Mucin: Schutz und Schmierstoff für unseren Körper
Ob als Schleim aus der Nase, Auswurf aus der Lunge oder Sekret einer nässenden Wunde: Den Anblick von Mucin empfinden viele Menschen als unschön. Doch diese oft unterschätzte Körperflüssigkeit spielt eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit.
Sie wirkt als erste Verteidigungslinie gegen Krankheitserreger, als Lebensraum für unsere Mikrobiome und als Förderband für unsere Verdauung, damit alles buchstäblich wie geschmiert läuft.
Schleim übernimmt viele Aufgaben im Körper
Schon in der Antike galt Schleim neben Blut sowie schwarzer und gelber Galle als besonders wichtig: Diese vier Körpersäfte sollten sich für Gesundheit und Wohlbefinden im Gleichgewicht befinden. Heutzutage gelten die Sekrete eher als ekelerregende Krankheitsträger.
Dabei ist Schleim (lateinisch Mucus) viel mehr als nur ein Auswurfprodukt des Körpers. Als natürlicher Schmierstoff ist er zum Beispiel für das Schlucken und die Verdauung von großer Bedeutung. Er verhindert in Form von Nasensekret oder Zervixschleim das Eindringen von Krankheitserregern, schützt die Magenwand vor der Magensäure und beherbergt einen Großteil des menschlichen Mikrobioms, etwa in der Darmflora.
Gut zu wissen: So viel Schleim produziert der Mensch
Insgesamt produziert der menschliche Körper im Schnitt etwa einen bis eineinhalb Liter Schleim am Tag. Je nach Körperregion variiert die Zusammensetzung der gelartigen Substanz, die hauptsächlich aus Wasser, Proteinen, Antikörpern und Enzymen besteht.
Grundlage des Schleims bilden die Mucine, die überwiegend aus Glykoproteinen bestehen.
Mucin hindert Keime am Eindringen in den Körper
Die Mucine im Schleim haben die Aufgabe, gefährliche Keime unschädlich zu machen, die über zum Beispiel die Nase versuchen, in den Körper einzudringen.
Anders als bislang gedacht wirken die Schleimstoffe dabei womöglich nicht wie eine Barriere – vielmehr könnten die Zuckermoleküle in den Mucinen die Signalübertragung der Keime stören und diese so unschädlich machen. Das legt zumindest eine 2019 im Fachblatt „Nature Microbiology“ veröffentlichte Studie der deutschen Biophysikerin Katharina Ribbeck nahe.
Wie die Mucine Keime genau hemmen, lasse sich noch nicht beantworten, heißt es in der Studie. Würden die entsprechenden bioaktiven Zuckermoleküle aber identifiziert, könne das wahrscheinlich die Entwicklung einer „Klasse von Therapeutika zur Behandlung hartnäckiger bakterieller Infektionen“ erlauben.
Biotinte aus Mucin für die Forschung
Das ist nicht die einzige denkbare Anwendung: In einer im Juni dieses Jahres im Fachblatt „ACS Applied Bio Materials“ publizierten Studie stellte eine indische Forschungsgruppe eine Mucin-basierte Biotinte für den 3D-Druck von Lungengewebe vor.
Eine solche Tinte könnte einmal zur Herstellung von 3D-Lungenmodellen verwendet werden, um Lungenerkrankungen zu untersuchen und mögliche Behandlungen zu testen.
Auch an der Technischen Universität München wird unter Leitung von Oliver Lieleg an medizinischen Anwendungen von Mucinen geforscht, darunter ebenfalls an Biotinte.
Lieleg führt das große Potenzial der komplexen Schleimmoleküle auf deren vielfältige Eigenschaften zurück: Diese könnten etwa sehr viel Wasser binden, auf vielen Oberflächen haften, das Anhaften von anderen Objekten an sich aber recht gut unterdrücken.
„Es gibt aber auch den umgekehrten Fall: Viren zum Beispiel werden von Mucinen sehr gut gebunden und das ist Teil der Aufgabe von Mucus, damit wir nicht dauernd mit einer Erkältung im Bett liegen.“
Schleim für Kontaktlinsen und Pflaster
Zudem seien Mucine als körpereigenes Material gut verträglich – eine wichtige Eigenschaft für den möglichen medizinischen Einsatz, zu dem etwa spezielle Beschichtungen für Kontaktlinsen oder Intubationsschläuche gehören.
Für diese hat sich Lielegs Team zunutze gemacht, dass Mucine ein gutes Schmiermittel sind. Mucin-basierte Beschichtungen könnten Schäden an weichen Geweben durch harte Gegenstände wie Kontaktlinsen und Intubationsschläuche minimieren. Im Fall der Kontaktlinsen können Mucine auch dafür sorgen, dass sich Lipide aus dem Tränenfilm der Augen nicht auf den Linsen absetzen.
Darüber hinaus haben die Forschenden ein Wundheilungspflaster speziell für Verletzungen von Weichgewebe wie der Zunge oder im Darm entwickelt. Der Prototyp enthält eine Seite auf Mucin-Basis, die antibakteriell wirkt und so eine Verkeimung der Wunde verhindert.
Lieleg und sein Team erforschen auch mögliche Störungen des Mucus-Systems und konnten zeigen, dass Feinstaubpartikel die Barrierewirkung von Schleim beeinflussen können.
Ähnliche Untersuchungen führt die Gruppe derzeit zu Mikroplastikpartikeln durch. „Mucus fängt sehr viel ab, was von der äußeren Umwelt auf unsere Schleimhäute trifft“, fasst Lieleg zusammen. „Wenn Verunreinigungen diese Barriere schwächen, kommen vielleicht Dinge durch, die das nicht sollten.“
Schleim in seiner Bedeutung unterschätzt
Der Wissenschaftler betont: „Ich glaube, wir unterschätzen einfach, wie wichtig Schleim für uns ist.“ Ohne Mucine im Tränenfilm würde etwa Blinzeln mit der Zeit schwierig werden. Bestimmte Krankheitsbilder zeigten sich in einer verringerten Mucin-Produktion, zum Beispiel im Speichel. „Wenn der nicht ordentlich schmiert, dann ist Sprechen und Schlucken schmerzhaft“, so Lieleg.
Dass wir nicht ständig krank werden, verdankten wir den Schleimmolekülen, die eine Menge abfingen: „Was dann aus der Nase kommt, sieht vielleicht nicht so schön aus, aber das liegt daran, dass die feinen Staubpartikel oder ein Großteil der Grippeviren meiner Büronachbarin zum Glück da drin hängen.“ Quelle: dpa / mia