Regeln der COVID-19-Arzneimittelversorgungsverordnung: Neue Möglichkeiten bei der Arzneimittelabgabe
Die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung ist in Kraft getreten. Die praxisrelevantesten Regelungen für die Apotheken dürften die gelockerten Bedingungen für die Auswahl und Abgabe verordneter Arzneimittel sowie die Vergütung des Botendiensts sein. Was letzteren Punkt betrifft, ist noch etwas Geduld gefragt, weil Deutscher Apotheker Verband (DAV) und GKV-Spitzenverband derzeit noch an der technischen Umsetzung tüfteln.
Die neuen Abgabemodalitäten gelten jedoch sofort. Ihr Ziel ist es, wiederholte Arzt- oder Apothekerbesuche zu vermeiden. Was genau ist jetzt anders?
Was tun, wenn das verordnete Arzneimittel nicht vorrätig ist?
Die neue Vorgabe bestimmt, dass die Apotheke in den Fällen, in denen das verordnete Arzneimittel nicht in der Apotheke vorrätig ist, ein anderes wirkstoffgleiches in der Apotheke vorrätiges Arzneimittel abgeben darf.
Als vorrätig gilt ein Arzneimittel laut der ABDA-Praxiskommentierung zur Verordnung, wenn es in der Apotheke physisch zur Verfügung steht und abgegeben werden kann.
Die ABDA sagt in ihrer Kommentierung nichts dazu, ob zwischen den wirkstoffgleichen vorrätigen Arzneimitteln nochmal zu differenzieren ist – ebenso wenig die Verordnung selbst. Beispielsweise der Apothekerverband Schleswig-Holstein merkt aber an, dass vorrangig eines der vier preisgünstigsten bzw. ein preisgünstiger Import abzugeben ist, wenn das Rabattarzneimittel nicht da ist. Sei kein solches Präparat vorrätig, sei dies entsprechend zu dokumentieren.
Und wenn kein wirkstoffgleiches Arzneimittel vorrätig ist?
Ist kein wirkstoffgleiches Arzneimittel vorrätig, prüft die Apotheke auf jeden Fall, ob das verordnete (abzugebende) Arzneimittel lieferbar wäre. Ist das nicht der Fall, darf die Apotheke ein anderes lieferbares wirkstoffgleiches Arzneimittel bestellen.
Auch hier rät man in Schleswig-Holstein, zu dokumentieren, wenn weder das verordnete noch eines der vier preisgünstigsten bzw. ein günstiger Import lieferbar sind.
Nach Arzt-Rücksprache: Aut-simile-Austausch und hinfälliges Aut-idem-Kreuz
Die letzte Stufe zündet, wenn weder das verordnete noch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel zu beschaffen ist. Dann darf die Apotheke nach Rücksprache mit dem Arzt ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel an den Versicherten abgeben. Hier schreibt die Verordnung ausdrücklich vor, dass diese Rücksprache auf dem Verordnungsblatt zu dokumentieren ist. Das Gleiche gilt auch für den Fall, dass der Arzt auf dem Rezept das Aut-idem-Kreuz gesetzt hat und die Apotheke davon abweichen will. Eine Änderung durch den Arzt selbst ist aber nicht nötig.
Was geht ohne Rücksprache?
Ohne Rücksprache mit dem Arzt dürfen Apotheken bei der Ersetzung des verordneten Arzneimittels überdies in folgender Hinsicht von der ärztlichen Verordnung abweichen:
- Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der in der Packungsgrößenverordnung definierten Messzahl (zum Beispiel eine Jumbopackung mit 100 Stück statt 2 x 50 Stück),
- Packungsanzahl (zum Beispiel 2 x 50 Tabletten statt einmal 100),
- Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen, soweit die abzugebende Packungsgröße lieferbar ist (eine ausdrückliche ärztliche Anordnung nach § 16 Absatz 1 Satz 1 des Rahmenvertrages ist nicht nötig),
- Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen.
In den vorgenannten Fällen darf die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten werden. Bei der Verordnung von Substitutionsmitteln nach § 5 Absatz 6 Betäubungsmittelverschreibungsverordnung ist eine Abweichung nur hinsichtlich der Entnahme von Teilmengen erlaubt.
Keine Retaxation
PTA und Apotheker sollten sich nicht scheuen, von den neuen Möglichkeiten Gebrauch zu machen: Für all die beschriebenen Fälle, die sich in § 1 Absatz 3 der Rechtsverordnung finden, finden ausdrücklich keine Beanstandungen und Retaxationen statt.
Und: All diese Regelungen gelten auch für Privatverordnungen.
Abrechnung von Teilmengen
Bei der Abgabe von Teilmengen ist überdies eine Besonderheit bei der Abrechnung zu beachten: Bei der Abgabe der ersten Teilmenge wird der volle Verkaufspreis abgerechnet (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AMPreisVO). Bei der Folge-Abgabe weiterer Teilmengen aus derselben Packung kann dann jeweils nur ein Zuschlag von 5,80 Euro erhoben werden.
Dazu heißt es in der ABDA-Praxiskommentierung: „Der Gesamtpreis der Packung ist bei der ersten Teilabgabe vollständig abzurechnen. Bei den Folge-Abgaben erfolgt keinerlei Abrechnung des Einkaufspreises. Denn erkennbar geht es dem Verordnungsgeber darum, dass die Apotheke bei der Erstabgabe eine vollständige Gegenleistung erhält und bei weiteren Teilabgaben nur die Gegenleistung für die weiteren Beratungsleistungen erhalten soll.“
Die Regelungen gelten nur vorübergehend. Sobald die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wieder aufgehoben ist (§ 5 Abs. 4 Satz 1 Infektionsschutzgesetz), treten sie außer Kraft – spätestens aber mit Ablauf des 31. März 2021.