängiger mit Substitutionsmitteln. Die Ausnahmen zielen zum einen darauf ab, die Kontakte zu reduzieren, aber auch, die Kontinuität der Versorgung zu sichern, zum Beispiel bei Erkrankungen des Personals. So dürfen beispielsweise suchtmedizinisch nicht qualifizierte Ärzte ausnahmsweise mehr als zehn Patienten mit Substitutionsmitteln behandeln und das auch ohne die übliche zeitliche Beschränkung. Außerdem ist es nun möglich, Substitutionsmittel, die eigentlich „zum unmittelbaren Verbrauch“ bestimmt sind, für bis zu sieben Tage zu verschreiben. Normalerweise geht das bei Patienten mit Sichtbezug nur für zwei Tage beziehungsweise übers Wochenende und für dem Wochenende vorangehende oder folgende Feiertage, höchstens jedoch für fünf Tage.

Eigenverantwortliche Einnahme mehrmals pro Woche möglich

Auch soll die Limitierung auf eine Verschreibung pro Woche bei eigenverantwortlicher Einnahme der Sichtbezug-Patienten aufgehoben werden. Hier wurde allerdings im Vergleich zum Referentenentwurf eine Obergrenze festgelegt. Nun sind innerhalb einer Kalenderwoche bis zu vier Verschreibungen möglich, jedoch nur eine am Tag. Zudem können Substitutionsverschreibungen abweichend von den üblichen Regeln derzeit auch ohne persönliche ärztliche Konsultation an den Patienten ausgehändigt werden.

ABDA: Sichtbezug im Botendienst besser durch pharmazeutisches Personal

Auch können, solange die Verordnung in Kraft ist, Substitutionspatienten ausnahmsweise durch den Botendienst der Apotheke zu Hause mit ihren benötigten Arzneimitteln versorgt werden. Hierzu merkt die ABDA in ihrer Praxis-Kommentierung an, dass das nur gilt, sofern eine Sichtvergabe in der Apotheke nicht angemessen gewährleistet werden kann, zum Beispiel weil das erforderliche Personal dafür nicht mehr vorhanden ist oder durch die Corona-bedingte Umstellung von Betriebsabläufen die Sichtvergabe nicht mehr ordnungsgemäß in den Betriebsräumen durchgeführt werden kann.

Soll der Patient im Botendienst versorgt werden, muss der substituierende Arzt mit der Apotheke eine ausdrückliche Vereinbarung gemäß § 5 Abs. 10 Satz 2 Nr. 2 BTMVV schließen. Das wurde in der endgültigen Verordnung im Vergleich zum Entwurf noch hinzugefügt. Die ABDA gibt außerdem zu bedenken, dass in diesem Fall an die Qualifikation des Boten der Apotheke hohe Anforderungen zu stellen sind. Es erscheine insofern höchst fraglich, ob für derartige Sachverhalte in Betracht gezogen werden sollte, nichtpharmazeutisches Personal für Botendienste einzusetzen, schreibt sie in ihrem Kommentar.

Im Notfall auch ein „normales“ Rezept

Eine weitere Ausnahme, die die Apotheken betrifft, besteht darin, dass aktuell auch im Bereich der Substitution Notfallverordnungen möglich sind – also eine Verordnung und Belieferung auf ein „normales“, entsprechend gekennzeichnetes Rezept. Das BtM-Formular wird dann nachgereicht. Normalerweise sind Substitutionsmittel hier ausgenommen. Außerdem sind BtM-Verordnungen grundsätzlich auch auf „fremden“ Rezepten möglich, also von einem anderen Arzt als dem, der sie bei der Bundesopiumstelle angefordert hat. Regulär geht das nur im Vertretungsfall.

Apotheken können sich gegenseitig aushelfen

Neben diesen Ausnahmen der BtMVV wurde im Betäubungsmittelgesetz die Möglichkeit geschaffen, dass öffentliche Apotheken oder Krankenhausapotheken sich im Notfall, also im Falle eines „nicht aufschiebbaren Betäubungsmittelbedarfs für die Behandlung von Patienten“, gegenseitig mit BtM versorgen, ohne dass sie dafür wie sonst eine Erlaubnis brauchen. Die ABDA merkt dazu an, dass an das Kriterium des nicht aufschiebbaren Bedarfs „keine übersteigerten Maßstäbe angelegt werden dürften, da die Ausnahmeregelung nach der Verordnungsbegründung bezwecke, dass sich Apotheken bedarfsgerecht untereinander aushelfen können, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung nach den zeitlichen und örtlichen Notwendigkeiten sicherzustellen. Eine Abgabe an Ärzte sei weiterhin nur insofern erlaubnisfrei möglich, sofern eine entsprechende BtM-Verschreibung vorliege. Bei der Belieferung von Arztpraxen könne dies auch eine Verschreibung für den Praxisbedarf sein, stellt die ABDA klar.

Dokumentationspflichten beachten!

Die Verordnung weist im Gegensatz zum Referentenentwurf nicht mehr explizit darauf hin, dass bei der Versorgung von Apotheken untereinander §12 BtMG und die Betäubungsmittel-Binnenhandelsverordnung zu beachten sind. Die ABDA erwähnt das aber in ihrer Kommentierung. Neben den betäubungsmittelrechtlichen Vorgaben sei zudem die Dokumentation und Mitteilung der Chargenbezeichnung an die empfangende Apotheke nach § 17 Abs. 6s ApBetrO zu beachten.

Die Regelungen gelten alle nur vorübergehend. Sobald die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wieder aufgehoben ist (§ 5 Abs. 4 Satz 1 Infektionsschutzgesetz), treten sie außer Kraft – spätestens aber mit Ablauf des 31. März 2021.

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