STIKO-Empfehlung: Corona-Impfungen ab fünf Jahren: Ein Überblick
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Corona-Impfung erst einmal nicht generell für alle Fünf- bis Elfjährigen. Sie rät nur Kindern dieses Alters mit Vorerkrankungen und Kontakt zu Risikopatienten zur Impfung. Aber auch bei gesunden Kindern sollen Impfungen auf Wunsch ermöglicht werden.
Die wichtigsten Fragen und Antworten haben wir hier zusammengetragen.
Welche Vorerkrankungen meint die STIKO?
Im Beschlussentwurf werden rund ein Dutzend Vorerkrankungen genannt, bei denen die Impfung empfohlen wird. Darunter zum Beispiel starkes Übergewicht, bestimmte chronische Lungenerkrankungen sowie schweres Asthma bronchiale, Tumorerkrankungen und das Down-Syndrom.
Warum gibt es keine generelle Empfehlung für alle Kinder?
Die Datengrundlage dafür reiche im Augenblick nicht aus, sagte STIKO-Chef Thomas Mertens. „Es gibt zwar keinen direkten Hinweis auf ein Risiko der Impfung in dieser Altersgruppe, aber es gibt eben auch keine ausreichend sichere Datenbasis, um die Sicherheit abschließend zu bewerten.“
Bei Kindern gilt die Sicherheit der Impfung als besonders wichtig, da sie im Unterschied zu Erwachsenen viel weniger schwer erkranken. Die Nutzen-Risiko-Abwägung ist also eine andere als bei Erwachsenen.
Wie schätzt die STIKO das Gesundheitsrisiko von Kindern ein?
„Nach unserer Analyse, auch aller Daten aus der laufenden vierten Welle, ist die Krankheitslast bei Kindern in der Altersgruppe gering“, sagte Mertens. Meist verliefen Infektionen bei ihnen ohne oder mit nur sehr milden Krankheitsanzeichen.
„Bei sehr wenigen Kindern – weniger als 1 von 10.000 Infizierten in dieser Altersgruppe – wird eine Krankenhausbehandlung nötig. Und selbst bei ihnen ist der Verlauf günstig.“ In Deutschland seien während der gesamten bisherigen Pandemie bei Kindern ohne Vorerkrankungen in dem Alter keine Todesfälle wegen COVID-19 aufgetreten.
Was ist mit Spät- und Langzeitfolgen von COVID-19 bei Kindern?
Manche Fachleute begründen den Nutzen der Impfung mit dem Verhindern von möglichen Langzeit- und Spätfolgen wie Long COVID und PIMS.
Auch die STIKO hat sich mit diesen Themen beschäftigt. Mertens sagte, etwa drei von 10.000 infizierten Kindern hätten PIMS entwickelt. „Aber auch da hat es keine Todesfälle gegeben und die Kinder konnten erfolgreich behandelt werden.“ Long COVID sei bei diesen Kindern „wissenschaftlich gesehen immer noch sehr unklar“.
Zur Erinnerung: PIMS und Long-COVID
PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) ist ein Entzündungssyndrom, das bei Kindern einige Wochen nach der Corona-Infektion auftreten kann. Anzeichen sind hohes Fieber und Ausschlag. Es gilt zwar als gut behandelbar, jedoch müssen die kleinen Patienten ins Krankenhaus.
Unter Long COVID werden verschiedene Symptome zusammengefasst, die Wochen oder Monate nach einer akuten Phase der SARS-CoV-2-Infektion andauern. Laut der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zählen das chronische Erschöpfungssyndrom, Schmerzen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme und Schlafstörungen zu den fünf häufigsten neurologischen Long-COVID-Symptomen.
Es gebe kaum wirklich zuverlässige Studien, die eine Unterscheidung erlaubten, ob Symptome durch pandemiebedingte Einschränkungen oder die Infektion hervorgerufen wurden. „Bisherige Studien mit Kontrollgruppen zeigen keinen sicheren spezifischen Effekt der Infektion“, sagte Mertens.
Wie wichtig sind Kinder-Impfungen für den Pandemieverlauf?
Einige Experten betonen, dass fehlende Impfungen bei Erwachsenen, insbesondere ab 60 Jahren, das Hauptproblem in Deutschland seien. Denn diese Gruppe habe ein wesentlich höheres Risiko als kleine Kinder, im Fall einer Infektion eine aufwendige und langwierige Intensivbehandlung zu benötigen.
Mertens sagte, aus Modellierungen habe man Hinweise darauf, dass der tatsächliche Effekt des Impfens der jungen Altersgruppe auf den weiteren Verlauf des Infektionsgeschehens in Deutschland „eher gering“ sei.
Wie sehen die Erfahrungen mit dem Kinder-Impfstoff im Ausland aus?
Die meisten COVID-19-Impfungen in der Altersgruppe gab es in den vergangenen Wochen in den USA: Dort haben nach Angaben der Gesundheitsbehörde (CDC) bisher rund fünf Millionen Kinder zwischen fünf und elf Jahren mindestens eine Impfung erhalten. Auch Kanada und Israel haben Zehntausende Kinder zumindest erstgeimpft. Über ernsthafte Nebenwirkungen ist bisher nichts bekannt geworden.
Die Daten aus den USA sind Mertens zufolge noch nicht sicher. Den meisten Kindern fehle noch die zweite Impfung. „In den USA gibt es wie bei uns ein Spontanmeldeverfahren von Nebenwirkungen und man muss von einem längeren Meldeverzug ausgehen. Wir haben von Kollegen aus den USA mündlich berichtet bekommen, dass es dort sehr wenige, gut verlaufene Fälle von Herzmuskelentzündungen nach Impfungen auch bei Fünf- bis Elfjährigen gegeben hat.“ Aber über die Häufigkeit und Bedeutung könne man im Moment nichts sagen.
Von der Impfung der Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren und der jungen Erwachsenen ist bereits bekannt, dass es im Zusammenhang mit mRNA-Impfstoffen in seltenen Fällen zu Herzmuskelentzündungen kommen kann.
Schützt die Impfung auch vor Omikron?
Erste Labordaten zeigen, dass Omikron den Antikörpern von Geimpften besser entkommt als frühere Varianten. Eine Anpassung der Impfstoffe erscheint einigen Experten wie Christian Drosten daher nun geboten.
Man müsse ausreichend immunisiert worden sein, um auch einen Schutz gegen Omikron zu haben, sagte Mertens. „Für die Impfempfehlung für Kinder spielt die Variante im Moment keine Rolle, es gibt ja im Augenblick keinen alternativen Impfstoff. Letztendlich sollte Omikron für Eltern kein Kriterium in der Impfentscheidung sein, da noch zu viele Ungewissheiten damit verbunden sind.“ Auch erste Meldungen aus Südafrika über schwere Verläufe bei Kindern seien noch nicht so belastbar. Es brauche mehr Zeit und gut angelegte Studien für die Bewertung.
Wird die Empfehlung bald auf alle Kinder ausgeweitet?
Das weiß man noch nicht. „Es ist nicht absehbar, ob und wann wir die Empfehlung ausweiten“, sagte Mertens. „Aber es liegt mir am Herzen, dass die Menschen verstehen, dass es im Sinne der Sicherheit ein vernünftiges Vorgehen ist.“
STIKO-Empfehlungen seien nie in Stein gemeißelt, sondern gäben den jeweiligen Stand des internationalen Wissens wieder. „Wenn sich die einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse ändern, dann kann auch eine Anpassung nötig werden.“ Er sehe dies als Vorteil und „verantwortliches Handeln der STIKO“.
Was ist besonders am Kinder-Impfstoff?
Comirnaty® von Biontech/Pfizer ist der am häufigsten bisher in Deutschland verwendete Corona-Impfstoff in der Altersgruppe ab zwölf Jahren: Mehr als 100 Millionen Dosen kamen bereits zum Einsatz. Fünf- bis Elfjährige erhalten im Vergleich zu Älteren eine um zwei Drittel verringerte Dosis.
Ab dem 13. Dezember sollen laut Biontech spezielle Fläschchen mit orangefarbener Kappe ausgeliefert werden. Auch nur auf diesen Kinder-Impfstoff bezieht sich die STIKO-Empfehlung – nicht auf das teils bereits von Ärzten praktizierte eigenständige Verringern der Erwachsenen-Dosis für den Einsatz bei Kindern unter zwölf Jahren.
Was gilt für Kinder, die bereits Corona hatten?
Von COVID-19 genesene Kinder mit einer der von der STIKO genannten Vorerkrankungen sollen gemäß Beschlussentwurf eine Impfstoffdosis etwa sechs Monate nach ihrer Infektion erhalten. Liegen bei Kindern keine Vorerkrankungen vor, sei vorerst nach Genesung von SARS-CoV-2 keine Impfung angezeigt, hieß es.
Wann kommt die Impf-Empfehlung für Kinder unter fünf Jahren?
Noch gibt es für sie keinen zugelassenen Impfstoff. Zu den Altersgruppen zwei bis unter fünf Jahren und sechs Monate bis unter zwei Jahren erwarten die Unternehmen Biontech/Pfizer nach eigenen Angaben noch in diesem Jahr oder Anfang des ersten Quartals 2022 erste Ergebnisse der laufenden klinischen Studien. In den USA werden Impfungen für Kinder unter fünf Jahren für 2022 erwartet. Quelle: dpa/mia